Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Der Vaticanische Pallast. überhaupt. Auf die Darstellung der Fassung derSeele, in der die Eigenschaft, die der abstrakte Be- griff voraussetzt, zu jeder Zeit und in jeder Lage, den unterscheidenden, hervorstechenden Zug ausmacht, und durch diesen auf die sichtbaren Formen des Kör- pers eine dauernde Würkung hervorbringt. Eine Person, deren Seele vom Gefühle der Ge- Noch schlimmer aber ist es, wenn Ruhe eine un- Die Figur der Gerechtigkeit hat einen Strauß soll. K 2
Der Vaticaniſche Pallaſt. uͤberhaupt. Auf die Darſtellung der Faſſung derSeele, in der die Eigenſchaft, die der abſtrakte Be- griff vorausſetzt, zu jeder Zeit und in jeder Lage, den unterſcheidenden, hervorſtechenden Zug ausmacht, und durch dieſen auf die ſichtbaren Formen des Koͤr- pers eine dauernde Wuͤrkung hervorbringt. Eine Perſon, deren Seele vom Gefuͤhle der Ge- Noch ſchlimmer aber iſt es, wenn Ruhe eine un- Die Figur der Gerechtigkeit hat einen Strauß ſoll. K 2
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Der Vaticaniſche Pallaſt.
uͤberhaupt. Auf die Darſtellung der Faſſung der
Seele, in der die Eigenſchaft, die der abſtrakte Be-
griff vorausſetzt, zu jeder Zeit und in jeder Lage, den
unterſcheidenden, hervorſtechenden Zug ausmacht,
und durch dieſen auf die ſichtbaren Formen des Koͤr-
pers eine dauernde Wuͤrkung hervorbringt.
Eine Perſon, deren Seele vom Gefuͤhle der Ge-
rechtigkeit durchdrungen iſt, wird ſich durch eine pruͤ-
fende ernſte Mine, und durch die Stellung eines
ruhigen Nachdenkens unterſcheiden; eine Perſon, in
deren Charakter Milde den Hauptzug ausmacht, durch
gefaͤllige, Zutrauen erweckende Freundlichkeit. So
weit koͤnnen wir ſie begreifen, in ſo weit wird uns der
Ausdruck deutlich. Finden wir aber einen ſolchen
Charakter in einer lebhafteren Wuͤrkſamkeit in einem
Affekte, auf den die Eigenſchaft, die der abſtrakte
Begriff vorausſetzt, nicht nothwendig zuruͤckfuͤhrt, ſo
verlangen wir die zufaͤllig einwuͤrkende Urſach zu wiſ-
ſen, und finden wir ſie nicht, wie dies denn gemei-
niglich der Fall bei iſolirten Figuren iſt, ſo koͤmmt
uns die lebhafte Gebaͤhrde und Stellung gezwungen
oder affektirt vor.
Noch ſchlimmer aber iſt es, wenn Ruhe eine un-
zertrennliche Eigenſchaft des abſtrakten Begriffs zu
ſeyn ſcheint, und lebhafte Thaͤtigkeit des allegoriſchen
Bildes damit im Widerſpruche ſteht. Dies ſcheint
der Fall bei der Gerechtigkeit ſowohl als der Milde zu
ſeyn.
Die Figur der Gerechtigkeit hat einen Strauß
neben ſich ſtehen, der wegen der gleichen Laͤnge ſeiner
Federn, auf die gleiche Austheilung des Rechts deuten
ſoll.
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