So zeigt sich unser Ganymed. Der Kopf mit der phrygischen Mütze so schön er noch ist, hat doch schon durch die Ergänzungen gelitten. Das Be- wundernswerthe aber ist der Körper, an dem sich die Kunst des Meißels erschöpft hat. Das Spiel seiner Muskeln ist so gelehrt, so bestimmt, und dennoch un- ter der weichen geschmeidigen Haut so natürlich, so fließend, daß ich unter allen antiken Statuen ihm in dieser Rücksicht nur den berühmten Torso des Belve- dere an die Seite setzen kann.
Der rechte Arm ist modern. Die Beine sind zu- sammengestückt. Der Adler der bei ihm steht, hat sich bis auf den Schnabel und den linken Flügel un- versehrt erhalten. Der Ausdruck in dem Thiere ist gut.
Eine weibliche Figur aus dem Pallast Bar- berini, bekannt unter dem Nahmen des Spartanischen Mädchens. Diese Benennung gründet sich auf die Stellung, die einen Antritt zum Laufen anzeigt, und auf die männlichen Füße. Allein dieser Ausdruck liegt wohl hauptsächlich in den modernen Armen, die sich wie beim Ansetzen zum Rennen zurückstemmen. Der breite Gürtel und die übrige Kleidung führt mich auf die Vermuthung, daß dies eine Amazone sey. Die Falten sind etwas gradlinigt, und verrathen einen alten Stil.
Aratus, schöner und vortrefflich gearbeiteter Kopf.
Sabina; Aus dem Gewande, das wahrschein- lich nur ein feines Leinen vorstellen soll, aber fest an die Haut klebt, glaubt man schließen zu können, daß diese Figur aus dem Bade komme. Der Körper ist schön; die Ausführung fein. Die Arme sind neu.
Perian-
Der Vaticaniſche Pallaſt.
So zeigt ſich unſer Ganymed. Der Kopf mit der phrygiſchen Muͤtze ſo ſchoͤn er noch iſt, hat doch ſchon durch die Ergaͤnzungen gelitten. Das Be- wundernswerthe aber iſt der Koͤrper, an dem ſich die Kunſt des Meißels erſchoͤpft hat. Das Spiel ſeiner Muſkeln iſt ſo gelehrt, ſo beſtimmt, und dennoch un- ter der weichen geſchmeidigen Haut ſo natuͤrlich, ſo fließend, daß ich unter allen antiken Statuen ihm in dieſer Ruͤckſicht nur den beruͤhmten Torſo des Belve- dere an die Seite ſetzen kann.
Der rechte Arm iſt modern. Die Beine ſind zu- ſammengeſtuͤckt. Der Adler der bei ihm ſteht, hat ſich bis auf den Schnabel und den linken Fluͤgel un- verſehrt erhalten. Der Ausdruck in dem Thiere iſt gut.
Eine weibliche Figur aus dem Pallaſt Bar- berini, bekannt unter dem Nahmen des Spartaniſchen Maͤdchens. Dieſe Benennung gruͤndet ſich auf die Stellung, die einen Antritt zum Laufen anzeigt, und auf die maͤnnlichen Fuͤße. Allein dieſer Ausdruck liegt wohl hauptſaͤchlich in den modernen Armen, die ſich wie beim Anſetzen zum Rennen zuruͤckſtemmen. Der breite Guͤrtel und die uͤbrige Kleidung fuͤhrt mich auf die Vermuthung, daß dies eine Amazone ſey. Die Falten ſind etwas gradlinigt, und verrathen einen alten Stil.
Aratus, ſchoͤner und vortrefflich gearbeiteter Kopf.
Sabina; Aus dem Gewande, das wahrſchein- lich nur ein feines Leinen vorſtellen ſoll, aber feſt an die Haut klebt, glaubt man ſchließen zu koͤnnen, daß dieſe Figur aus dem Bade komme. Der Koͤrper iſt ſchoͤn; die Ausfuͤhrung fein. Die Arme ſind neu.
