Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Pallast
ten leisten kann, d. h. weniger als ihre Muster in ein-
zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zusammen-
stimmung derselben in einem Werke.

Das war noch nicht hinreichend. Die Forde-
rungen wurden immer größer. Die Franzosen und
Engelländer bemeisterten sich der Kunst. Diese Na-
tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol-
len, legten dem Künstler eine vollkommene Kenntniß
der Geschichte, der Fabel, u. s. w. auf. Nun soll er
ihren Witz beschäfftigen, sie auf philosophische Betrach-
tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles
leisten. Will er sein Glück machen, er muß ein
Mann von Welt seyn, seine artliche Manieren ha-
ben, über die Kunst poetisch philosophisch schwatzen
können, und das in mehreren Sprachen.

Wie unendlich hat sich also der Umfang von For-
derungen vermehrt, die man seit Raphaels, Correg-
gio's und Tizians Zeiten an den Künstler macht!
Kaum weiß er, womit er unter so vielen Beschäffti-
gungen den Anfang machen soll. Bald zeichnet er,
bald lernt er tanzen, bald studirt er die Aesthetik, bald
nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhält
von Allem eine superficielle Kenntniß, und kommt im-
mer von seinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.

Dies sind, wie ich glaube, die Hauptgründe, war-
um wir gegenwärtig so viel weniger große Künstler
zählen als sonst. Einmal, weil wahrscheinlich nicht
so viele Menschen mit so bestimmten Fähigkeiten zur
Kunst gebohren werden, als sonst: Zweitens, weil
diese Fähigkeiten durch die verminderte Liebhaberei
eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens,
weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die

abschre-

Pallaſt
ten leiſten kann, d. h. weniger als ihre Muſter in ein-
zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zuſammen-
ſtimmung derſelben in einem Werke.

Das war noch nicht hinreichend. Die Forde-
rungen wurden immer groͤßer. Die Franzoſen und
Engellaͤnder bemeiſterten ſich der Kunſt. Dieſe Na-
tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol-
len, legten dem Kuͤnſtler eine vollkommene Kenntniß
der Geſchichte, der Fabel, u. ſ. w. auf. Nun ſoll er
ihren Witz beſchaͤfftigen, ſie auf philoſophiſche Betrach-
tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles
leiſten. Will er ſein Gluͤck machen, er muß ein
Mann von Welt ſeyn, ſeine artliche Manieren ha-
ben, uͤber die Kunſt poetiſch philoſophiſch ſchwatzen
koͤnnen, und das in mehreren Sprachen.

Wie unendlich hat ſich alſo der Umfang von For-
derungen vermehrt, die man ſeit Raphaels, Correg-
gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnſtler macht!
Kaum weiß er, womit er unter ſo vielen Beſchaͤffti-
gungen den Anfang machen ſoll. Bald zeichnet er,
bald lernt er tanzen, bald ſtudirt er die Aeſthetik, bald
nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt
von Allem eine ſuperficielle Kenntniß, und kommt im-
mer von ſeinem Hauptzwecke mehr und mehr ab.

Dies ſind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war-
um wir gegenwaͤrtig ſo viel weniger große Kuͤnſtler
zaͤhlen als ſonſt. Einmal, weil wahrſcheinlich nicht
ſo viele Menſchen mit ſo beſtimmten Faͤhigkeiten zur
Kunſt gebohren werden, als ſonſt: Zweitens, weil
dieſe Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei
eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens,
weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die

