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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
dus, auch wohl, irrig, Plato nennt. Das Ge-
wand, welches aus einem Unterkleide von feinem Lei-
nen, und einem darüber geschlagenen Mantel besteht,
ist von der schönsten Wahl und Ausführung. Der
Arm, der vom Gewande nicht bedeckt wird, ist neu.

Eine Bacchantin und Pan. Der Ge-
danke ist reitzend obgleich etwas frei. Diese Gruppe
ist aus dem Pallast Caraffa von Neapel hieher ge-
kommen.

Charakter
einer Ama-
zone.

+ Amazone aus dem Pallast Mattei. Der
allgemeine Charakter dieser Figuren ist der einer Hel-
din in den rohen Zeiten, in denen persönlicher Muth
ein so allgemein geschätzter Vorzug war, daß auch
dasjenige Geschlecht darauf Anspruch machte, welches
in gebildetern Zeiten selbst von übertriebener Schüch-
ternheit neue Reitze zu entlehnen glaubt. Die Be-
kanntschaft mit Gefahren des Krieges geben ihrer
Mine eine gewisse ernste Festigkeit, und die steten Lei-
besübungen den Gliedmaaßen etwas männliches, wel-
ches man vorzüglich an den Junkturen der Knie, und
an den breiten Füßen bemerkt. Die Köpfe unter-
scheiden sich besonders durch eine Art von Kante oder
Einfassung, welche die Augenbraunen und Lippen um-
gibt. Die eine Brust ist unbedeckt, inzwischen zeigt
sich die andere deutlich unter dem Gewande. Das
Gesetz der Schönheit verhinderte den Künstler, der
Fabel, nach welcher sich die Amazonen die eine Brust
wegsengeten, zu folgen. Das Unterkleid, welches
sie ohne Mantel tragen, ist aufgeschürzt, und gemei-
niglich mit einem breiten Gürtel unter der Brust zu-
sammen gebunden. Ihre Waffen sind, eine Streit-
art, und diese führen sie gemeiniglich auf Basreliefs,

ein

Der Vaticaniſche Pallaſt.
dus, auch wohl, irrig, Plato nennt. Das Ge-
wand, welches aus einem Unterkleide von feinem Lei-
nen, und einem daruͤber geſchlagenen Mantel beſteht,
iſt von der ſchoͤnſten Wahl und Ausfuͤhrung. Der
Arm, der vom Gewande nicht bedeckt wird, iſt neu.

Eine Bacchantin und Pan. Der Ge-
danke iſt reitzend obgleich etwas frei. Dieſe Gruppe
iſt aus dem Pallaſt Caraffa von Neapel hieher ge-
kommen.

Charakter
einer Ama-
zone.

Amazone aus dem Pallaſt Mattei. Der
allgemeine Charakter dieſer Figuren iſt der einer Hel-
din in den rohen Zeiten, in denen perſoͤnlicher Muth
ein ſo allgemein geſchaͤtzter Vorzug war, daß auch
dasjenige Geſchlecht darauf Anſpruch machte, welches
in gebildetern Zeiten ſelbſt von uͤbertriebener Schuͤch-
ternheit neue Reitze zu entlehnen glaubt. Die Be-
kanntſchaft mit Gefahren des Krieges geben ihrer
Mine eine gewiſſe ernſte Feſtigkeit, und die ſteten Lei-
besuͤbungen den Gliedmaaßen etwas maͤnnliches, wel-
ches man vorzuͤglich an den Junkturen der Knie, und
an den breiten Fuͤßen bemerkt. Die Koͤpfe unter-
ſcheiden ſich beſonders durch eine Art von Kante oder
Einfaſſung, welche die Augenbraunen und Lippen um-
gibt. Die eine Bruſt iſt unbedeckt, inzwiſchen zeigt
ſich die andere deutlich unter dem Gewande. Das
Geſetz der Schoͤnheit verhinderte den Kuͤnſtler, der
Fabel, nach welcher ſich die Amazonen die eine Bruſt
wegſengeten, zu folgen. Das Unterkleid, welches
ſie ohne Mantel tragen, iſt aufgeſchuͤrzt, und gemei-
niglich mit einem breiten Guͤrtel unter der Bruſt zu-
ſammen gebunden. Ihre Waffen ſind, eine Streit-
art, und dieſe fuͤhren ſie gemeiniglich auf Basreliefs,

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[96/0118] Der Vaticaniſche Pallaſt. dus, auch wohl, irrig, Plato nennt. Das Ge- wand, welches aus einem Unterkleide von feinem Lei- nen, und einem daruͤber geſchlagenen Mantel beſteht, iſt von der ſchoͤnſten Wahl und Ausfuͤhrung. Der Arm, der vom Gewande nicht bedeckt wird, iſt neu. Eine Bacchantin und Pan. Der Ge- danke iſt reitzend obgleich etwas frei. Dieſe Gruppe iſt aus dem Pallaſt Caraffa von Neapel hieher ge- kommen. † Amazone aus dem Pallaſt Mattei. Der allgemeine Charakter dieſer Figuren iſt der einer Hel- din in den rohen Zeiten, in denen perſoͤnlicher Muth ein ſo allgemein geſchaͤtzter Vorzug war, daß auch dasjenige Geſchlecht darauf Anſpruch machte, welches in gebildetern Zeiten ſelbſt von uͤbertriebener Schuͤch- ternheit neue Reitze zu entlehnen glaubt. Die Be- kanntſchaft mit Gefahren des Krieges geben ihrer Mine eine gewiſſe ernſte Feſtigkeit, und die ſteten Lei- besuͤbungen den Gliedmaaßen etwas maͤnnliches, wel- ches man vorzuͤglich an den Junkturen der Knie, und an den breiten Fuͤßen bemerkt. Die Koͤpfe unter- ſcheiden ſich beſonders durch eine Art von Kante oder Einfaſſung, welche die Augenbraunen und Lippen um- gibt. Die eine Bruſt iſt unbedeckt, inzwiſchen zeigt ſich die andere deutlich unter dem Gewande. Das Geſetz der Schoͤnheit verhinderte den Kuͤnſtler, der Fabel, nach welcher ſich die Amazonen die eine Bruſt wegſengeten, zu folgen. Das Unterkleid, welches ſie ohne Mantel tragen, iſt aufgeſchuͤrzt, und gemei- niglich mit einem breiten Guͤrtel unter der Bruſt zu- ſammen gebunden. Ihre Waffen ſind, eine Streit- art, und dieſe fuͤhren ſie gemeiniglich auf Basreliefs, ein

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/118>, abgerufen am 25.11.2024.