Perian-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0112"n="90"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Vaticaniſche Pallaſt.</hi></fw><lb/><p>So zeigt ſich unſer Ganymed. Der Kopf mit<lb/>
der phrygiſchen Muͤtze ſo ſchoͤn er noch iſt, hat doch<lb/>ſchon durch die Ergaͤnzungen gelitten. Das Be-<lb/>
wundernswerthe aber iſt der Koͤrper, an dem ſich die<lb/>
Kunſt des Meißels erſchoͤpft hat. Das Spiel ſeiner<lb/>
Muſkeln iſt ſo gelehrt, ſo beſtimmt, und dennoch un-<lb/>
ter der weichen geſchmeidigen Haut ſo natuͤrlich, ſo<lb/>
fließend, daß ich unter allen antiken Statuen ihm in<lb/>
dieſer Ruͤckſicht nur den beruͤhmten Torſo des Belve-<lb/>
dere an die Seite ſetzen kann.</p><lb/><p>Der rechte Arm iſt modern. Die Beine ſind zu-<lb/>ſammengeſtuͤckt. Der Adler der bei ihm ſteht, hat<lb/>ſich bis auf den Schnabel und den linken Fluͤgel un-<lb/>
verſehrt erhalten. Der Ausdruck in dem Thiere<lb/>
iſt gut.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Eine weibliche Figur</hi> aus dem Pallaſt Bar-<lb/>
berini, bekannt unter dem Nahmen des Spartaniſchen<lb/>
Maͤdchens. Dieſe Benennung gruͤndet ſich auf die<lb/>
Stellung, die einen Antritt zum Laufen anzeigt, und<lb/>
auf die maͤnnlichen Fuͤße. Allein dieſer Ausdruck<lb/>
liegt wohl hauptſaͤchlich in den modernen Armen, die<lb/>ſich wie beim Anſetzen zum Rennen zuruͤckſtemmen.<lb/>
Der breite Guͤrtel und die uͤbrige Kleidung fuͤhrt mich<lb/>
auf die Vermuthung, daß dies eine Amazone ſey.<lb/>
Die Falten ſind etwas gradlinigt, und verrathen einen<lb/>
alten Stil.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Aratus,</hi>ſchoͤner und vortrefflich gearbeiteter Kopf.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Sabina;</hi> Aus dem Gewande, das wahrſchein-<lb/>
lich nur ein feines Leinen vorſtellen ſoll, aber feſt an<lb/>
die Haut klebt, glaubt man ſchließen zu koͤnnen, daß<lb/>
dieſe Figur aus dem Bade komme. Der Koͤrper iſt<lb/>ſchoͤn; die Ausfuͤhrung fein. Die Arme ſind neu.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Perian-</hi></fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[90/0112]
Der Vaticaniſche Pallaſt.
So zeigt ſich unſer Ganymed. Der Kopf mit
der phrygiſchen Muͤtze ſo ſchoͤn er noch iſt, hat doch
ſchon durch die Ergaͤnzungen gelitten. Das Be-
wundernswerthe aber iſt der Koͤrper, an dem ſich die
Kunſt des Meißels erſchoͤpft hat. Das Spiel ſeiner
Muſkeln iſt ſo gelehrt, ſo beſtimmt, und dennoch un-
ter der weichen geſchmeidigen Haut ſo natuͤrlich, ſo
fließend, daß ich unter allen antiken Statuen ihm in
dieſer Ruͤckſicht nur den beruͤhmten Torſo des Belve-
dere an die Seite ſetzen kann.
Der rechte Arm iſt modern. Die Beine ſind zu-
ſammengeſtuͤckt. Der Adler der bei ihm ſteht, hat
ſich bis auf den Schnabel und den linken Fluͤgel un-
verſehrt erhalten. Der Ausdruck in dem Thiere
iſt gut.
Eine weibliche Figur aus dem Pallaſt Bar-
berini, bekannt unter dem Nahmen des Spartaniſchen
Maͤdchens. Dieſe Benennung gruͤndet ſich auf die
Stellung, die einen Antritt zum Laufen anzeigt, und
auf die maͤnnlichen Fuͤße. Allein dieſer Ausdruck
liegt wohl hauptſaͤchlich in den modernen Armen, die
ſich wie beim Anſetzen zum Rennen zuruͤckſtemmen.
Der breite Guͤrtel und die uͤbrige Kleidung fuͤhrt mich
auf die Vermuthung, daß dies eine Amazone ſey.
Die Falten ſind etwas gradlinigt, und verrathen einen
alten Stil.
Aratus, ſchoͤner und vortrefflich gearbeiteter Kopf.
Sabina; Aus dem Gewande, das wahrſchein-
lich nur ein feines Leinen vorſtellen ſoll, aber feſt an
die Haut klebt, glaubt man ſchließen zu koͤnnen, daß
dieſe Figur aus dem Bade komme. Der Koͤrper iſt
ſchoͤn; die Ausfuͤhrung fein. Die Arme ſind neu.
Perian-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/112>, abgerufen am 24.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.