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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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und Ehrenerklärung.

Das alles, und vielleicht noch mehr zu sagen,
habe ich die Verwegenheit gehabt! Jch erschrecke
über dieses Sündenregister! Es ist alles wahr,
was ich gesagt habe; es ist vielleicht nur der drit-
te Theil von dem, was ich hätte sagen können;
ich habe nur eine Gurda genennt, und doch ken-
ne ich in der Stadt, wo ich itzt wohne, zweyhun-
dert Schwestern von ihr, und hundert in der Stadt,
wo ich sonst gewohnt habe: Aber alles dieses recht-
fertigt mich nicht. Hätte ich nicht überlegen sol-
len, daß man einem Frauenzimmer niemals ver-
drießliche Wahrheiten sagen darf, daß man ihnen
nur schmeichelt, daß eine Schmeicheley von dieser
Art bey vielen das einzige Mittel ist, ihre Freund-
schaft zu erhalten, daß man ihre Thorheiten we-
nigstens entschuldigen muß, wenn sie gar zu merk-
lich sind, als daß man sie ganz übersehen könnte?
Und wie unbesonnen habe ich gehandelt! Wie
viel würden wir Mannspersonen verlieren, wenn
das Frauenzimmer durch dergleichen Vorwürfe
und lehrende Satiren anfienge, seine Fehler zu er-
kennen! Den Augenblick darauf würden sie auch
unsere Fehler kennen, und die Hälfte der Anbeter
würde von ihren Nachttischen verscheucht werden,
wenn sie durch die Erkenntniß ihrer eigenen Feh-
ler lernen sollten, daß die Hälfte ihrer Anbeter
lächerliche Thoren sind. Was für Verwüstun-
gen hätte ich in der galanten Welt anrichten kön-
nen! Tausend Mannspersonen hätte ich grausam
um ihre Verdienste gebracht, deren ganze Ver-
dienste in einer feinen Manschette, in einem wohl

zuge-
O o 2
und Ehrenerklaͤrung.

Das alles, und vielleicht noch mehr zu ſagen,
habe ich die Verwegenheit gehabt! Jch erſchrecke
uͤber dieſes Suͤndenregiſter! Es iſt alles wahr,
was ich geſagt habe; es iſt vielleicht nur der drit-
te Theil von dem, was ich haͤtte ſagen koͤnnen;
ich habe nur eine Gurda genennt, und doch ken-
ne ich in der Stadt, wo ich itzt wohne, zweyhun-
dert Schweſtern von ihr, und hundert in der Stadt,
wo ich ſonſt gewohnt habe: Aber alles dieſes recht-
fertigt mich nicht. Haͤtte ich nicht uͤberlegen ſol-
len, daß man einem Frauenzimmer niemals ver-
drießliche Wahrheiten ſagen darf, daß man ihnen
nur ſchmeichelt, daß eine Schmeicheley von dieſer
Art bey vielen das einzige Mittel iſt, ihre Freund-
ſchaft zu erhalten, daß man ihre Thorheiten we-
nigſtens entſchuldigen muß, wenn ſie gar zu merk-
lich ſind, als daß man ſie ganz uͤberſehen koͤnnte?
Und wie unbeſonnen habe ich gehandelt! Wie
viel wuͤrden wir Mannsperſonen verlieren, wenn
das Frauenzimmer durch dergleichen Vorwuͤrfe
und lehrende Satiren anfienge, ſeine Fehler zu er-
kennen! Den Augenblick darauf wuͤrden ſie auch
unſere Fehler kennen, und die Haͤlfte der Anbeter
wuͤrde von ihren Nachttiſchen verſcheucht werden,
wenn ſie durch die Erkenntniß ihrer eigenen Feh-
ler lernen ſollten, daß die Haͤlfte ihrer Anbeter
laͤcherliche Thoren ſind. Was fuͤr Verwuͤſtun-
gen haͤtte ich in der galanten Welt anrichten koͤn-
nen! Tauſend Mannsperſonen haͤtte ich grauſam
um ihre Verdienſte gebracht, deren ganze Ver-
dienſte in einer feinen Manſchette, in einem wohl

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[579[577]/0601] und Ehrenerklaͤrung. Das alles, und vielleicht noch mehr zu ſagen, habe ich die Verwegenheit gehabt! Jch erſchrecke uͤber dieſes Suͤndenregiſter! Es iſt alles wahr, was ich geſagt habe; es iſt vielleicht nur der drit- te Theil von dem, was ich haͤtte ſagen koͤnnen; ich habe nur eine Gurda genennt, und doch ken- ne ich in der Stadt, wo ich itzt wohne, zweyhun- dert Schweſtern von ihr, und hundert in der Stadt, wo ich ſonſt gewohnt habe: Aber alles dieſes recht- fertigt mich nicht. Haͤtte ich nicht uͤberlegen ſol- len, daß man einem Frauenzimmer niemals ver- drießliche Wahrheiten ſagen darf, daß man ihnen nur ſchmeichelt, daß eine Schmeicheley von dieſer Art bey vielen das einzige Mittel iſt, ihre Freund- ſchaft zu erhalten, daß man ihre Thorheiten we- nigſtens entſchuldigen muß, wenn ſie gar zu merk- lich ſind, als daß man ſie ganz uͤberſehen koͤnnte? Und wie unbeſonnen habe ich gehandelt! Wie viel wuͤrden wir Mannsperſonen verlieren, wenn das Frauenzimmer durch dergleichen Vorwuͤrfe und lehrende Satiren anfienge, ſeine Fehler zu er- kennen! Den Augenblick darauf wuͤrden ſie auch unſere Fehler kennen, und die Haͤlfte der Anbeter wuͤrde von ihren Nachttiſchen verſcheucht werden, wenn ſie durch die Erkenntniß ihrer eigenen Feh- ler lernen ſollten, daß die Haͤlfte ihrer Anbeter laͤcherliche Thoren ſind. Was fuͤr Verwuͤſtun- gen haͤtte ich in der galanten Welt anrichten koͤn- nen! Tauſend Mannsperſonen haͤtte ich grauſam um ihre Verdienſte gebracht, deren ganze Ver- dienſte in einer feinen Manſchette, in einem wohl zuge- O o 2

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 579[577]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/601>, abgerufen am 22.11.2024.