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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Abbitte
sitzt, um bewundert zu werden, und andere zu
richten. Rosamunde glaubt, daß nur zu diesem
Ende der Sonntag erdacht sey, und das glaubt
sie mit einer so lebhaften Ueberzeugung, daß sie
seit ihrem vierzehnten Jahre nicht einen einzigen
Sonntag ausgesetzt hat, ihren Gottesdienst auf
diese Art zu verrichten. Hätte man ihr bessere
Begriffe von der Religion beygebracht, so würde
sie eben so wohl im Stande seyn, sich nach diesen
bessern Begriffen mit Eifer zu richten. Aber, da
sie nur das erbauende Exempel ihrer werthesten
Mama vor sich gehabt hat, da alle, die mit ihr re-
den, nur von Göttinn und Anbetung reden: So
kann man es ihr gar nicht verdenken, daß Exem-
pel und Schmeicheley sie, bey ihrer natürlichen
Eigenliebe, zu einer solchen Abgötterey gegen ihre
kleine Person gebracht haben. Das muß man
wohl bedenken, wenn man billig seyn will: Und
so billig hätte ich auch seyn sollen!



Wie werde ich es bey Florinden verantwor-
ten können, von der ich gesagt habe, daß sie sich
weder der Wirthschaft, noch ihrer Kinder annehme,
welche doch gewisser von ihr, als von ihrem Manne
sind? Vielleicht hat sie es nicht einmal übel ge-
nommen; denn Florinde kennt die Welt. Die
Zucht ihrer Kinder überläßt sie dem Gesinde.
Sie würde es für einen sehr empfindlichen Vor-
wurf halten, wenn ich ihr nachrühmen wollte, daß

sie

Abbitte
ſitzt, um bewundert zu werden, und andere zu
richten. Roſamunde glaubt, daß nur zu dieſem
Ende der Sonntag erdacht ſey, und das glaubt
ſie mit einer ſo lebhaften Ueberzeugung, daß ſie
ſeit ihrem vierzehnten Jahre nicht einen einzigen
Sonntag ausgeſetzt hat, ihren Gottesdienſt auf
dieſe Art zu verrichten. Haͤtte man ihr beſſere
Begriffe von der Religion beygebracht, ſo wuͤrde
ſie eben ſo wohl im Stande ſeyn, ſich nach dieſen
beſſern Begriffen mit Eifer zu richten. Aber, da
ſie nur das erbauende Exempel ihrer wertheſten
Mama vor ſich gehabt hat, da alle, die mit ihr re-
den, nur von Goͤttinn und Anbetung reden: So
kann man es ihr gar nicht verdenken, daß Exem-
pel und Schmeicheley ſie, bey ihrer natuͤrlichen
Eigenliebe, zu einer ſolchen Abgoͤtterey gegen ihre
kleine Perſon gebracht haben. Das muß man
wohl bedenken, wenn man billig ſeyn will: Und
ſo billig haͤtte ich auch ſeyn ſollen!



Wie werde ich es bey Florinden verantwor-
ten koͤnnen, von der ich geſagt habe, daß ſie ſich
weder der Wirthſchaft, noch ihrer Kinder annehme,
welche doch gewiſſer von ihr, als von ihrem Manne
ſind? Vielleicht hat ſie es nicht einmal uͤbel ge-
nommen; denn Florinde kennt die Welt. Die
Zucht ihrer Kinder uͤberlaͤßt ſie dem Geſinde.
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wurf halten, wenn ich ihr nachruͤhmen wollte, daß

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[594[592]/0616] Abbitte ſitzt, um bewundert zu werden, und andere zu richten. Roſamunde glaubt, daß nur zu dieſem Ende der Sonntag erdacht ſey, und das glaubt ſie mit einer ſo lebhaften Ueberzeugung, daß ſie ſeit ihrem vierzehnten Jahre nicht einen einzigen Sonntag ausgeſetzt hat, ihren Gottesdienſt auf dieſe Art zu verrichten. Haͤtte man ihr beſſere Begriffe von der Religion beygebracht, ſo wuͤrde ſie eben ſo wohl im Stande ſeyn, ſich nach dieſen beſſern Begriffen mit Eifer zu richten. Aber, da ſie nur das erbauende Exempel ihrer wertheſten Mama vor ſich gehabt hat, da alle, die mit ihr re- den, nur von Goͤttinn und Anbetung reden: So kann man es ihr gar nicht verdenken, daß Exem- pel und Schmeicheley ſie, bey ihrer natuͤrlichen Eigenliebe, zu einer ſolchen Abgoͤtterey gegen ihre kleine Perſon gebracht haben. Das muß man wohl bedenken, wenn man billig ſeyn will: Und ſo billig haͤtte ich auch ſeyn ſollen! Wie werde ich es bey Florinden verantwor- ten koͤnnen, von der ich geſagt habe, daß ſie ſich weder der Wirthſchaft, noch ihrer Kinder annehme, welche doch gewiſſer von ihr, als von ihrem Manne ſind? Vielleicht hat ſie es nicht einmal uͤbel ge- nommen; denn Florinde kennt die Welt. Die Zucht ihrer Kinder uͤberlaͤßt ſie dem Geſinde. Sie wuͤrde es fuͤr einen ſehr empfindlichen Vor- wurf halten, wenn ich ihr nachruͤhmen wollte, daß ſie

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 594[592]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/616>, abgerufen am 23.11.2024.