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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Der kleine Pallast Farnese.

Sobald er sich aber nach Raphaels Tode seiner
eigenen Willkühr überlassen sahe, ward er durch seine
brennende Einbildungskraft zu Ausschweifungen jeder
Art fortgerissen. Vielleicht darf man auch sagen,
daß er nur übertrieb, um dem Vorwurf, blos Kopist
zu seyn, zu entgehen. Denn häufig findet man
noch Diebstähle, die er an den Werken seines Vor-
gängers begangen hat. Er setzte sie aber auf eine
bisarre Art mit seinen eigenen nicht minder bisarren
Erfindungen zusammen. Daran, und an seinen
grämlichen Männerköpfen, an den Gelenken, die
mit Muskeln und Knörpeln überladen sind, an der
krebsrothen Fleischfarbe erkennt man ihn am leichte-
sten wieder. Seine Zeichnung ward nun incorrekt,
er fieng an, im Geschmack der Florentinischen Schule,
die Muskeln zu stark anzudeuten, und weil er gar
zu geschwind arbeitete, so ward die Behandlung ver-
nachläßigt.



Pallast
Der kleine Pallaſt Farneſe.

Sobald er ſich aber nach Raphaels Tode ſeiner
eigenen Willkuͤhr uͤberlaſſen ſahe, ward er durch ſeine
brennende Einbildungskraft zu Ausſchweifungen jeder
Art fortgeriſſen. Vielleicht darf man auch ſagen,
daß er nur uͤbertrieb, um dem Vorwurf, blos Kopiſt
zu ſeyn, zu entgehen. Denn haͤufig findet man
noch Diebſtaͤhle, die er an den Werken ſeines Vor-
gaͤngers begangen hat. Er ſetzte ſie aber auf eine
biſarre Art mit ſeinen eigenen nicht minder biſarren
Erfindungen zuſammen. Daran, und an ſeinen
graͤmlichen Maͤnnerkoͤpfen, an den Gelenken, die
mit Muskeln und Knoͤrpeln uͤberladen ſind, an der
krebsrothen Fleiſchfarbe erkennt man ihn am leichte-
ſten wieder. Seine Zeichnung ward nun incorrekt,
er fieng an, im Geſchmack der Florentiniſchen Schule,
die Muskeln zu ſtark anzudeuten, und weil er gar
zu geſchwind arbeitete, ſo ward die Behandlung ver-
nachlaͤßigt.



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[134/0158] Der kleine Pallaſt Farneſe. Sobald er ſich aber nach Raphaels Tode ſeiner eigenen Willkuͤhr uͤberlaſſen ſahe, ward er durch ſeine brennende Einbildungskraft zu Ausſchweifungen jeder Art fortgeriſſen. Vielleicht darf man auch ſagen, daß er nur uͤbertrieb, um dem Vorwurf, blos Kopiſt zu ſeyn, zu entgehen. Denn haͤufig findet man noch Diebſtaͤhle, die er an den Werken ſeines Vor- gaͤngers begangen hat. Er ſetzte ſie aber auf eine biſarre Art mit ſeinen eigenen nicht minder biſarren Erfindungen zuſammen. Daran, und an ſeinen graͤmlichen Maͤnnerkoͤpfen, an den Gelenken, die mit Muskeln und Knoͤrpeln uͤberladen ſind, an der krebsrothen Fleiſchfarbe erkennt man ihn am leichte- ſten wieder. Seine Zeichnung ward nun incorrekt, er fieng an, im Geſchmack der Florentiniſchen Schule, die Muskeln zu ſtark anzudeuten, und weil er gar zu geſchwind arbeitete, ſo ward die Behandlung ver- nachlaͤßigt. Pallaſt

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/158>, abgerufen am 21.11.2024.