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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Negroni.

Eine sitzende Roma in colossaler Größe mit
weißen Extremitäten und schwarzem Gewande, thront
auf einer Anhöhe unter einer Gruppe von Pinchen,
Cypressen und Mandelbäumen. Mehrere Mahler
haben sie in ihren Werken angebracht, und mich
dünkt, ich kenne nichts, was mein Gefühl für mah-
lerische Würkung so ausfüllt, meinen Begriff darüber
so sehr bestimmt. Ich sahe sie einst beim Untergang
der Sonne, als der Mandelbaum gerade in Blüthe
stand. Die Stufenleiter von Gestalten: erst die co-
lossalische Roma, am einfachsten in Abwechselung
ihrer Theile, dann der buschigte Mandelbaum, dann
die fechtelartige Fichte und endlich die pyramidenför-
mige Cypresse, deren Gipfel sich zu einer schmäleren
Höhe zusammenspitzte; die verschiedenen Mischungen
von Farben, die sich im gelblichen Abglanz der nie-
dergehenden Sonne zu einem Ton vermählten; die
abwechselnden Lichter und Schatten, durch die der
Baum mit der Statue, die Statue wieder mit dem
Baume zu einer Masse vereinigt wurden, bald durch
die dunkle Farbe verstärkt, bald durch die helle ge-
brochen, endlich doch in sanften Uebergängen zusam-
menflossen.

Alles dies sage ich, gab mir das wahre Ge-
fühl des eigentlich Mahlerischen, des wesentlichsten
Unterscheidungszeichen der Mahlerei von ihren ver-
schwisterten Künsten: merkliche Abwechselung von
Formen, merkliche Abwechselung von Farben, end-
lich -- selbst eine Art der Färbung -- merkliche Ab-
wechselung von hellen und dunkeln Partien, welche
die Nerven des Auges auf vielfache Art spannen,

und
Zweiter Theil. H
Villa Negroni.

Eine ſitzende Roma in coloſſaler Groͤße mit
weißen Extremitaͤten und ſchwarzem Gewande, thront
auf einer Anhoͤhe unter einer Gruppe von Pinchen,
Cypreſſen und Mandelbaͤumen. Mehrere Mahler
haben ſie in ihren Werken angebracht, und mich
duͤnkt, ich kenne nichts, was mein Gefuͤhl fuͤr mah-
leriſche Wuͤrkung ſo ausfuͤllt, meinen Begriff daruͤber
ſo ſehr beſtimmt. Ich ſahe ſie einſt beim Untergang
der Sonne, als der Mandelbaum gerade in Bluͤthe
ſtand. Die Stufenleiter von Geſtalten: erſt die co-
loſſaliſche Roma, am einfachſten in Abwechſelung
ihrer Theile, dann der buſchigte Mandelbaum, dann
die fechtelartige Fichte und endlich die pyramidenfoͤr-
mige Cypreſſe, deren Gipfel ſich zu einer ſchmaͤleren
Hoͤhe zuſammenſpitzte; die verſchiedenen Miſchungen
von Farben, die ſich im gelblichen Abglanz der nie-
dergehenden Sonne zu einem Ton vermaͤhlten; die
abwechſelnden Lichter und Schatten, durch die der
Baum mit der Statue, die Statue wieder mit dem
Baume zu einer Maſſe vereinigt wurden, bald durch
die dunkle Farbe verſtaͤrkt, bald durch die helle ge-
brochen, endlich doch in ſanften Uebergaͤngen zuſam-
menfloſſen.

Alles dies ſage ich, gab mir das wahre Ge-
fuͤhl des eigentlich Mahleriſchen, des weſentlichſten
Unterſcheidungszeichen der Mahlerei von ihren ver-
ſchwiſterten Kuͤnſten: merkliche Abwechſelung von
Formen, merkliche Abwechſelung von Farben, end-
lich — ſelbſt eine Art der Faͤrbung — merkliche Ab-
wechſelung von hellen und dunkeln Partien, welche
die Nerven des Auges auf vielfache Art ſpannen,

und
Zweiter Theil. H
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[113/0127] Villa Negroni. Eine ſitzende Roma in coloſſaler Groͤße mit weißen Extremitaͤten und ſchwarzem Gewande, thront auf einer Anhoͤhe unter einer Gruppe von Pinchen, Cypreſſen und Mandelbaͤumen. Mehrere Mahler haben ſie in ihren Werken angebracht, und mich duͤnkt, ich kenne nichts, was mein Gefuͤhl fuͤr mah- leriſche Wuͤrkung ſo ausfuͤllt, meinen Begriff daruͤber ſo ſehr beſtimmt. Ich ſahe ſie einſt beim Untergang der Sonne, als der Mandelbaum gerade in Bluͤthe ſtand. Die Stufenleiter von Geſtalten: erſt die co- loſſaliſche Roma, am einfachſten in Abwechſelung ihrer Theile, dann der buſchigte Mandelbaum, dann die fechtelartige Fichte und endlich die pyramidenfoͤr- mige Cypreſſe, deren Gipfel ſich zu einer ſchmaͤleren Hoͤhe zuſammenſpitzte; die verſchiedenen Miſchungen von Farben, die ſich im gelblichen Abglanz der nie- dergehenden Sonne zu einem Ton vermaͤhlten; die abwechſelnden Lichter und Schatten, durch die der Baum mit der Statue, die Statue wieder mit dem Baume zu einer Maſſe vereinigt wurden, bald durch die dunkle Farbe verſtaͤrkt, bald durch die helle ge- brochen, endlich doch in ſanften Uebergaͤngen zuſam- menfloſſen. Alles dies ſage ich, gab mir das wahre Ge- fuͤhl des eigentlich Mahleriſchen, des weſentlichſten Unterſcheidungszeichen der Mahlerei von ihren ver- ſchwiſterten Kuͤnſten: merkliche Abwechſelung von Formen, merkliche Abwechſelung von Farben, end- lich — ſelbſt eine Art der Faͤrbung — merkliche Ab- wechſelung von hellen und dunkeln Partien, welche die Nerven des Auges auf vielfache Art ſpannen, und Zweiter Theil. H

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/127>, abgerufen am 25.11.2024.