Rathsherrn ein Vetter ist. Dieses ist der einzige Mann in der Stadt, der sein Amt auf eine billige Art erlangt hat, und im Vorbeygehen muß ich auch erinnern, daß er zugleich der einzige in un- serm Orte ist, welcher den Verstand eher hatte, als das Amt.
Mit den Uebrigen ist es ganz anders beschaffen. Der Stadtschreiber hatte, als Advocat, das Un- glück, daß er wegen seiner Geschicklichkeit, die verschiedene Obere aus Unverstand Betrügerey nannten, in die Jnquisition kommen sollte. Sei- ne Sache war so beschaffen, daß er nach dem Ei- gensinne altväterischer Rechte gewiß den Staupbe- sen würde bekommen haben; aber ein Edler Wohl- weiser Rath sahe die unvermeidliche Folge davon ein. Der größte Theil von ihnen stund in einer so genauen Verbindung mit ihm, daß sie gewiß an seinem Staupbesen hätten Antheil nehmen, und des regierenden Herrn Bürgermeisters Hochedlen am Galgen ersticken müssen, wenn man diesen wackern Mann nicht den Händen der blinden Ge- rechtigkeit entrissen hätte. Man überlegte mit der Frau Amtmanninn die Sache genau, und eine Kleinigkeit von etlichen Ellen brabanter Spitzen legte seine Unschuld dergestalt an den Tag, daß er sich mit Ehren von seinem Handel befreyt sah. Der Frau Bürgermeisterinn war der Hals ihres theuren Gemahls so lieb, daß sie vor Freuden nicht eher ruhte, bis diesem angefochtnen Manne die Gerechtigkeit der Stadt, und das Wohl der
gan-
Antons Panßa von Mancha
Rathsherrn ein Vetter iſt. Dieſes iſt der einzige Mann in der Stadt, der ſein Amt auf eine billige Art erlangt hat, und im Vorbeygehen muß ich auch erinnern, daß er zugleich der einzige in un- ſerm Orte iſt, welcher den Verſtand eher hatte, als das Amt.
Mit den Uebrigen iſt es ganz anders beſchaffen. Der Stadtſchreiber hatte, als Advocat, das Un- gluͤck, daß er wegen ſeiner Geſchicklichkeit, die verſchiedene Obere aus Unverſtand Betruͤgerey nannten, in die Jnquiſition kommen ſollte. Sei- ne Sache war ſo beſchaffen, daß er nach dem Ei- genſinne altvaͤteriſcher Rechte gewiß den Staupbe- ſen wuͤrde bekommen haben; aber ein Edler Wohl- weiſer Rath ſahe die unvermeidliche Folge davon ein. Der groͤßte Theil von ihnen ſtund in einer ſo genauen Verbindung mit ihm, daß ſie gewiß an ſeinem Staupbeſen haͤtten Antheil nehmen, und des regierenden Herrn Buͤrgermeiſters Hochedlen am Galgen erſticken muͤſſen, wenn man dieſen wackern Mann nicht den Haͤnden der blinden Ge- rechtigkeit entriſſen haͤtte. Man uͤberlegte mit der Frau Amtmanninn die Sache genau, und eine Kleinigkeit von etlichen Ellen brabanter Spitzen legte ſeine Unſchuld dergeſtalt an den Tag, daß er ſich mit Ehren von ſeinem Handel befreyt ſah. Der Frau Buͤrgermeiſterinn war der Hals ihres theuren Gemahls ſo lieb, daß ſie vor Freuden nicht eher ruhte, bis dieſem angefochtnen Manne die Gerechtigkeit der Stadt, und das Wohl der
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Antons Panßa von Mancha
Rathsherrn ein Vetter iſt. Dieſes iſt der einzige
Mann in der Stadt, der ſein Amt auf eine billige
Art erlangt hat, und im Vorbeygehen muß ich
auch erinnern, daß er zugleich der einzige in un-
ſerm Orte iſt, welcher den Verſtand eher hatte,
als das Amt.
Mit den Uebrigen iſt es ganz anders beſchaffen.
Der Stadtſchreiber hatte, als Advocat, das Un-
gluͤck, daß er wegen ſeiner Geſchicklichkeit, die
verſchiedene Obere aus Unverſtand Betruͤgerey
nannten, in die Jnquiſition kommen ſollte. Sei-
ne Sache war ſo beſchaffen, daß er nach dem Ei-
genſinne altvaͤteriſcher Rechte gewiß den Staupbe-
ſen wuͤrde bekommen haben; aber ein Edler Wohl-
weiſer Rath ſahe die unvermeidliche Folge davon
ein. Der groͤßte Theil von ihnen ſtund in einer
ſo genauen Verbindung mit ihm, daß ſie gewiß
an ſeinem Staupbeſen haͤtten Antheil nehmen, und
des regierenden Herrn Buͤrgermeiſters Hochedlen
am Galgen erſticken muͤſſen, wenn man dieſen
wackern Mann nicht den Haͤnden der blinden Ge-
rechtigkeit entriſſen haͤtte. Man uͤberlegte mit der
Frau Amtmanninn die Sache genau, und eine
Kleinigkeit von etlichen Ellen brabanter Spitzen
legte ſeine Unſchuld dergeſtalt an den Tag, daß
er ſich mit Ehren von ſeinem Handel befreyt ſah.
Der Frau Buͤrgermeiſterinn war der Hals ihres
theuren Gemahls ſo lieb, daß ſie vor Freuden
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/52>, abgerufen am 21.11.2024.
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