Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.Villa Borghese. Schilde einen Streich von oben aufzufangen sucht,an den sein Blick geheftet ist. Dieser Herr Hofrath Heyne in der Note eben daselbst ver-
muthet. Es scheint mir nicht nothwendig, daß der Streich von oben, den unsere Figur abzuwen- den scheint, von einer Figur zu Pferde komme. Es konnte sehr wohl ein Hieb seyn, den der Gegner mit aufgehobenem Arme ausholte. Selbst der aufwärts gerichtete Blick scheint das Gegentheil nicht anzu- zeigen. Denn die Richtung des Auges folgt eher dem Schwerdte, als der Mine des Gegners. Warum soll schlechterdings diese swelte Figur mit dem Begriffe contrastiren, den wir uns von einem Fechter zu machen berechtiget sind? Verlangt denn ihr Talent weniger Geschmeidigkeit, als die des Ringers, des Kriegers? Weniger schlanken Wuchs, weniger ausgearbeitete Glieder? Der Herr Hofrath Heyne gesteht selbst ein, daß ihre Körper zum Aus- druck, zumahl in Marmor, sehr geschickt gewesen seyn müßten. Aber warum blos zum Ausdruck? Das ist wie mich dünkt, erst die zweite Rücksicht des Künstlers. Die erste ist ihm die Stellung, die die Formen des Körpers in ihrer größten Schönheit und Abwechselung zeigt. Warum soll nun eben dieses Stück ein histori- sches Stück seyn? Weil der Kopf Aehnlichkeit mit einer bestimmten Person zu haben scheint? Wie leicht kann nicht ein schöner Fechter Gelegenheit zu dieser Nachbildung gegeben haben, den entweder das Volk, oder der Kaiser gerade in dieser Stel- lung bewunderte! Worauf der BildhauerAber es sey mir erlaubt, hier etwas anzuführen, was ich an einem andern Orte noch weiter auszu- führen Villa Borgheſe. Schilde einen Streich von oben aufzufangen ſucht,an den ſein Blick geheftet iſt. Dieſer Herr Hofrath Heyne in der Note eben daſelbſt ver-
muthet. Es ſcheint mir nicht nothwendig, daß der Streich von oben, den unſere Figur abzuwen- den ſcheint, von einer Figur zu Pferde komme. Es konnte ſehr wohl ein Hieb ſeyn, den der Gegner mit aufgehobenem Arme ausholte. Selbſt der aufwaͤrts gerichtete Blick ſcheint das Gegentheil nicht anzu- zeigen. Denn die Richtung des Auges folgt eher dem Schwerdte, als der Mine des Gegners. Warum ſoll ſchlechterdings dieſe ſwelte Figur mit dem Begriffe contraſtiren, den wir uns von einem Fechter zu machen berechtiget ſind? Verlangt denn ihr Talent weniger Geſchmeidigkeit, als die des Ringers, des Kriegers? Weniger ſchlanken Wuchs, weniger ausgearbeitete Glieder? Der Herr Hofrath Heyne geſteht ſelbſt ein, daß ihre Koͤrper zum Aus- druck, zumahl in Marmor, ſehr geſchickt geweſen ſeyn muͤßten. Aber warum blos zum Ausdruck? Das iſt wie mich duͤnkt, erſt die zweite Ruͤckſicht des Kuͤnſtlers. Die erſte iſt ihm die Stellung, die die Formen des Koͤrpers in ihrer groͤßten Schoͤnheit und Abwechſelung zeigt. Warum ſoll nun eben dieſes Stuͤck ein hiſtori- ſches Stuͤck ſeyn? Weil der Kopf Aehnlichkeit mit einer beſtimmten Perſon zu haben ſcheint? Wie leicht kann nicht ein ſchoͤner Fechter Gelegenheit zu dieſer Nachbildung gegeben haben, den entweder das Volk, oder der Kaiſer gerade in dieſer Stel- lung bewunderte! Worauf der BildhauerAber es ſey mir erlaubt, hier etwas anzufuͤhren, was ich an einem andern Orte noch weiter auszu- fuͤhren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0350" n="328"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Villa Borgheſe.