[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Abbitte dem jungfräulichen Zwange des Wohlstandeslosrissen, und ohne Vorsicht alle Ausschweifun- gen begiengen, die sie vorhin nur in stillem ge- wünscht, oder mit der größten Behutsamkeit be- gangen hatten. Zuweilen stellte ich sehr erbauli- che Betrachtungen an, wie es kommen müsse, daß wir Mannspersonen allen Frauenzimmern mit aller nur ersinnlicher Höflichkeit begegnen, und allen offenbare Schmeicheleyen sagen, nur un- sern Weibern nicht: Und ich glaubte, gefun- den zu haben, daß sich Mann und Frau vornehmlich um deßwillen so kaltsinnig begeg- nen, weil es unter ihnen eine heilige Pflicht ist, sich zu lieben. Der Aufwand, den heut zu Tage der Wohlstand, oder welches einerley ist, der Hochmuth vieler Weiber erfodert, schien mir eine sehr gegründete, und beynahe die vornehmste Ur- sache zu seyn, daß die ansehnlichsten Häuser am meisten in Schulden stecken. Eine Frau von die- ser Art zu heirathen, war in meinen Augen der deutlichste Beruf, bankerutt zu werden. Jch zittere, wenn ich die Verwegenheit überdenke, die ich gehabt habe, so viele Bitterkeiten von den Frauenzimmern, und von der Ehe zu sagen! Es würde sich entschuldigen lassen, ja gewisser ma- ßen wäre es meine Pflicht gewesen, dergleichen zu sagen, wenn es Frauenzimmer von dieser Art in der Welt gäbe. Aber da bekannt ist, daß kein Frauenzimmer, welches schön ist, nicht auch zu- gleich Verstand, und Tugend, und Erziehung habe;
Abbitte dem jungfraͤulichen Zwange des Wohlſtandeslosriſſen, und ohne Vorſicht alle Ausſchweifun- gen begiengen, die ſie vorhin nur in ſtillem ge- wuͤnſcht, oder mit der groͤßten Behutſamkeit be- gangen hatten. Zuweilen ſtellte ich ſehr erbauli- che Betrachtungen an, wie es kommen muͤſſe, daß wir Mannsperſonen allen Frauenzimmern mit aller nur erſinnlicher Hoͤflichkeit begegnen, und allen offenbare Schmeicheleyen ſagen, nur un- ſern Weibern nicht: Und ich glaubte, gefun- den zu haben, daß ſich Mann und Frau vornehmlich um deßwillen ſo kaltſinnig begeg- nen, weil es unter ihnen eine heilige Pflicht iſt, ſich zu lieben. Der Aufwand, den heut zu Tage der Wohlſtand, oder welches einerley iſt, der Hochmuth vieler Weiber erfodert, ſchien mir eine ſehr gegruͤndete, und beynahe die vornehmſte Ur- ſache zu ſeyn, daß die anſehnlichſten Haͤuſer am meiſten in Schulden ſtecken. Eine Frau von die- ſer Art zu heirathen, war in meinen Augen der deutlichſte Beruf, bankerutt zu werden. Jch zittere, wenn ich die Verwegenheit uͤberdenke, die ich gehabt habe, ſo viele Bitterkeiten von den Frauenzimmern, und von der Ehe zu ſagen! Es wuͤrde ſich entſchuldigen laſſen, ja gewiſſer ma- ßen waͤre es meine Pflicht geweſen, dergleichen zu ſagen, wenn es Frauenzimmer von dieſer Art in der Welt gaͤbe. Aber da bekannt iſt, daß kein Frauenzimmer, welches ſchoͤn iſt, nicht auch zu- gleich Verſtand, und Tugend, und Erziehung habe;
