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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Quirinale.
gemahlt werden sollen. Der auf der Erde liegende
Heilige ist gebunden, man hat ihm den Bauch auf-
geschnitten, und seine Eingeweide werden ihm aus
dem Leibe gehaspelt. Die Anordnung hat Verdienst.
Der Ausdruck ist wahr: Vorzüglich in dem heidni-
schen Priester, der dem Heiligen die Statue des Her-
cules zeigt, welcher zu opfern jener Märtyrer sich ge-
weigert hatte. Aber übrigens sieht man leicht ein,
daß der Ausdruck in einem Heiligen, den man aus-
weidet, und in einer Menge von Henkern nur sehr
widrig seyn könne. Die Zeichnung ist correkt, aber
etwas schwerfällig, vorzüglich in den schwebenden
Engeln. Die Färbung ist wie gewöhnlich Weinhe-
fenartig. Das Helldunkle ist sehr gut ausgesonnen
gewesen, und würde einem Mahler, der die Halb-
tinten wohl zu behandeln verstanden hätte, treffliche
Zufälle von Licht und Schatten dargeboten haben.
Nach Poussins Ausführung bleibt es freilich ohne
Würkung. Die Anordnung so vieler Figuren in ei-
nem kleinen Raume ist zu loben.

Eine Transfiguration. Ich weiß, daß
viele dieses Bild dem Andrea Sacchi beilegen, aber
die Gesichtsbildungen, die Behandlung der Gewän-
der, die Färbung, und vorzüglich die kecken Pinsel-
striche in den Haaren und Extremitäten, scheinen mir
den Guido Reni anzuzeigen.

+ Die Marter des heiligen Martinianus
und des heiligen Processus
von Valentin. Der
Ausdruck und die Wahl der Formen sind gemein,
und die Anordnung ohne Weisheit. Die Behand-
lung, kräftige frische Farben und Ründung, sind

die

Pallaſt Quirinale.
gemahlt werden ſollen. Der auf der Erde liegende
Heilige iſt gebunden, man hat ihm den Bauch auf-
geſchnitten, und ſeine Eingeweide werden ihm aus
dem Leibe gehaſpelt. Die Anordnung hat Verdienſt.
Der Ausdruck iſt wahr: Vorzuͤglich in dem heidni-
ſchen Prieſter, der dem Heiligen die Statue des Her-
cules zeigt, welcher zu opfern jener Maͤrtyrer ſich ge-
weigert hatte. Aber uͤbrigens ſieht man leicht ein,
daß der Ausdruck in einem Heiligen, den man aus-
weidet, und in einer Menge von Henkern nur ſehr
widrig ſeyn koͤnne. Die Zeichnung iſt correkt, aber
etwas ſchwerfaͤllig, vorzuͤglich in den ſchwebenden
Engeln. Die Faͤrbung iſt wie gewoͤhnlich Weinhe-
fenartig. Das Helldunkle iſt ſehr gut ausgeſonnen
geweſen, und wuͤrde einem Mahler, der die Halb-
tinten wohl zu behandeln verſtanden haͤtte, treffliche
Zufaͤlle von Licht und Schatten dargeboten haben.
Nach Pouſſins Ausfuͤhrung bleibt es freilich ohne
Wuͤrkung. Die Anordnung ſo vieler Figuren in ei-
nem kleinen Raume iſt zu loben.

Eine Transfiguration. Ich weiß, daß
viele dieſes Bild dem Andrea Sacchi beilegen, aber
die Geſichtsbildungen, die Behandlung der Gewaͤn-
der, die Faͤrbung, und vorzuͤglich die kecken Pinſel-
ſtriche in den Haaren und Extremitaͤten, ſcheinen mir
den Guido Reni anzuzeigen.

Die Marter des heiligen Martinianus
und des heiligen Proceſſus
von Valentin. Der
Ausdruck und die Wahl der Formen ſind gemein,
und die Anordnung ohne Weisheit. Die Behand-
lung, kraͤftige friſche Farben und Ruͤndung, ſind

die
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[196/0210] Pallaſt Quirinale. gemahlt werden ſollen. Der auf der Erde liegende Heilige iſt gebunden, man hat ihm den Bauch auf- geſchnitten, und ſeine Eingeweide werden ihm aus dem Leibe gehaſpelt. Die Anordnung hat Verdienſt. Der Ausdruck iſt wahr: Vorzuͤglich in dem heidni- ſchen Prieſter, der dem Heiligen die Statue des Her- cules zeigt, welcher zu opfern jener Maͤrtyrer ſich ge- weigert hatte. Aber uͤbrigens ſieht man leicht ein, daß der Ausdruck in einem Heiligen, den man aus- weidet, und in einer Menge von Henkern nur ſehr widrig ſeyn koͤnne. Die Zeichnung iſt correkt, aber etwas ſchwerfaͤllig, vorzuͤglich in den ſchwebenden Engeln. Die Faͤrbung iſt wie gewoͤhnlich Weinhe- fenartig. Das Helldunkle iſt ſehr gut ausgeſonnen geweſen, und wuͤrde einem Mahler, der die Halb- tinten wohl zu behandeln verſtanden haͤtte, treffliche Zufaͤlle von Licht und Schatten dargeboten haben. Nach Pouſſins Ausfuͤhrung bleibt es freilich ohne Wuͤrkung. Die Anordnung ſo vieler Figuren in ei- nem kleinen Raume iſt zu loben. Eine Transfiguration. Ich weiß, daß viele dieſes Bild dem Andrea Sacchi beilegen, aber die Geſichtsbildungen, die Behandlung der Gewaͤn- der, die Faͤrbung, und vorzuͤglich die kecken Pinſel- ſtriche in den Haaren und Extremitaͤten, ſcheinen mir den Guido Reni anzuzeigen. † Die Marter des heiligen Martinianus und des heiligen Proceſſus von Valentin. Der Ausdruck und die Wahl der Formen ſind gemein, und die Anordnung ohne Weisheit. Die Behand- lung, kraͤftige friſche Farben und Ruͤndung, ſind die

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/210>, abgerufen am 15.05.2024.