[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.Abbitte Welt eine Rolle spielen zu wollen, die bemerkt wird:Weil es ihnen aber am Verstande und Willen fehlt, so rasen sie, um starke Geister zu heißen. Die Ausschweifungen ihrer Jugend sind mit nichts zu entschuldigen: Sie gerathen also auf den alber- nen Einfall, sich und andere zu bereden, daß es keine höhern Gesetze gebe, welche diese Ausschwei- fungen verdammen; und bey diesem Einfalle ha- ben sie eben die sichere Beruhigung, die ein Dieb haben mag, welcher sich zu bereden sucht, daß kei- ne Gesetze sind, die den Diebstahl verbieten, und welcher diesen Unsinn gegen andere so lange be- hauptet, bis er unter dem Galgen steht. Gemei- niglich ist eine schimpfliche Armuth die Folge ihrer jugendlichen Ausschweifungen; und alsdenn sind diese starken Geister, welche so stolz von ihrem Witze denken, doch niederträchtig genug, Schma- rozer zu werden, und sich durch ihren witzigen Un- sinn an die Tafel junger reicher Thoren zu drän- gen. Diese Elende, welche Verzweiflung und Hunger zu Narren macht, habe ich so oft verspot- tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan- delt! Wäre es mein Ernst gewesen, sie zu retten, und hätte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt: so hätte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen, und sie in das Tollhaus einkaufen sollen. Die Abbitte und Ehrenerklärung, die ich hier türlich
Abbitte Welt eine Rolle ſpielen zu wollen, die bemerkt wird:Weil es ihnen aber am Verſtande und Willen fehlt, ſo raſen ſie, um ſtarke Geiſter zu heißen. Die Ausſchweifungen ihrer Jugend ſind mit nichts zu entſchuldigen: Sie gerathen alſo auf den alber- nen Einfall, ſich und andere zu bereden, daß es keine hoͤhern Geſetze gebe, welche dieſe Ausſchwei- fungen verdammen; und bey dieſem Einfalle ha- ben ſie eben die ſichere Beruhigung, die ein Dieb haben mag, welcher ſich zu bereden ſucht, daß kei- ne Geſetze ſind, die den Diebſtahl verbieten, und welcher dieſen Unſinn gegen andere ſo lange be- hauptet, bis er unter dem Galgen ſteht. Gemei- niglich iſt eine ſchimpfliche Armuth die Folge ihrer jugendlichen Ausſchweifungen; und alsdenn ſind dieſe ſtarken Geiſter, welche ſo ſtolz von ihrem Witze denken, doch niedertraͤchtig genug, Schma- rozer zu werden, und ſich durch ihren witzigen Un- ſinn an die Tafel junger reicher Thoren zu draͤn- gen. Dieſe Elende, welche Verzweiflung und Hunger zu Narren macht, habe ich ſo oft verſpot- tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan- delt! Waͤre es mein Ernſt geweſen, ſie zu retten, und haͤtte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt: ſo haͤtte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen, und ſie in das Tollhaus einkaufen ſollen. Die Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die ich hier tuͤrlich
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Abbitte
Welt eine Rolle ſpielen zu wollen, die bemerkt wird:
Weil es ihnen aber am Verſtande und Willen
fehlt, ſo raſen ſie, um ſtarke Geiſter zu heißen. Die
Ausſchweifungen ihrer Jugend ſind mit nichts zu
entſchuldigen: Sie gerathen alſo auf den alber-
nen Einfall, ſich und andere zu bereden, daß es
keine hoͤhern Geſetze gebe, welche dieſe Ausſchwei-
fungen verdammen; und bey dieſem Einfalle ha-
ben ſie eben die ſichere Beruhigung, die ein Dieb
haben mag, welcher ſich zu bereden ſucht, daß kei-
ne Geſetze ſind, die den Diebſtahl verbieten, und
welcher dieſen Unſinn gegen andere ſo lange be-
hauptet, bis er unter dem Galgen ſteht. Gemei-
niglich iſt eine ſchimpfliche Armuth die Folge ihrer
jugendlichen Ausſchweifungen; und alsdenn ſind
dieſe ſtarken Geiſter, welche ſo ſtolz von ihrem
Witze denken, doch niedertraͤchtig genug, Schma-
rozer zu werden, und ſich durch ihren witzigen Un-
ſinn an die Tafel junger reicher Thoren zu draͤn-
gen. Dieſe Elende, welche Verzweiflung und
Hunger zu Narren macht, habe ich ſo oft verſpot-
tet: Wie ungerecht, und lieblos habe ich gehan-
delt! Waͤre es mein Ernſt geweſen, ſie zu retten,
und haͤtte ich es wirklich gut mit ihnen gemeynt:
ſo haͤtte ich die Barmherzigkeit an ihnen erzeigen,
und ſie in das Tollhaus einkaufen ſollen.
Die Abbitte und Ehrenerklaͤrung, die ich hier
den ſtarken Geiſtern thue, bringt mich ganz na-
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