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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787.

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Der Vaticanische Pallast.
der Behandlung sieht, in Zeiten, wo dieser Stil nicht
der herrschende war.

+ Ein dritter Leuchter vom Cardinal Zelada
hieher geschenkt. Auf dem dreieckigten Fußgestelle Fi-
guren: Jupiter, Hercules der den Apollo verfolgt,
Apollo der mit dem gestohlnen Dreifuß flieht. Der
letzte ist besonders schön. Vorstellungsart und Stil
der Ausführung an den Figuren sind Etruscisch. Der
Leuchter selbst steht weder an Schönheit der Idee, noch
besorgter Ausführung, dem vorigen nach.

+ Ein vierter Leuchter vom Piranese gekauft.
Die Form ist simpler als an dem vorigen. Die Fi-
guren rund umher stellen Bacchantinnen vor. Der
Stil, Etruscisch.

Charakter
der Flußgöt-
ter.

Ein Flußgott. Der Charakter der Flußgötter
ist im Ganzen rauhes Alter, aber ohne Grämelei,
ohne abgemergelten Körper. An unserer Statue sind
Kopf und Arme von Michael Angelo ergänzt.

Es ist sonderbar! Michael Angelo hatte die größte
Ehrfurcht für die Antiken; er hat sie oft copirt, er
hat sie ergänzt; Man sollte denken, er müßte sich
selbst wider seinen Willen in ihren Stil hinein gedacht
haben. Aber nein! Sein Geschmack an dem Auf-
fallenden und Wilden, die Sucht, seine Kenntniß
des Muskeln- und Knochenbaues zu zeigen, haben ihn
sogar verführt, wider die Gesetze der nothwendigen
Uebereinstimmung der Theile unter einander zu han-
deln. Der antike Rumpf dieses Flußgottes zeigt, der
Bestimmtheit unbeschadet, ein sanftes fließendes
Muskelnspiel. Aber der Kopf, den der neuere Künst-

ler

Der Vaticaniſche Pallaſt.
der Behandlung ſieht, in Zeiten, wo dieſer Stil nicht
der herrſchende war.

Ein dritter Leuchter vom Cardinal Zelada
hieher geſchenkt. Auf dem dreieckigten Fußgeſtelle Fi-
guren: Jupiter, Hercules der den Apollo verfolgt,
Apollo der mit dem geſtohlnen Dreifuß flieht. Der
letzte iſt beſonders ſchoͤn. Vorſtellungsart und Stil
der Ausfuͤhrung an den Figuren ſind Etruſciſch. Der
Leuchter ſelbſt ſteht weder an Schoͤnheit der Idee, noch
beſorgter Ausfuͤhrung, dem vorigen nach.

Ein vierter Leuchter vom Piraneſe gekauft.
Die Form iſt ſimpler als an dem vorigen. Die Fi-
guren rund umher ſtellen Bacchantinnen vor. Der
Stil, Etruſciſch.

Charakter
der Flußgoͤt-
ter.

Ein Flußgott. Der Charakter der Flußgoͤtter
iſt im Ganzen rauhes Alter, aber ohne Graͤmelei,
ohne abgemergelten Koͤrper. An unſerer Statue ſind
Kopf und Arme von Michael Angelo ergaͤnzt.

Es iſt ſonderbar! Michael Angelo hatte die groͤßte
Ehrfurcht fuͤr die Antiken; er hat ſie oft copirt, er
hat ſie ergaͤnzt; Man ſollte denken, er muͤßte ſich
ſelbſt wider ſeinen Willen in ihren Stil hinein gedacht
haben. Aber nein! Sein Geſchmack an dem Auf-
fallenden und Wilden, die Sucht, ſeine Kenntniß
des Muſkeln- und Knochenbaues zu zeigen, haben ihn
ſogar verfuͤhrt, wider die Geſetze der nothwendigen
Uebereinſtimmung der Theile unter einander zu han-
deln. Der antike Rumpf dieſes Flußgottes zeigt, der
Beſtimmtheit unbeſchadet, ein ſanftes fließendes
Muſkelnſpiel. Aber der Kopf, den der neuere Kuͤnſt-

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[42/0064] Der Vaticaniſche Pallaſt. der Behandlung ſieht, in Zeiten, wo dieſer Stil nicht der herrſchende war. † Ein dritter Leuchter vom Cardinal Zelada hieher geſchenkt. Auf dem dreieckigten Fußgeſtelle Fi- guren: Jupiter, Hercules der den Apollo verfolgt, Apollo der mit dem geſtohlnen Dreifuß flieht. Der letzte iſt beſonders ſchoͤn. Vorſtellungsart und Stil der Ausfuͤhrung an den Figuren ſind Etruſciſch. Der Leuchter ſelbſt ſteht weder an Schoͤnheit der Idee, noch beſorgter Ausfuͤhrung, dem vorigen nach. † Ein vierter Leuchter vom Piraneſe gekauft. Die Form iſt ſimpler als an dem vorigen. Die Fi- guren rund umher ſtellen Bacchantinnen vor. Der Stil, Etruſciſch. Ein Flußgott. Der Charakter der Flußgoͤtter iſt im Ganzen rauhes Alter, aber ohne Graͤmelei, ohne abgemergelten Koͤrper. An unſerer Statue ſind Kopf und Arme von Michael Angelo ergaͤnzt. Es iſt ſonderbar! Michael Angelo hatte die groͤßte Ehrfurcht fuͤr die Antiken; er hat ſie oft copirt, er hat ſie ergaͤnzt; Man ſollte denken, er muͤßte ſich ſelbſt wider ſeinen Willen in ihren Stil hinein gedacht haben. Aber nein! Sein Geſchmack an dem Auf- fallenden und Wilden, die Sucht, ſeine Kenntniß des Muſkeln- und Knochenbaues zu zeigen, haben ihn ſogar verfuͤhrt, wider die Geſetze der nothwendigen Uebereinſtimmung der Theile unter einander zu han- deln. Der antike Rumpf dieſes Flußgottes zeigt, der Beſtimmtheit unbeſchadet, ein ſanftes fließendes Muſkelnſpiel. Aber der Kopf, den der neuere Kuͤnſt- ler

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 1. Leipzig, 1787, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei01_1787/64>, abgerufen am 24.11.2024.