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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Pallast Colonna.

Verlöbniß der heiligen Catharina von Pie-
tro di Cortona.
Eine angenehme Zusammen-
setzung. Die Behandlung hat jedoch nicht das
s[f]umato, das Verschmolzene, das Verblasene,
welches sonst den Charakter des Pinsels dieses Mei-
sters ausmacht. Vielleicht dürfte unser Bild eine
Copie des Carlo Maratti nach einem Originale sei-
nes Meisters seyn.

In
dem Mörder, der Resignation in dem Heiligen
und des Schreckens in dem fliehenden Mönche.
Das wahre Maaß in der Darstellung dieser ver-
schiedenen Gemüthsbewegungen ist dem Mahler
ohne alle Carricatur geglückt. Mit Recht billigt
man die Sparsamkeit in den Figuren, deren An-
zahl die Verständlichkeit des Süjets erledigt. Sie
sind gut mit einander verbunden. Die Formen,
ohne schön zu seyn, vorzüglich in Köpfen und Hän-
den wohl gewählt.
Die Zeichnung ist correkt, nur scheinen die Ver-
kürzungen nicht durchgehends natürlich, woran
aber das nachgeschwärzte Colorit Schuld seyn kann.
Aus eben dieser Ursach erkläre ich mir den Mangel
an Haltung und Harmonie. Man wirft der Car-
nation mit Recht vor, daß der Ton derselben zu
sehr ins Rothe fällt: Sie bleibt aber demohngeach-
tet tizianisch. Oben sieht man eine Glorie von En-
geln: Kinder, wie sie Tizian mahlte, das heißt,
die schönsten der neueren Kunst.
Die Landschaft ist schön gedacht, und mit Leich-
tigkeit behandelt, nur fehlt der Duft in der Ferne.
Man war dazumal auf das Geheimniß der Luft-
perspektive noch nicht gekommen.
Pallaſt Colonna.

Verloͤbniß der heiligen Catharina von Pie-
tro di Cortona.
Eine angenehme Zuſammen-
ſetzung. Die Behandlung hat jedoch nicht das
s[f]umato, das Verſchmolzene, das Verblaſene,
welches ſonſt den Charakter des Pinſels dieſes Mei-
ſters ausmacht. Vielleicht duͤrfte unſer Bild eine
Copie des Carlo Maratti nach einem Originale ſei-
nes Meiſters ſeyn.

In
dem Moͤrder, der Reſignation in dem Heiligen
und des Schreckens in dem fliehenden Moͤnche.
Das wahre Maaß in der Darſtellung dieſer ver-
ſchiedenen Gemuͤthsbewegungen iſt dem Mahler
ohne alle Carricatur gegluͤckt. Mit Recht billigt
man die Sparſamkeit in den Figuren, deren An-
zahl die Verſtaͤndlichkeit des Suͤjets erledigt. Sie
ſind gut mit einander verbunden. Die Formen,
ohne ſchoͤn zu ſeyn, vorzuͤglich in Koͤpfen und Haͤn-
den wohl gewaͤhlt.
Die Zeichnung iſt correkt, nur ſcheinen die Ver-
kuͤrzungen nicht durchgehends natuͤrlich, woran
aber das nachgeſchwaͤrzte Colorit Schuld ſeyn kann.
Aus eben dieſer Urſach erklaͤre ich mir den Mangel
an Haltung und Harmonie. Man wirft der Car-
nation mit Recht vor, daß der Ton derſelben zu
ſehr ins Rothe faͤllt: Sie bleibt aber demohngeach-
tet tizianiſch. Oben ſieht man eine Glorie von En-
geln: Kinder, wie ſie Tizian mahlte, das heißt,
die ſchoͤnſten der neueren Kunſt.
Die Landſchaft iſt ſchoͤn gedacht, und mit Leich-
tigkeit behandelt, nur fehlt der Duft in der Ferne.
Man war dazumal auf das Geheimniß der Luft-
perſpektive noch nicht gekommen.
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[70/0084] Pallaſt Colonna. Verloͤbniß der heiligen Catharina von Pie- tro di Cortona. Eine angenehme Zuſammen- ſetzung. Die Behandlung hat jedoch nicht das sfumato, das Verſchmolzene, das Verblaſene, welches ſonſt den Charakter des Pinſels dieſes Mei- ſters ausmacht. Vielleicht duͤrfte unſer Bild eine Copie des Carlo Maratti nach einem Originale ſei- nes Meiſters ſeyn. In 5) 5) dem Moͤrder, der Reſignation in dem Heiligen und des Schreckens in dem fliehenden Moͤnche. Das wahre Maaß in der Darſtellung dieſer ver- ſchiedenen Gemuͤthsbewegungen iſt dem Mahler ohne alle Carricatur gegluͤckt. Mit Recht billigt man die Sparſamkeit in den Figuren, deren An- zahl die Verſtaͤndlichkeit des Suͤjets erledigt. Sie ſind gut mit einander verbunden. Die Formen, ohne ſchoͤn zu ſeyn, vorzuͤglich in Koͤpfen und Haͤn- den wohl gewaͤhlt. Die Zeichnung iſt correkt, nur ſcheinen die Ver- kuͤrzungen nicht durchgehends natuͤrlich, woran aber das nachgeſchwaͤrzte Colorit Schuld ſeyn kann. Aus eben dieſer Urſach erklaͤre ich mir den Mangel an Haltung und Harmonie. Man wirft der Car- nation mit Recht vor, daß der Ton derſelben zu ſehr ins Rothe faͤllt: Sie bleibt aber demohngeach- tet tizianiſch. Oben ſieht man eine Glorie von En- geln: Kinder, wie ſie Tizian mahlte, das heißt, die ſchoͤnſten der neueren Kunſt. Die Landſchaft iſt ſchoͤn gedacht, und mit Leich- tigkeit behandelt, nur fehlt der Duft in der Ferne. Man war dazumal auf das Geheimniß der Luft- perſpektive noch nicht gekommen.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/84>, abgerufen am 21.11.2024.