Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.Pallast Colonna. nen der Reue, und man sieht, daß das Andenken sei-ner Fehltritte schwer auf ihm ruht. Nur im Munde ist etwas Gezogenes, das man wegwünscht. Seine Stellung drückt vortrefflich den Zustand seiner Seele aus, die sich ganz dem Schmerze überläßt. Ob er gleich beinahe ganz nackt ist, so hat ihm der Mahler doch einen Schnupftuch in die eine Hand gegeben, um sich die Thränen abzutrocknen. Die andere Hand überläßt er seinem Vater, auf dessen Gesichte man den Ausdruck des gerührten Vaterherzens liest. Liebkosend sucht er ihn zu trösten, und bedeckt zu gleicher Zeit mit einem Mantel seine Blöße. Die Zeichnung ist ziemlich richtig, die Färbung aus sei- ner besten Zeit, und das Helldunkle wie gewöhnlich vortrefflich. + Das Verlöbniß der heiligen Catharina. ganz Zweiter Theil. F
Pallaſt Colonna. nen der Reue, und man ſieht, daß das Andenken ſei-ner Fehltritte ſchwer auf ihm ruht. Nur im Munde iſt etwas Gezogenes, das man wegwuͤnſcht. Seine Stellung druͤckt vortrefflich den Zuſtand ſeiner Seele aus, die ſich ganz dem Schmerze uͤberlaͤßt. Ob er gleich beinahe ganz nackt iſt, ſo hat ihm der Mahler doch einen Schnupftuch in die eine Hand gegeben, um ſich die Thraͤnen abzutrocknen. Die andere Hand uͤberlaͤßt er ſeinem Vater, auf deſſen Geſichte man den Ausdruck des geruͤhrten Vaterherzens lieſt. Liebkoſend ſucht er ihn zu troͤſten, und bedeckt zu gleicher Zeit mit einem Mantel ſeine Bloͤße. Die Zeichnung iſt ziemlich richtig, die Faͤrbung aus ſei- ner beſten Zeit, und das Helldunkle wie gewoͤhnlich vortrefflich. † Das Verloͤbniß der heiligen Catharina. ganz Zweiter Theil. F
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Pallaſt Colonna.
nen der Reue, und man ſieht, daß das Andenken ſei-
ner Fehltritte ſchwer auf ihm ruht. Nur im Munde
iſt etwas Gezogenes, das man wegwuͤnſcht. Seine
Stellung druͤckt vortrefflich den Zuſtand ſeiner Seele
aus, die ſich ganz dem Schmerze uͤberlaͤßt. Ob er
gleich beinahe ganz nackt iſt, ſo hat ihm der Mahler
doch einen Schnupftuch in die eine Hand gegeben,
um ſich die Thraͤnen abzutrocknen. Die andere
Hand uͤberlaͤßt er ſeinem Vater, auf deſſen Geſichte
man den Ausdruck des geruͤhrten Vaterherzens lieſt.
Liebkoſend ſucht er ihn zu troͤſten, und bedeckt zu
gleicher Zeit mit einem Mantel ſeine Bloͤße. Die
Zeichnung iſt ziemlich richtig, die Faͤrbung aus ſei-
ner beſten Zeit, und das Helldunkle wie gewoͤhnlich
vortrefflich.
† Das Verloͤbniß der heiligen Catharina.
Ein großes Gemaͤhlde vom Parmeggianino, um
ſo intereſſanter, weil es ſelten iſt, von dieſem Mei-
ſter Gemaͤhlde in dieſer Groͤße zu finden. Ausdruck
darf man hier nicht ſuchen, auch keine ſonderlich gute
Zuſammenſetzung. Waͤhrend, daß die heilige Ca-
tharina den Chriſt beim Kinn ergreift, um ihn zu
kuͤſſen, und ihr erhabener Gemahl die Hand auf ih-
ren Buſen legt, ſieht die Madonna nach einer andern
Seite. Von den umher ſtehenden Heiligen nimmt
keiner an der Handlung Theil, und einer von ihnen
kuͤßt ſogar — Wie werden unſere Critiker uͤber den
Anachroniſmus ſchreien! — das Crucifix. Uebri-
gens iſt die Anordnung und die Gruppirung gut.
Der Mahler hat den Koͤpfen und Stellungen das
Liebliche des Correggio zu geben geſucht, aber es iſt
zur Affektation geworden. Die Zeichnung iſt nicht
ganz
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