[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Zweytes Buch. Abend zum erstenmale; sie finden in ihrem beider-seitigen Umgange etwas, das ihnen gefällt; sie fangen an, sich zu lieben; noch an diesem Abende entdecken sie einander ihre Liebe. T - - freut sich, und überläßt es aus Bescheidenheit dem Ausspruche ihrer Mutter. E - - ist ein tugendhafter und ehr- licher Mensch; aber er hat kein Geld, kein Amt, und weis auch noch nicht, wenn? und wo? er beides finden soll: T - - hat eben so wenig Ver- mögen, und kann sich nur sehr kümmerlich mit ihrer Mutter ernähren. Sie lieben sich beide zu aufrichtig, als daß sie einander dieses verschweigen sollten; aber sie lieben sich auch beide zu stark, als daß sie vernünftig nachrechnen sollten, wie viel sie etwan künftig brauchen möchten. Jhre Mutter, ein christliches Weib, und eine große Freundinn des Ehestandes, macht ihnen Muth; Sie sollen beten und arbeiten, so wird es ihnen nicht feh- len! Wie sehr beruhigt dieser mütterliche Segen unser zärtliches Paar! Sie heirathen sich, und vor großer Liebe merken sie in den ersten vier Wo- chen ihren Mangel nicht. Nun wird ihre jugend- liche Liebe etwas ernsthafter. Sie vermissen die unentbehrlichsten Sachen in ihrer Wirthschaft: Sie klagen es der Mutter, und diese zuckt die Achseln. Sie beten, und haben doch kein Brodt. Sie wollen arbeiten, und es findet sich keine Arbeit, und kein Amt für ihren Stand. Sie lieben ein- ander T - - und E - - sind zu arm, als daß sie sehr bekannt
wären; aber doch dauern sie mich, daß sie nunmehr be- kannt werden sollen. Zweytes Buch. Abend zum erſtenmale; ſie finden in ihrem beider-ſeitigen Umgange etwas, das ihnen gefaͤllt; ſie fangen an, ſich zu lieben; noch an dieſem Abende entdecken ſie einander ihre Liebe. T ‒ ‒ freut ſich, und uͤberlaͤßt es aus Beſcheidenheit dem Ausſpruche ihrer Mutter. E ‒ ‒ iſt ein tugendhafter und ehr- licher Menſch; aber er hat kein Geld, kein Amt, und weis auch noch nicht, wenn? und wo? er beides finden ſoll: T ‒ ‒ hat eben ſo wenig Ver- moͤgen, und kann ſich nur ſehr kuͤmmerlich mit ihrer Mutter ernaͤhren. Sie lieben ſich beide zu aufrichtig, als daß ſie einander dieſes verſchweigen ſollten; aber ſie lieben ſich auch beide zu ſtark, als daß ſie vernuͤnftig nachrechnen ſollten, wie viel ſie etwan kuͤnftig brauchen moͤchten. Jhre Mutter, ein chriſtliches Weib, und eine große Freundinn des Eheſtandes, macht ihnen Muth; Sie ſollen beten und arbeiten, ſo wird es ihnen nicht feh- len! Wie ſehr beruhigt dieſer muͤtterliche Segen unſer zaͤrtliches Paar! Sie heirathen ſich, und vor großer Liebe merken ſie in den erſten vier Wo- chen ihren Mangel nicht. Nun wird ihre jugend- liche Liebe etwas ernſthafter. Sie vermiſſen die unentbehrlichſten Sachen in ihrer Wirthſchaft: Sie klagen es der Mutter, und dieſe zuckt die Achſeln. Sie beten, und haben doch kein Brodt. Sie wollen arbeiten, und es findet ſich keine Arbeit, und kein Amt fuͤr ihren Stand. Sie lieben ein- ander T ‒ ‒ und E ‒ ‒ ſind zu arm, als daß ſie ſehr bekannt