abſchre-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Palla&#x017F;t</hi></fw><lb/>
ten lei&#x017F;ten kann, d. h. weniger als ihre Mu&#x017F;ter in ein-<lb/>
zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;timmung der&#x017F;elben in einem Werke.</p><lb/>
        <p>Das war noch nicht hinreichend. Die Forde-<lb/>
rungen wurden immer gro&#x0364;ßer. Die Franzo&#x017F;en und<lb/>
Engella&#x0364;nder bemei&#x017F;terten &#x017F;ich der Kun&#x017F;t. Die&#x017F;e Na-<lb/>
tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol-<lb/>
len, legten dem Ku&#x0364;n&#x017F;tler eine vollkommene Kenntniß<lb/>
der Ge&#x017F;chichte, der Fabel, u. &#x017F;. w. auf. Nun &#x017F;oll er<lb/>
ihren Witz be&#x017F;cha&#x0364;fftigen, &#x017F;ie auf philo&#x017F;ophi&#x017F;che Betrach-<lb/>
tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles<lb/>
lei&#x017F;ten. Will er &#x017F;ein Glu&#x0364;ck machen, er muß ein<lb/>
Mann von Welt &#x017F;eyn, &#x017F;eine artliche Manieren ha-<lb/>
ben, u&#x0364;ber die Kun&#x017F;t poeti&#x017F;ch philo&#x017F;ophi&#x017F;ch &#x017F;chwatzen<lb/>
ko&#x0364;nnen, und das in mehreren Sprachen.</p><lb/>
        <p>Wie unendlich hat &#x017F;ich al&#x017F;o der Umfang von For-<lb/>
derungen vermehrt, die man &#x017F;eit Raphaels, Correg-<lb/>
gio&#x2019;s und Tizians Zeiten an den Ku&#x0364;n&#x017F;tler macht!<lb/>
Kaum weiß er, womit er unter &#x017F;o vielen Be&#x017F;cha&#x0364;ffti-<lb/>
gungen den Anfang machen &#x017F;oll. Bald zeichnet er,<lb/>
bald lernt er tanzen, bald &#x017F;tudirt er die Ae&#x017F;thetik, bald<lb/>
nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erha&#x0364;lt<lb/>
von Allem eine &#x017F;uperficielle Kenntniß, und kommt im-<lb/>
mer von &#x017F;einem Hauptzwecke mehr und mehr ab.</p><lb/>
        <p>Dies &#x017F;ind, wie ich glaube, die Hauptgru&#x0364;nde, war-<lb/>
um wir gegenwa&#x0364;rtig &#x017F;o viel weniger große Ku&#x0364;n&#x017F;tler<lb/>
za&#x0364;hlen als &#x017F;on&#x017F;t. Einmal, weil wahr&#x017F;cheinlich nicht<lb/>
&#x017F;o viele Men&#x017F;chen mit &#x017F;o be&#x017F;timmten Fa&#x0364;higkeiten zur<lb/>
Kun&#x017F;t gebohren werden, als &#x017F;on&#x017F;t: Zweitens, weil<lb/>
die&#x017F;e Fa&#x0364;higkeiten durch die verminderte Liebhaberei<lb/>
eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens,<lb/>
weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ab&#x017F;chre-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0166] Pallaſt ten leiſten kann, d. h. weniger als ihre Muſter in ein- zelnen Theilen, und mehr als jene in der Zuſammen- ſtimmung derſelben in einem Werke. Das war noch nicht hinreichend. Die Forde- rungen wurden immer groͤßer. Die Franzoſen und Engellaͤnder bemeiſterten ſich der Kunſt. Dieſe Na- tionen, die immer noch mehr denken als empfinden wol- len, legten dem Kuͤnſtler eine vollkommene Kenntniß der Geſchichte, der Fabel, u. ſ. w. auf. Nun ſoll er ihren Witz beſchaͤfftigen, ſie auf philoſophiſche Betrach- tungen leiten, und der Himmel weiß! was nicht alles leiſten. Will er ſein Gluͤck machen, er muß ein Mann von Welt ſeyn, ſeine artliche Manieren ha- ben, uͤber die Kunſt poetiſch philoſophiſch ſchwatzen koͤnnen, und das in mehreren Sprachen. Wie unendlich hat ſich alſo der Umfang von For- derungen vermehrt, die man ſeit Raphaels, Correg- gio’s und Tizians Zeiten an den Kuͤnſtler macht! Kaum weiß er, womit er unter ſo vielen Beſchaͤffti- gungen den Anfang machen ſoll. Bald zeichnet er, bald lernt er tanzen, bald ſtudirt er die Aeſthetik, bald nimmt er Unterricht in fremden Sprachen; erhaͤlt von Allem eine ſuperficielle Kenntniß, und kommt im- mer von ſeinem Hauptzwecke mehr und mehr ab. Dies ſind, wie ich glaube, die Hauptgruͤnde, war- um wir gegenwaͤrtig ſo viel weniger große Kuͤnſtler zaͤhlen als ſonſt. Einmal, weil wahrſcheinlich nicht ſo viele Menſchen mit ſo beſtimmten Faͤhigkeiten zur Kunſt gebohren werden, als ſonſt: Zweitens, weil dieſe Faͤhigkeiten durch die verminderte Liebhaberei eine andere Richtung bekommen haben; und Drittens, weil die Schwierigkeiten zur Ausbildung durch die abſchre-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/166
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/166>, abgerufen am 24.11.2024.