Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Vaticanische Pallast.

Diese Statue stand zu meiner Zeit + auf einem
Sarcophag mit Basreliefs von sehr artiger
Erfindung.
Unter andern erinnere ich mich der
Vorstellung zweier Amorinen, die ihre Fackeln an
einen zwischen ihnen beiden stehenden Altar gelehnt hat-
ten, an jeder Seite eine, so daß die Flammen zusam-
menschlugen. Auf diesem Feuer verbrannten oder
erwärmten sie einen Schmetterling, von dessen aus-
gespreiteten Flügeln jeder einen hielt. Eine artige
Idee, und in der Ausführung so gefällig geordnet!

Annius Verus. Ein schöner Kindeskopf.

Ein schön gearbeiteter Kopf eines Weibes,
in Jahren, die sich dem Alter nähern, mit wahrem
Ausdruck der Gutherzigkeit. Vielleicht ist dies die
Ursach, warum man ihn der Mutter des Titus
beilegt.

Zwei sitzende Schauspieler aus Villa Mattei.
Kleine Figuren. Sie tragen Masken, Röcke mit
langen Ermeln und Mäntel. An den Füßen sind sie
mit hohen Schuhen und mit Halbstiefeln von Filz
nach Art der heutigen Italienischen Bauern be-
kleidet.

Nemesis. Der Seltenheit wegen zu bemerken.
Sie hebt den einen Zipfel ihres Gewandes über der
Brust nach dem Kopfe zu. Eine Stellung, in der
sie auf geschnittenen Steinen häufiger vorkömmt.

Nemesis ist wahrscheinlich, strafende Gerechtigkeit.Bedeutung
der Göttinn
Nemesis.

Allein die Handlung des Spuckens in den Schooß,
gehört unter die Allegorien, die keinen deutlichen Be-
griff geben, weil der Gebrauch des Zeichens nicht zu
gleicher Zeit mit dem Sinn desselben auf uns gekom-
men ist. Einige finden darin eine Art: von Gott

sey
G 4
Der Vaticaniſche Pallaſt.

Dieſe Statue ſtand zu meiner Zeit † auf einem
Sarcophag mit Basreliefs von ſehr artiger
Erfindung.
Unter andern erinnere ich mich der
Vorſtellung zweier Amorinen, die ihre Fackeln an
einen zwiſchen ihnen beiden ſtehenden Altar gelehnt hat-
ten, an jeder Seite eine, ſo daß die Flammen zuſam-
menſchlugen. Auf dieſem Feuer verbrannten oder
erwaͤrmten ſie einen Schmetterling, von deſſen aus-
geſpreiteten Fluͤgeln jeder einen hielt. Eine artige
Idee, und in der Ausfuͤhrung ſo gefaͤllig geordnet!

Annius Verus. Ein ſchoͤner Kindeskopf.

Ein ſchoͤn gearbeiteter Kopf eines Weibes,
in Jahren, die ſich dem Alter naͤhern, mit wahrem
Ausdruck der Gutherzigkeit. Vielleicht iſt dies die
Urſach, warum man ihn der Mutter des Titus
beilegt.

Zwei ſitzende Schauſpieler aus Villa Mattei.
Kleine Figuren. Sie tragen Maſken, Roͤcke mit
langen Ermeln und Maͤntel. An den Fuͤßen ſind ſie
mit hohen Schuhen und mit Halbſtiefeln von Filz
nach Art der heutigen Italieniſchen Bauern be-
kleidet.

Nemeſis. Der Seltenheit wegen zu bemerken.
Sie hebt den einen Zipfel ihres Gewandes uͤber der
Bruſt nach dem Kopfe zu. Eine Stellung, in der
ſie auf geſchnittenen Steinen haͤufiger vorkoͤmmt.

Nemeſis iſt wahrſcheinlich, ſtrafende Gerechtigkeit.Bedeutung
der Goͤttinn
Nemeſis.

Allein die Handlung des Spuckens in den Schooß,
gehoͤrt unter die Allegorien, die keinen deutlichen Be-
griff geben, weil der Gebrauch des Zeichens nicht zu
gleicher Zeit mit dem Sinn deſſelben auf uns gekom-
men iſt. Einige finden darin eine Art: von Gott