<TEI> <text> <back> <div n="1"> <p><pb facs="#f0622" n="600[598]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Abbitte</hi></fw><lb/> dem jungfraͤulichen Zwange des Wohlſtandes<lb/> losriſſen, und ohne Vorſicht alle Ausſchweifun-<lb/> gen begiengen, die ſie vorhin nur in ſtillem ge-<lb/> wuͤnſcht, oder mit der groͤßten Behutſamkeit be-<lb/> gangen hatten. Zuweilen ſtellte ich ſehr erbauli-<lb/> che Betrachtungen an, wie es kommen muͤſſe, daß<lb/> wir Mannsperſonen allen Frauenzimmern mit<lb/> aller nur erſinnlicher Hoͤflichkeit begegnen, und<lb/> allen offenbare Schmeicheleyen ſagen, nur un-<lb/> ſern Weibern nicht: Und ich glaubte, gefun-<lb/> den zu haben, daß ſich Mann und Frau<lb/> vornehmlich um deßwillen ſo kaltſinnig begeg-<lb/> nen, weil es unter ihnen eine heilige Pflicht<lb/> iſt, ſich zu lieben. Der Aufwand, den heut zu<lb/> Tage der Wohlſtand, oder welches einerley iſt, der<lb/> Hochmuth vieler Weiber erfodert, ſchien mir eine<lb/> ſehr gegruͤndete, und beynahe die vornehmſte Ur-<lb/> ſache zu ſeyn, daß die anſehnlichſten Haͤuſer am<lb/> meiſten in Schulden ſtecken. Eine Frau von die-<lb/> ſer Art zu heirathen, war in meinen Augen der<lb/> deutlichſte Beruf, bankerutt zu werden. Jch<lb/> zittere, wenn ich die Verwegenheit uͤberdenke, die<lb/> ich gehabt habe, ſo viele Bitterkeiten von den<lb/> Frauenzimmern, und von der Ehe zu ſagen! Es<lb/> wuͤrde ſich entſchuldigen laſſen, ja gewiſſer ma-<lb/> ßen waͤre es meine Pflicht geweſen, dergleichen zu<lb/> ſagen, wenn es Frauenzimmer von dieſer Art in<lb/> der Welt gaͤbe. Aber da bekannt iſt, daß kein<lb/> Frauenzimmer, welches ſchoͤn iſt, nicht auch zu-<lb/> gleich Verſtand, und Tugend, und Erziehung<lb/> <fw place="bottom" type="catch">habe;</fw><lb/></p> </div> </back> </text> </TEI> [600[598]/0622]
Abbitte
dem jungfraͤulichen Zwange des Wohlſtandes
losriſſen, und ohne Vorſicht alle Ausſchweifun-
gen begiengen, die ſie vorhin nur in ſtillem ge-
wuͤnſcht, oder mit der groͤßten Behutſamkeit be-
gangen hatten. Zuweilen ſtellte ich ſehr erbauli-
che Betrachtungen an, wie es kommen muͤſſe, daß
wir Mannsperſonen allen Frauenzimmern mit
aller nur erſinnlicher Hoͤflichkeit begegnen, und
allen offenbare Schmeicheleyen ſagen, nur un-
ſern Weibern nicht: Und ich glaubte, gefun-
den zu haben, daß ſich Mann und Frau
vornehmlich um deßwillen ſo kaltſinnig begeg-
nen, weil es unter ihnen eine heilige Pflicht
iſt, ſich zu lieben. Der Aufwand, den heut zu
Tage der Wohlſtand, oder welches einerley iſt, der
Hochmuth vieler Weiber erfodert, ſchien mir eine
ſehr gegruͤndete, und beynahe die vornehmſte Ur-
ſache zu ſeyn, daß die anſehnlichſten Haͤuſer am
meiſten in Schulden ſtecken. Eine Frau von die-
ſer Art zu heirathen, war in meinen Augen der
deutlichſte Beruf, bankerutt zu werden. Jch
zittere, wenn ich die Verwegenheit uͤberdenke, die
ich gehabt habe, ſo viele Bitterkeiten von den
Frauenzimmern, und von der Ehe zu ſagen! Es
wuͤrde ſich entſchuldigen laſſen, ja gewiſſer ma-
ßen waͤre es meine Pflicht geweſen, dergleichen zu
ſagen, wenn es Frauenzimmer von dieſer Art in
der Welt gaͤbe. Aber da bekannt iſt, daß kein
Frauenzimmer, welches ſchoͤn iſt, nicht auch zu-
gleich Verſtand, und Tugend, und Erziehung
habe;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |