Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Märchen vom ersten April.
cher er ihr König seyn werde, versichern könne.
Er eilte nunmehr, seinem Volke sich vorzustellen,
welches ihn mit einem jauchzenden Zurufe, und
allgemeinen Händeklatschen empfieng. Einem
gütigen Könige kann nichts angenehmers seyn,
als die Freude seiner Unterthanen. Er wartete,
bis das Geräusch des Volks sich würde gelegt ha-
ben, um mit ihm zu reden. Das Jauchzen ver-
doppelte sich, und T' Siamma brannte vor Be-
gierde, ihnen die Worte zu sagen, von denen er
hoffte, daß sie bey der Freude seines Volks einen
noch einmal so starken Eindruck haben müßten.
Da das Volk nicht aufhören wollte, zu jauchzen;
so gab er ihm das gewöhnliche Zeichen, daß er re-
den wolle, und erwartete ein ehrerbietiges Still-
schweigen: Aber das Lärmen verdoppelte sich. Nun-
mehr war es kein Jauchzen oder Händeklatschen
mehr; es war ein wildes und wüstes Geschrey
eines trunkenen Pöbels. Der König erschrak,
seine Räthe erblaßten. Sie würden es für einen
Aufruhr gehalten haben: aber sie sahen, daß das
Volk sich ruhig hielt, und nur bey einem unauf-
hörlichen Jauchzen und Händeklatschen zu rasen
schien. Mit einem Worte: Es war dem Könige
nicht möglich, zu seinem Volke zu reden. Er kehrte
zurück, und überdachte sein Schicksal mit der Trau-
rigkeit eines liebreichen Vaters, welcher nicht
mehr weis, wie er seinen Kindern helfen soll, die
auf ihn nicht hören wollen.

Alles

Das Maͤrchen vom erſten April.
cher er ihr Koͤnig ſeyn werde, verſichern koͤnne.
Er eilte nunmehr, ſeinem Volke ſich vorzuſtellen,
welches ihn mit einem jauchzenden Zurufe, und
allgemeinen Haͤndeklatſchen empfieng. Einem
guͤtigen Koͤnige kann nichts angenehmers ſeyn,
als die Freude ſeiner Unterthanen. Er wartete,
bis das Geraͤuſch des Volks ſich wuͤrde gelegt ha-
ben, um mit ihm zu reden. Das Jauchzen ver-
doppelte ſich, und T’ Siamma brannte vor Be-
gierde, ihnen die Worte zu ſagen, von denen er
hoffte, daß ſie bey der Freude ſeines Volks einen
noch einmal ſo ſtarken Eindruck haben muͤßten.
Da das Volk nicht aufhoͤren wollte, zu jauchzen;
ſo gab er ihm das gewoͤhnliche Zeichen, daß er re-
den wolle, und erwartete ein ehrerbietiges Still-
ſchweigen: Aber das Laͤrmen verdoppelte ſich. Nun-
mehr war es kein Jauchzen oder Haͤndeklatſchen
mehr; es war ein wildes und wuͤſtes Geſchrey
eines trunkenen Poͤbels. Der Koͤnig erſchrak,
ſeine Raͤthe erblaßten. Sie wuͤrden es fuͤr einen
Aufruhr gehalten haben: aber ſie ſahen, daß das
Volk ſich ruhig hielt, und nur bey einem unauf-
hoͤrlichen Jauchzen und Haͤndeklatſchen zu raſen
ſchien. Mit einem Worte: Es war dem Koͤnige
nicht moͤglich, zu ſeinem Volke zu reden. Er kehrte
zuruͤck, und uͤberdachte ſein Schickſal mit der Trau-
rigkeit eines liebreichen Vaters, welcher nicht
mehr weis, wie er ſeinen Kindern helfen ſoll, die
auf ihn nicht hoͤren wollen.

Alles
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0492" n="470[468]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Ma&#x0364;rchen vom er&#x017F;ten April.</hi></fw><lb/>
cher er ihr Ko&#x0364;nig &#x017F;eyn werde, ver&#x017F;ichern ko&#x0364;nne.<lb/>
Er eilte nunmehr, &#x017F;einem Volke &#x017F;ich vorzu&#x017F;tellen,<lb/>
welches ihn mit einem jauchzenden Zurufe, und<lb/>
allgemeinen Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen empfieng. Einem<lb/>
gu&#x0364;tigen Ko&#x0364;nige kann nichts angenehmers &#x017F;eyn,<lb/>
als die Freude &#x017F;einer Unterthanen. Er wartete,<lb/>
bis das Gera&#x0364;u&#x017F;ch des Volks &#x017F;ich wu&#x0364;rde gelegt ha-<lb/>
ben, um mit ihm zu reden. Das Jauchzen ver-<lb/>
doppelte &#x017F;ich, und <hi rendition="#fr">T&#x2019; Siamma</hi> brannte vor Be-<lb/>
gierde, ihnen die Worte zu &#x017F;agen, von denen er<lb/>
hoffte, daß &#x017F;ie bey der Freude &#x017F;eines Volks einen<lb/>
noch einmal &#x017F;o &#x017F;tarken Eindruck haben mu&#x0364;ßten.<lb/>
Da das Volk nicht aufho&#x0364;ren wollte, zu jauchzen;<lb/>
&#x017F;o gab er ihm das gewo&#x0364;hnliche Zeichen, daß er re-<lb/>
den wolle, und erwartete ein ehrerbietiges Still-<lb/>
&#x017F;chweigen: Aber das La&#x0364;rmen verdoppelte &#x017F;ich. Nun-<lb/>
mehr war es kein Jauchzen oder Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen<lb/>
mehr; es war ein wildes und wu&#x0364;&#x017F;tes Ge&#x017F;chrey<lb/>
eines trunkenen Po&#x0364;bels. Der Ko&#x0364;nig er&#x017F;chrak,<lb/>
&#x017F;eine Ra&#x0364;the erblaßten. Sie wu&#x0364;rden es fu&#x0364;r einen<lb/>
Aufruhr gehalten haben: aber &#x017F;ie &#x017F;ahen, daß das<lb/>
Volk &#x017F;ich ruhig hielt, und nur bey einem unauf-<lb/>
ho&#x0364;rlichen Jauchzen und Ha&#x0364;ndeklat&#x017F;chen zu ra&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chien. Mit einem Worte: Es war dem Ko&#x0364;nige<lb/>
nicht mo&#x0364;glich, zu &#x017F;einem Volke zu reden. Er kehrte<lb/>
zuru&#x0364;ck, und u&#x0364;berdachte &#x017F;ein Schick&#x017F;al mit der Trau-<lb/>
rigkeit eines liebreichen Vaters, welcher nicht<lb/>
mehr weis, wie er &#x017F;einen Kindern helfen &#x017F;oll, die<lb/>
auf ihn nicht ho&#x0364;ren wollen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Alles</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[470[468]/0492] Das Maͤrchen vom erſten April. cher er ihr Koͤnig ſeyn werde, verſichern koͤnne. Er eilte nunmehr, ſeinem Volke ſich vorzuſtellen, welches ihn mit einem jauchzenden Zurufe, und allgemeinen Haͤndeklatſchen empfieng. Einem guͤtigen Koͤnige kann nichts angenehmers ſeyn, als die Freude ſeiner Unterthanen. Er wartete, bis das Geraͤuſch des Volks ſich wuͤrde gelegt ha- ben, um mit ihm zu reden. Das Jauchzen ver- doppelte ſich, und T’ Siamma brannte vor Be- gierde, ihnen die Worte zu ſagen, von denen er hoffte, daß ſie bey der Freude ſeines Volks einen noch einmal ſo ſtarken Eindruck haben muͤßten. Da das Volk nicht aufhoͤren wollte, zu jauchzen; ſo gab er ihm das gewoͤhnliche Zeichen, daß er re- den wolle, und erwartete ein ehrerbietiges Still- ſchweigen: Aber das Laͤrmen verdoppelte ſich. Nun- mehr war es kein Jauchzen oder Haͤndeklatſchen mehr; es war ein wildes und wuͤſtes Geſchrey eines trunkenen Poͤbels. Der Koͤnig erſchrak, ſeine Raͤthe erblaßten. Sie wuͤrden es fuͤr einen Aufruhr gehalten haben: aber ſie ſahen, daß das Volk ſich ruhig hielt, und nur bey einem unauf- hoͤrlichen Jauchzen und Haͤndeklatſchen zu raſen ſchien. Mit einem Worte: Es war dem Koͤnige nicht moͤglich, zu ſeinem Volke zu reden. Er kehrte zuruͤck, und uͤberdachte ſein Schickſal mit der Trau- rigkeit eines liebreichen Vaters, welcher nicht mehr weis, wie er ſeinen Kindern helfen ſoll, die auf ihn nicht hoͤren wollen. Alles

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/492
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 470[468]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/492>, abgerufen am 01.06.2024.