ſey
G 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0125" n="103"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Statue &#x017F;tand zu meiner Zeit &#x2020; <hi rendition="#fr">auf einem<lb/>
Sarcophag mit Basreliefs von &#x017F;ehr artiger<lb/>
Erfindung.</hi> Unter andern erinnere ich mich der<lb/>
Vor&#x017F;tellung zweier Amorinen, die ihre Fackeln an<lb/>
einen zwi&#x017F;chen ihnen beiden &#x017F;tehenden Altar gelehnt hat-<lb/>
ten, an jeder Seite eine, &#x017F;o daß die Flammen zu&#x017F;am-<lb/>
men&#x017F;chlugen. Auf die&#x017F;em Feuer verbrannten oder<lb/>
erwa&#x0364;rmten &#x017F;ie einen Schmetterling, von de&#x017F;&#x017F;en aus-<lb/>
ge&#x017F;preiteten Flu&#x0364;geln jeder einen hielt. Eine artige<lb/>
Idee, und in der Ausfu&#x0364;hrung &#x017F;o gefa&#x0364;llig geordnet!</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Annius Verus.</hi> Ein &#x017F;cho&#x0364;ner Kindeskopf.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Ein &#x017F;cho&#x0364;n gearbeiteter Kopf eines Weibes,</hi><lb/>
in Jahren, die &#x017F;ich dem Alter na&#x0364;hern, mit wahrem<lb/>
Ausdruck der Gutherzigkeit. Vielleicht i&#x017F;t dies die<lb/>
Ur&#x017F;ach, warum man ihn der Mutter des Titus<lb/>
beilegt.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Zwei &#x017F;itzende Schau&#x017F;pieler</hi> aus Villa Mattei.<lb/>
Kleine Figuren. Sie tragen Ma&#x017F;ken, Ro&#x0364;cke mit<lb/>
langen Ermeln und Ma&#x0364;ntel. An den Fu&#x0364;ßen &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
mit hohen Schuhen und mit Halb&#x017F;tiefeln von Filz<lb/>
nach Art der heutigen Italieni&#x017F;chen Bauern be-<lb/>
kleidet.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Neme&#x017F;is.</hi> Der Seltenheit wegen zu bemerken.<lb/>
Sie hebt den einen Zipfel ihres Gewandes u&#x0364;ber der<lb/>
Bru&#x017F;t nach dem Kopfe zu. Eine Stellung, in der<lb/>
&#x017F;ie auf ge&#x017F;chnittenen Steinen ha&#x0364;ufiger vorko&#x0364;mmt.</p><lb/>
            <p>Neme&#x017F;is i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich, &#x017F;trafende Gerechtigkeit.<note place="right">Bedeutung<lb/>
der Go&#x0364;ttinn<lb/>
Neme&#x017F;is.</note><lb/>
Allein die Handlung des Spuckens in den Schooß,<lb/>
geho&#x0364;rt unter die Allegorien, die keinen deutlichen Be-<lb/>
griff geben, weil der Gebrauch des Zeichens nicht zu<lb/>
gleicher Zeit mit dem Sinn de&#x017F;&#x017F;elben auf uns gekom-<lb/>
men i&#x017F;t. Einige finden darin eine Art: von Gott<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ey</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0125] Der Vaticaniſche Pallaſt. Dieſe Statue ſtand zu meiner Zeit † auf einem Sarcophag mit Basreliefs von ſehr artiger Erfindung. Unter andern erinnere ich mich der Vorſtellung zweier Amorinen, die ihre Fackeln an einen zwiſchen ihnen beiden ſtehenden Altar gelehnt hat- ten, an jeder Seite eine, ſo daß die Flammen zuſam- menſchlugen. Auf dieſem Feuer verbrannten oder erwaͤrmten ſie einen Schmetterling, von deſſen aus- geſpreiteten Fluͤgeln jeder einen hielt. Eine artige Idee, und in der Ausfuͤhrung ſo gefaͤllig geordnet! Annius Verus. Ein ſchoͤner Kindeskopf. Ein ſchoͤn gearbeiteter Kopf eines Weibes, in Jahren, die ſich dem Alter naͤhern, mit wahrem Ausdruck der Gutherzigkeit. Vielleicht iſt dies die Urſach, warum man ihn der Mutter des Titus beilegt. Zwei ſitzende Schauſpieler aus Villa Mattei. Kleine Figuren. Sie tragen Maſken, Roͤcke mit langen Ermeln und Maͤntel. An den Fuͤßen ſind ſie mit hohen Schuhen und mit Halbſtiefeln von Filz nach Art der heutigen Italieniſchen Bauern be- kleidet. Nemeſis. Der Seltenheit wegen zu bemerken. Sie hebt den einen Zipfel ihres Gewandes uͤber der Bruſt nach dem Kopfe zu. Eine Stellung, in der ſie auf geſchnittenen Steinen haͤufiger vorkoͤmmt. Nemeſis iſt wahrſcheinlich, ſtrafende Gerechtigkeit. Allein die Handlung des Spuckens in den Schooß, gehoͤrt unter die Allegorien, die keinen deutlichen Be- griff geben, weil der Gebrauch des Zeichens nicht zu gleicher Zeit mit dem Sinn deſſelben auf uns gekom- men iſt. Einige finden darin eine Art: von Gott ſey Bedeutung der Goͤttinn Nemeſis. G 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/125
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/125>, abgerufen am 25.11.2024.