Ich hoffe, aus wahrer Menschenliebe hoffe ich es gewiss, dass diese unerwarteten, und doch unum- stoesslichen Wahrheiten bey Ihnen, meine Herren, einen besondern Eindruck machen werden. Noch scheinen Sie zweifelhaft. Ueberwinden Sie sich! Nehmen Sie eine Wahrheit an, deren Gewalt Sie fühlen. Ein Weiser schaemt sich niemals, seine Vorurtheile zu erkennen.
Gestehn Sie es nur, meine Herren; Sie em- pfinden nunmehr das Unrecht, das Sie der gan- zen menschlichen Gesellschaft angethan, da Sie den Trieb von andern Uebels zu reden, in einem eitlen Hochmuthe, und in der Bosheit des menschlichen Herzens gesucht haben? Aber ich will Ihnen aufrichtig gestehen, was ich zu Ih- rer Rechtfertigung von Ihnen glaube. Waren Sie vielleicht schon von der Wahrheit meines Satzes überzeugt? Wollten Sie etwan eine so neue Meynung noch nicht oeffentlich wagen? Vermuthlich war es nur Ihre Absicht, den witzi- gen Koepfen unvermerkt Gelegenheit zu geben, von der ganzen Welt Uebels zu reden, da sie eine Handlung, die allen vernünstigen Geschoe- pfen so eigen ist, vom Hochmuthe und der Bos- heit des Herzens ableiten sollten. Wie glück- lich wissen Sie, meine Herren, den Menschen, auch wider Willen, auf seine Pflicht zurückzu- führen! Ich bewundre diese Vorsicht, und sehe auch unter dieser angenommenen Masque den rechtschaffnen Patrioten.
Nun-
Ich hoffe, aus wahrer Menſchenliebe hoffe ich es gewiſs, daſs dieſe unerwarteten, und doch unum- ſtoeſslichen Wahrheiten bey Ihnen, meine Herren, einen beſondern Eindruck machen werden. Noch ſcheinen Sie zweifelhaft. Ueberwinden Sie ſich! Nehmen Sie eine Wahrheit an, deren Gewalt Sie fühlen. Ein Weiſer ſchaemt ſich niemals, ſeine Vorurtheile zu erkennen.
Geſtehn Sie es nur, meine Herren; Sie em- pfinden nunmehr das Unrecht, das Sie der gan- zen menſchlichen Geſellſchaft angethan, da Sie den Trieb von andern Uebels zu reden, in einem eitlen Hochmuthe, und in der Bosheit des menſchlichen Herzens geſucht haben? Aber ich will Ihnen aufrichtig geſtehen, was ich zu Ih- rer Rechtfertigung von Ihnen glaube. Waren Sie vielleicht ſchon von der Wahrheit meines Satzes überzeugt? Wollten Sie etwan eine ſo neue Meynung noch nicht oeffentlich wagen? Vermuthlich war es nur Ihre Abſicht, den witzi- gen Koepfen unvermerkt Gelegenheit zu geben, von der ganzen Welt Uebels zu reden, da ſie eine Handlung, die allen vernünſtigen Geſchoe- pfen ſo eigen iſt, vom Hochmuthe und der Bos- heit des Herzens ableiten ſollten. Wie glück- lich wiſſen Sie, meine Herren, den Menſchen, auch wider Willen, auf ſeine Pflicht zurückzu- führen! Ich bewundre dieſe Vorſicht, und ſehe auch unter dieſer angenommenen Maſque den rechtſchaffnen Patrioten.
Nun-
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Ich hoffe, aus wahrer Menſchenliebe hoffe ich es
gewiſs, daſs dieſe unerwarteten, und doch unum-
ſtoeſslichen Wahrheiten bey Ihnen, meine Herren,
einen beſondern Eindruck machen werden.
Noch ſcheinen Sie zweifelhaft. Ueberwinden
Sie ſich! Nehmen Sie eine Wahrheit an, deren
Gewalt Sie fühlen. Ein Weiſer ſchaemt ſich
niemals, ſeine Vorurtheile zu erkennen.
Geſtehn Sie es nur, meine Herren; Sie em-
pfinden nunmehr das Unrecht, das Sie der gan-
zen menſchlichen Geſellſchaft angethan, da Sie
den Trieb von andern Uebels zu reden, in
einem eitlen Hochmuthe, und in der Bosheit
des menſchlichen Herzens geſucht haben? Aber
ich will Ihnen aufrichtig geſtehen, was ich zu Ih-
rer Rechtfertigung von Ihnen glaube. Waren
Sie vielleicht ſchon von der Wahrheit meines
Satzes überzeugt? Wollten Sie etwan eine ſo
neue Meynung noch nicht oeffentlich wagen?
Vermuthlich war es nur Ihre Abſicht, den witzi-
gen Koepfen unvermerkt Gelegenheit zu geben,
von der ganzen Welt Uebels zu reden, da ſie
eine Handlung, die allen vernünſtigen Geſchoe-
pfen ſo eigen iſt, vom Hochmuthe und der Bos-
heit des Herzens ableiten ſollten. Wie glück-
lich wiſſen Sie, meine Herren, den Menſchen,
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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