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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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über die einzelnen Kirchen.
Schönheit der Form zu willkührlich und schwerfällig.
An der Behandlung des Marmors ist die Kunst, mit
der die vordersten Figuren von dem Grunde abgelöset
sind, zu bewundern.

Ich habe von Mengs gesagt, daß ein vortreff-Charakter
des Algardi.

licher Bildhauer an ihm verloren gegangen sey, ich
möchte vom Algardi sagen, es sey Schade, daß er
kein Mahler geworden. Er war der Annibale Car-
raccio unter den Bildhauern: Ein großer Freund der
Bestimmtheit und der Treue, und ein noch größerer
von mahlerischer Würkung. Idee von Schönheit
war ihm fremd: daher wählte er nicht immer edle Ge-
stalten und opferte das Gewand dem Nackenden nicht
genung auf. Er legte jenes in willkührliche Falten,
die zwar das Licht gut auffangen, denen man aber
das Willkührliche, das Studirte zu sehr anmerkt.
Den Ausdruck der Minen übertrieb er, ordnete die
Stellungen nach der Regel des Contraposto, und
dachte sich überhaupt das Werk aus rundem Stein
als ein flaches Gemählde. Seine Verhältnisse sind
richtig, aber nicht von swelten Figuren genommen.
Ich erinnere mich nicht sehr schöne weibliche Figuren
von ihm gesehen zu haben: aber desto mehr Kinder
von treuer aber gewöhnlicher Natur, Crucifixe und
alte Köpfe. Seine Behandlung war fertig, aber
nicht so weich und besorgt als die des Michael Angelo,
Fiamingo und Bernini. Er lebte von 1598--1654.
Er ist der Held des neueren Kirchenstils: die Mei-
ster, die sich darin ausgezeichnet haben, haben vom
Bernini nur den Zusatz einer weichern Behandlung
entlehnt.

Grab-
Dritter Theil. Q

uͤber die einzelnen Kirchen.
Schoͤnheit der Form zu willkuͤhrlich und ſchwerfaͤllig.
An der Behandlung des Marmors iſt die Kunſt, mit
der die vorderſten Figuren von dem Grunde abgeloͤſet
ſind, zu bewundern.

Ich habe von Mengs geſagt, daß ein vortreff-Charakter
des Algardi.

licher Bildhauer an ihm verloren gegangen ſey, ich
moͤchte vom Algardi ſagen, es ſey Schade, daß er
kein Mahler geworden. Er war der Annibale Car-
raccio unter den Bildhauern: Ein großer Freund der
Beſtimmtheit und der Treue, und ein noch groͤßerer
von mahleriſcher Wuͤrkung. Idee von Schoͤnheit
war ihm fremd: daher waͤhlte er nicht immer edle Ge-
ſtalten und opferte das Gewand dem Nackenden nicht
genung auf. Er legte jenes in willkuͤhrliche Falten,
die zwar das Licht gut auffangen, denen man aber
das Willkuͤhrliche, das Studirte zu ſehr anmerkt.
Den Ausdruck der Minen uͤbertrieb er, ordnete die
Stellungen nach der Regel des Contrapoſto, und
dachte ſich uͤberhaupt das Werk aus rundem Stein
als ein flaches Gemaͤhlde. Seine Verhaͤltniſſe ſind
richtig, aber nicht von ſwelten Figuren genommen.
Ich erinnere mich nicht ſehr ſchoͤne weibliche Figuren
von ihm geſehen zu haben: aber deſto mehr Kinder
von treuer aber gewoͤhnlicher Natur, Crucifixe und
alte Koͤpfe. Seine Behandlung war fertig, aber
nicht ſo weich und beſorgt als die des Michael Angelo,
Fiamingo und Bernini. Er lebte von 1598—1654.
Er iſt der Held des neueren Kirchenſtils: die Mei-
ſter, die ſich darin ausgezeichnet haben, haben vom
Bernini nur den Zuſatz einer weichern Behandlung
entlehnt.

Grab-
Dritter Theil. Q
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[241/0265] uͤber die einzelnen Kirchen. Schoͤnheit der Form zu willkuͤhrlich und ſchwerfaͤllig. An der Behandlung des Marmors iſt die Kunſt, mit der die vorderſten Figuren von dem Grunde abgeloͤſet ſind, zu bewundern. Ich habe von Mengs geſagt, daß ein vortreff- licher Bildhauer an ihm verloren gegangen ſey, ich moͤchte vom Algardi ſagen, es ſey Schade, daß er kein Mahler geworden. Er war der Annibale Car- raccio unter den Bildhauern: Ein großer Freund der Beſtimmtheit und der Treue, und ein noch groͤßerer von mahleriſcher Wuͤrkung. Idee von Schoͤnheit war ihm fremd: daher waͤhlte er nicht immer edle Ge- ſtalten und opferte das Gewand dem Nackenden nicht genung auf. Er legte jenes in willkuͤhrliche Falten, die zwar das Licht gut auffangen, denen man aber das Willkuͤhrliche, das Studirte zu ſehr anmerkt. Den Ausdruck der Minen uͤbertrieb er, ordnete die Stellungen nach der Regel des Contrapoſto, und dachte ſich uͤberhaupt das Werk aus rundem Stein als ein flaches Gemaͤhlde. Seine Verhaͤltniſſe ſind richtig, aber nicht von ſwelten Figuren genommen. Ich erinnere mich nicht ſehr ſchoͤne weibliche Figuren von ihm geſehen zu haben: aber deſto mehr Kinder von treuer aber gewoͤhnlicher Natur, Crucifixe und alte Koͤpfe. Seine Behandlung war fertig, aber nicht ſo weich und beſorgt als die des Michael Angelo, Fiamingo und Bernini. Er lebte von 1598—1654. Er iſt der Held des neueren Kirchenſtils: die Mei- ſter, die ſich darin ausgezeichnet haben, haben vom Bernini nur den Zuſatz einer weichern Behandlung entlehnt. Charakter des Algardi. Grab- Dritter Theil. Q

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/265>, abgerufen am 22.11.2024.