hat, und daß sie ganz ohne Verdienste ist, so bald sie sich ausgekleidet hat?
Leonore, welche von der ganzen Stadt Bö- ses spricht, hat es bloß meinem zerknirschten Ge- wissen, und meiner übertriebnen Buße zu danken, daß ich auch ihr eine Abbitte und Ehrenerklärung thue, da sie doch von mir selbst so oft, und so viel Böses gesprochen hat. Der nachdrücklichste Wi- derruf, den ich thun kann, wird dieser seyn, wenn ich die Ursachen anzeige, warum sie von der gan- zen Welt in einem Tage mehr Böses spricht, als die ihr so fürchterlichen Satirenschreiber in zwan- zig Jahren nicht können drucken lassen. Leonore hat Witz; sie fühlt ihn, und wünscht, daß dieser Witz bemerkt, und bewundert werden möge. Jst dieses ja ein Fehler, so ist es doch ein männlicher Fehler, den sie mit vielen Gelehrten, und mit allen witzigen Scribenten gemein hat. Duns spottet der Religion, um gelesen, und von an- dern Narren bewundert zu werden. Puff schmiert die gröbsten Spöttereyen wider den Prin- zen, wider die Regierung, wider seine Obern, und wider alle, denen er Hochachtung und Ehrfurcht schuldig ist: Warum? Um gelesen, und von an- dern Narren bewundert zu werden. Und Leonore redet von der ganzen Stadt Böses, damit sie in Gesellschaften gehört, und ihr Witz bewundert werde. Wie viele Sittenlehrer predigen Tugend, ohne die Tugend zu kennen! Unendliche Vorzüge
vor
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und Ehrenerklaͤrung.
hat, und daß ſie ganz ohne Verdienſte iſt, ſo bald ſie ſich ausgekleidet hat?
Leonore, welche von der ganzen Stadt Boͤ- ſes ſpricht, hat es bloß meinem zerknirſchten Ge- wiſſen, und meiner uͤbertriebnen Buße zu danken, daß ich auch ihr eine Abbitte und Ehrenerklaͤrung thue, da ſie doch von mir ſelbſt ſo oft, und ſo viel Boͤſes geſprochen hat. Der nachdruͤcklichſte Wi- derruf, den ich thun kann, wird dieſer ſeyn, wenn ich die Urſachen anzeige, warum ſie von der gan- zen Welt in einem Tage mehr Boͤſes ſpricht, als die ihr ſo fuͤrchterlichen Satirenſchreiber in zwan- zig Jahren nicht koͤnnen drucken laſſen. Leonore hat Witz; ſie fuͤhlt ihn, und wuͤnſcht, daß dieſer Witz bemerkt, und bewundert werden moͤge. Jſt dieſes ja ein Fehler, ſo iſt es doch ein maͤnnlicher Fehler, den ſie mit vielen Gelehrten, und mit allen witzigen Scribenten gemein hat. Duns ſpottet der Religion, um geleſen, und von an- dern Narren bewundert zu werden. Puff ſchmiert die groͤbſten Spoͤttereyen wider den Prin- zen, wider die Regierung, wider ſeine Obern, und wider alle, denen er Hochachtung und Ehrfurcht ſchuldig iſt: Warum? Um geleſen, und von an- dern Narren bewundert zu werden. Und Leonore redet von der ganzen Stadt Boͤſes, damit ſie in Geſellſchaften gehoͤrt, und ihr Witz bewundert werde. Wie viele Sittenlehrer predigen Tugend, ohne die Tugend zu kennen! Unendliche Vorzuͤge
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[585[583]/0607]
und Ehrenerklaͤrung.
hat, und daß ſie ganz ohne Verdienſte iſt, ſo bald
ſie ſich ausgekleidet hat?
Leonore, welche von der ganzen Stadt Boͤ-
ſes ſpricht, hat es bloß meinem zerknirſchten Ge-
wiſſen, und meiner uͤbertriebnen Buße zu danken,
daß ich auch ihr eine Abbitte und Ehrenerklaͤrung
thue, da ſie doch von mir ſelbſt ſo oft, und ſo viel
Boͤſes geſprochen hat. Der nachdruͤcklichſte Wi-
derruf, den ich thun kann, wird dieſer ſeyn, wenn
ich die Urſachen anzeige, warum ſie von der gan-
zen Welt in einem Tage mehr Boͤſes ſpricht, als
die ihr ſo fuͤrchterlichen Satirenſchreiber in zwan-
zig Jahren nicht koͤnnen drucken laſſen. Leonore
hat Witz; ſie fuͤhlt ihn, und wuͤnſcht, daß dieſer
Witz bemerkt, und bewundert werden moͤge. Jſt
dieſes ja ein Fehler, ſo iſt es doch ein maͤnnlicher
Fehler, den ſie mit vielen Gelehrten, und mit
allen witzigen Scribenten gemein hat. Duns
ſpottet der Religion, um geleſen, und von an-
dern Narren bewundert zu werden. Puff
ſchmiert die groͤbſten Spoͤttereyen wider den Prin-
zen, wider die Regierung, wider ſeine Obern, und
wider alle, denen er Hochachtung und Ehrfurcht
ſchuldig iſt: Warum? Um geleſen, und von an-
dern Narren bewundert zu werden. Und Leonore
redet von der ganzen Stadt Boͤſes, damit ſie in
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 585[583]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/607>, abgerufen am 23.11.2024.
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