waͤren; aber doch dauern ſie mich, daß ſie nunmehr be- kannt werden ſollen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0533" n="511[509]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Buch.</hi></fw><lb/> Abend zum erſtenmale; ſie finden in ihrem beider-<lb/> ſeitigen Umgange etwas, das ihnen gefaͤllt; ſie<lb/> fangen an, ſich zu lieben; noch an dieſem Abende<lb/> entdecken ſie einander ihre Liebe. <hi rendition="#fr">T</hi> ‒ ‒ freut ſich,<lb/> und uͤberlaͤßt es aus Beſcheidenheit dem Ausſpruche<lb/> ihrer Mutter. <hi rendition="#fr">E</hi> ‒ ‒ iſt ein tugendhafter und ehr-<lb/> licher Menſch; aber er hat kein Geld, kein Amt,<lb/> und weis auch noch nicht, wenn? und wo? er<lb/> beides finden ſoll: <hi rendition="#fr">T</hi> ‒ ‒ hat eben ſo wenig Ver-<lb/> moͤgen, und kann ſich nur ſehr kuͤmmerlich mit<lb/> ihrer Mutter ernaͤhren. Sie lieben ſich beide zu<lb/> aufrichtig, als daß ſie einander dieſes verſchweigen<lb/> ſollten; aber ſie lieben ſich auch beide zu ſtark, als<lb/> daß ſie vernuͤnftig nachrechnen ſollten, wie viel ſie<lb/> etwan kuͤnftig brauchen moͤchten. Jhre Mutter,<lb/> ein chriſtliches Weib, und eine große Freundinn<lb/> des Eheſtandes, macht ihnen Muth; <hi rendition="#fr">Sie ſollen<lb/> beten und arbeiten, ſo wird es ihnen nicht feh-<lb/> len!</hi> Wie ſehr beruhigt dieſer muͤtterliche Segen<lb/> unſer zaͤrtliches Paar! Sie heirathen ſich, und<lb/> vor großer Liebe merken ſie in den erſten vier Wo-<lb/> chen ihren Mangel nicht. Nun wird ihre jugend-<lb/> liche Liebe etwas ernſthafter. Sie vermiſſen die<lb/> unentbehrlichſten Sachen in ihrer Wirthſchaft: Sie<lb/> klagen es der Mutter, und dieſe zuckt die Achſeln.<lb/> Sie beten, und haben doch kein Brodt. Sie<lb/> wollen arbeiten, und es findet ſich keine Arbeit,<lb/> und kein Amt fuͤr ihren Stand. Sie lieben ein-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ander</fw><lb/><note xml:id="a10" prev="#a09" place="foot" n="(12)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">T</hi></hi> ‒ ‒ und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">E</hi></hi> ‒ ‒ ſind zu arm, als daß ſie ſehr bekannt<lb/> waͤren; aber doch dauern ſie mich, daß ſie nunmehr be-<lb/> kannt werden ſollen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [511[509]/0533]
Zweytes Buch.
Abend zum erſtenmale; ſie finden in ihrem beider-
ſeitigen Umgange etwas, das ihnen gefaͤllt; ſie
fangen an, ſich zu lieben; noch an dieſem Abende
entdecken ſie einander ihre Liebe. T ‒ ‒ freut ſich,
und uͤberlaͤßt es aus Beſcheidenheit dem Ausſpruche
ihrer Mutter. E ‒ ‒ iſt ein tugendhafter und ehr-
licher Menſch; aber er hat kein Geld, kein Amt,
und weis auch noch nicht, wenn? und wo? er
beides finden ſoll: T ‒ ‒ hat eben ſo wenig Ver-
moͤgen, und kann ſich nur ſehr kuͤmmerlich mit
ihrer Mutter ernaͤhren. Sie lieben ſich beide zu
aufrichtig, als daß ſie einander dieſes verſchweigen
ſollten; aber ſie lieben ſich auch beide zu ſtark, als
daß ſie vernuͤnftig nachrechnen ſollten, wie viel ſie
etwan kuͤnftig brauchen moͤchten. Jhre Mutter,
ein chriſtliches Weib, und eine große Freundinn
des Eheſtandes, macht ihnen Muth; Sie ſollen
beten und arbeiten, ſo wird es ihnen nicht feh-
len! Wie ſehr beruhigt dieſer muͤtterliche Segen
unſer zaͤrtliches Paar! Sie heirathen ſich, und
vor großer Liebe merken ſie in den erſten vier Wo-
chen ihren Mangel nicht. Nun wird ihre jugend-
liche Liebe etwas ernſthafter. Sie vermiſſen die
unentbehrlichſten Sachen in ihrer Wirthſchaft: Sie
klagen es der Mutter, und dieſe zuckt die Achſeln.
Sie beten, und haben doch kein Brodt. Sie
wollen arbeiten, und es findet ſich keine Arbeit,
und kein Amt fuͤr ihren Stand. Sie lieben ein-
ander
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(12) T ‒ ‒ und E ‒ ‒ ſind zu arm, als daß ſie ſehr bekannt
waͤren; aber doch dauern ſie mich, daß ſie nunmehr be-
kannt werden ſollen.
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