</hi></fw><lb/> Schilde einen Streich von oben aufzufangen ſucht,<lb/> an den ſein Blick geheftet iſt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſer</fw><lb/> <p> <note next="#seg2pn_15_4" xml:id="seg2pn_15_3" prev="#seg2pn_15_2" place="foot" n="17)">Herr Hofrath Heyne in der Note eben daſelbſt ver-<lb/> muthet. Es ſcheint mir nicht nothwendig, daß<lb/> der Streich von oben, den unſere Figur abzuwen-<lb/> den ſcheint, von einer Figur zu Pferde komme. Es<lb/> konnte ſehr wohl ein Hieb ſeyn, den der Gegner mit<lb/> aufgehobenem Arme ausholte. Selbſt der aufwaͤrts<lb/> gerichtete Blick ſcheint das Gegentheil nicht anzu-<lb/> zeigen. Denn die Richtung des Auges folgt eher<lb/> dem Schwerdte, als der Mine des Gegners.<lb/> Warum ſoll ſchlechterdings dieſe ſwelte Figur mit<lb/> dem Begriffe contraſtiren, den wir uns von einem<lb/> Fechter zu machen berechtiget ſind? Verlangt denn<lb/> ihr Talent weniger Geſchmeidigkeit, als die des<lb/> Ringers, des Kriegers? Weniger ſchlanken Wuchs,<lb/> weniger ausgearbeitete Glieder? Der Herr Hofrath<lb/> Heyne geſteht ſelbſt ein, daß ihre Koͤrper zum Aus-<lb/> druck, zumahl in Marmor, ſehr geſchickt geweſen<lb/> ſeyn muͤßten. Aber warum blos zum Ausdruck?<lb/> Das iſt wie mich duͤnkt, erſt die zweite Ruͤckſicht des<lb/> Kuͤnſtlers. Die erſte iſt ihm die Stellung, die die<lb/> Formen des Koͤrpers in ihrer groͤßten Schoͤnheit<lb/> und Abwechſelung zeigt.<lb/> Warum ſoll nun eben dieſes Stuͤck ein hiſtori-<lb/> ſches Stuͤck ſeyn? Weil der Kopf Aehnlichkeit mit<lb/> einer beſtimmten Perſon zu haben ſcheint? Wie<lb/> leicht kann nicht ein ſchoͤner Fechter Gelegenheit zu<lb/> dieſer Nachbildung gegeben haben, den entweder<lb/> das Volk, oder der Kaiſer gerade in dieſer Stel-<lb/> lung bewunderte!<lb/><note place="left">Worauf der<lb/> Bildhauer</note>Aber es ſey mir erlaubt, hier etwas anzufuͤhren,<lb/> was ich an einem andern Orte noch weiter auszu-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fuͤhren</fw></note> </p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [328/0350]
Villa Borgheſe.
Schilde einen Streich von oben aufzufangen ſucht,
an den ſein Blick geheftet iſt.
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17) Herr Hofrath Heyne in der Note eben daſelbſt ver-
muthet. Es ſcheint mir nicht nothwendig, daß
der Streich von oben, den unſere Figur abzuwen-
den ſcheint, von einer Figur zu Pferde komme. Es
konnte ſehr wohl ein Hieb ſeyn, den der Gegner mit
aufgehobenem Arme ausholte. Selbſt der aufwaͤrts
gerichtete Blick ſcheint das Gegentheil nicht anzu-
zeigen. Denn die Richtung des Auges folgt eher
dem Schwerdte, als der Mine des Gegners.
Warum ſoll ſchlechterdings dieſe ſwelte Figur mit
dem Begriffe contraſtiren, den wir uns von einem
Fechter zu machen berechtiget ſind? Verlangt denn
ihr Talent weniger Geſchmeidigkeit, als die des
Ringers, des Kriegers? Weniger ſchlanken Wuchs,
weniger ausgearbeitete Glieder? Der Herr Hofrath
Heyne geſteht ſelbſt ein, daß ihre Koͤrper zum Aus-
druck, zumahl in Marmor, ſehr geſchickt geweſen
ſeyn muͤßten. Aber warum blos zum Ausdruck?
Das iſt wie mich duͤnkt, erſt die zweite Ruͤckſicht des
Kuͤnſtlers. Die erſte iſt ihm die Stellung, die die
Formen des Koͤrpers in ihrer groͤßten Schoͤnheit
und Abwechſelung zeigt.
Warum ſoll nun eben dieſes Stuͤck ein hiſtori-
ſches Stuͤck ſeyn? Weil der Kopf Aehnlichkeit mit
einer beſtimmten Perſon zu haben ſcheint? Wie
leicht kann nicht ein ſchoͤner Fechter Gelegenheit zu
dieſer Nachbildung gegeben haben, den entweder
das Volk, oder der Kaiſer gerade in dieſer Stel-
lung bewunderte!
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