Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Vaticanische Pallast.
Gemählde
am Plafond.

Am Plafond sind einige Begebenheiten aus dem
ersten Buch Moses in verschiedenen Abtheilungen vor-
gestellt. Man lobt darin die Figuren Gottes. Allein
mir scheinen sie durchaus den zurückstoßenden Ernst zu
haben, der sich mehr für einen Zauberer als den
Weltregierer paßt. In dem Bilde, wo der Schö-
pfer die beiden großen Lichter ans Firmament
setzt
, hat er den Anstand eines schlechten Schauspie-
lers. Der Engel der sich in eben diesem Bilde in
dem Schooße des Schöpfers aus Furcht vor dem
Monde verkriecht, ist eine lächerliche Idee.

+ In dem Bilde von der Erschaffung Adams
hat der Künstler den Gedanken ausdrücken wollen:
und er blies ihm einen lebendigen Odem ein. Der
Schöpfer steht vor dem halbaufgerichteten Adam, und
rührt ihn mit dem Finger an, gleichsam als würde er
von der elektrischen Kraft, die aus ihm herausgeht,
belebt, oder vielmehr aus dem Schlafe geweckt.
Allein für einen Zuschauer, der nicht jene Worte in
Gedanken hat, bleibt Adam immer ein Mensch, der
sich in die Höhe richtet, und der Schöpfer immer ein
Alter, der ihn mit dem Finger anrührt. Die Figur
Adams ist sonst einer der richtigst gezeichneten nackten
Körper neuerer Kunst.

+ Auch der Fall der ersten Eltern wird der
Zeichnung des Nackenden wegen geschätzt.

+ In dem Gemählde von der Erschaffung
der Eva
hat Michael Angelo zuerst Gott den Vater
von einer Gruppe von Engeln tragen lassen. Eine
glückliche Idee, die hernach oft wiederholt ist.

+ Rund
Der Vaticaniſche Pallaſt.
Gemaͤhlde
am Plafond.

Am Plafond ſind einige Begebenheiten aus dem
erſten Buch Moſes in verſchiedenen Abtheilungen vor-
geſtellt. Man lobt darin die Figuren Gottes. Allein
mir ſcheinen ſie durchaus den zuruͤckſtoßenden Ernſt zu
haben, der ſich mehr fuͤr einen Zauberer als den
Weltregierer paßt. In dem Bilde, wo der Schoͤ-
pfer die beiden großen Lichter ans Firmament
ſetzt
, hat er den Anſtand eines ſchlechten Schauſpie-
lers. Der Engel der ſich in eben dieſem Bilde in
dem Schooße des Schoͤpfers aus Furcht vor dem
Monde verkriecht, iſt eine laͤcherliche Idee.

† In dem Bilde von der Erſchaffung Adams
hat der Kuͤnſtler den Gedanken ausdruͤcken wollen:
und er blies ihm einen lebendigen Odem ein. Der
Schoͤpfer ſteht vor dem halbaufgerichteten Adam, und
ruͤhrt ihn mit dem Finger an, gleichſam als wuͤrde er
von der elektriſchen Kraft, die aus ihm herausgeht,
belebt, oder vielmehr aus dem Schlafe geweckt.
Allein fuͤr einen Zuſchauer, der nicht jene Worte in
Gedanken hat, bleibt Adam immer ein Menſch, der
ſich in die Hoͤhe richtet, und der Schoͤpfer immer ein
Alter, der ihn mit dem Finger anruͤhrt. Die Figur
Adams iſt ſonſt einer der richtigſt gezeichneten nackten
Koͤrper neuerer Kunſt.

Auch der Fall der erſten Eltern wird der
Zeichnung des Nackenden wegen geſchaͤtzt.

In dem Gemaͤhlde von der Erſchaffung
der Eva
hat Michael Angelo zuerſt Gott den Vater
von einer Gruppe von Engeln tragen laſſen. Eine
gluͤckliche Idee, die hernach oft wiederholt iſt.

† Rund
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0204" n="182"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Vaticani&#x017F;che Palla&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
              <note place="left">Gema&#x0364;hlde<lb/>
am Plafond.</note>
              <p>Am Plafond &#x017F;ind einige Begebenheiten aus dem<lb/>
er&#x017F;ten Buch Mo&#x017F;es in ver&#x017F;chiedenen Abtheilungen vor-<lb/>
ge&#x017F;tellt. Man lobt darin die Figuren Gottes. Allein<lb/>
mir &#x017F;cheinen &#x017F;ie durchaus den zuru&#x0364;ck&#x017F;toßenden Ern&#x017F;t zu<lb/>
haben, der &#x017F;ich mehr fu&#x0364;r einen Zauberer als den<lb/>
Weltregierer paßt. In dem Bilde, <hi rendition="#fr">wo der Scho&#x0364;-<lb/>
pfer die beiden großen Lichter ans Firmament<lb/>
&#x017F;etzt</hi>, hat er den An&#x017F;tand eines &#x017F;chlechten Schau&#x017F;pie-<lb/>
lers. Der Engel der &#x017F;ich in eben die&#x017F;em Bilde in<lb/>
dem Schooße des Scho&#x0364;pfers aus Furcht vor dem<lb/>
Monde verkriecht, i&#x017F;t eine la&#x0364;cherliche Idee.</p><lb/>
              <p>&#x2020; In dem Bilde <hi rendition="#fr">von der Er&#x017F;chaffung Adams</hi><lb/>
hat der Ku&#x0364;n&#x017F;tler den Gedanken ausdru&#x0364;cken wollen:<lb/>
und er blies ihm einen lebendigen Odem ein. Der<lb/>
Scho&#x0364;pfer &#x017F;teht vor dem halbaufgerichteten Adam, und<lb/>
ru&#x0364;hrt ihn mit dem Finger an, gleich&#x017F;am als wu&#x0364;rde er<lb/>
von der elektri&#x017F;chen Kraft, die aus ihm herausgeht,<lb/>
belebt, oder vielmehr aus dem Schlafe geweckt.<lb/>
Allein fu&#x0364;r einen Zu&#x017F;chauer, der nicht jene Worte in<lb/>
Gedanken hat, bleibt Adam immer ein Men&#x017F;ch, der<lb/>
&#x017F;ich in die Ho&#x0364;he richtet, und der Scho&#x0364;pfer immer ein<lb/>
Alter, der ihn mit dem Finger anru&#x0364;hrt. Die Figur<lb/>
Adams i&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;t einer der richtig&#x017F;t gezeichneten nackten<lb/>
Ko&#x0364;rper neuerer Kun&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Auch der Fall der er&#x017F;ten Eltern</hi> wird der<lb/>
Zeichnung des Nackenden wegen ge&#x017F;cha&#x0364;tzt.</p><lb/>
              <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">In dem Gema&#x0364;hlde von der Er&#x017F;chaffung<lb/>
der Eva</hi> hat Michael Angelo zuer&#x017F;t Gott den Vater<lb/>
von einer Gruppe von Engeln tragen la&#x017F;&#x017F;en. Eine<lb/>
glu&#x0364;ckliche Idee, die hernach oft wiederholt i&#x017F;t.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x2020; Rund</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0204] Der Vaticaniſche Pallaſt. Am Plafond ſind einige Begebenheiten aus dem erſten Buch Moſes in verſchiedenen Abtheilungen vor- geſtellt. Man lobt darin die Figuren Gottes. Allein mir ſcheinen ſie durchaus den zuruͤckſtoßenden Ernſt zu haben, der ſich mehr fuͤr einen Zauberer als den Weltregierer paßt. In dem Bilde, wo der Schoͤ- pfer die beiden großen Lichter ans Firmament ſetzt, hat er den Anſtand eines ſchlechten Schauſpie- lers. Der Engel der ſich in eben dieſem Bilde in dem Schooße des Schoͤpfers aus Furcht vor dem Monde verkriecht, iſt eine laͤcherliche Idee. † In dem Bilde von der Erſchaffung Adams hat der Kuͤnſtler den Gedanken ausdruͤcken wollen: und er blies ihm einen lebendigen Odem ein. Der Schoͤpfer ſteht vor dem halbaufgerichteten Adam, und ruͤhrt ihn mit dem Finger an, gleichſam als wuͤrde er von der elektriſchen Kraft, die aus ihm herausgeht, belebt, oder vielmehr aus dem Schlafe geweckt. Allein fuͤr einen Zuſchauer, der nicht jene Worte in Gedanken hat, bleibt Adam immer ein Menſch, der ſich in die Hoͤhe richtet, und der Schoͤpfer immer ein Alter, der ihn mit dem Finger anruͤhrt. Die Figur Adams iſt ſonſt einer der richtigſt gezeichneten nackten Koͤrper neuerer Kunſt. † Auch der Fall der erſten Eltern wird der Zeichnung des Nackenden wegen geſchaͤtzt. † In dem Gemaͤhlde von der Erſchaffung der Eva hat Michael Angelo zuerſt Gott den Vater von einer Gruppe von Engeln tragen laſſen. Eine gluͤckliche Idee, die hernach oft wiederholt iſt. † Rund

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/204
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/204>, abgerufen am 24.11.2024.