Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.Anmerkungen dem Gemählde des Domenichino ist er ein bloßerSterbender, der kaum so viel Kräfte übrig hat, sich zu dieser heiligen Handlung von den Umstehenden schleppen zu lassen. Aber dies abgerechnet, hat auch das Gemählde Ich habe das Originalgemählde des Agostino in Hingegen besteht das Gemählde des Domeni- Die 45) Ich rechne jedoch die Alte, welche dem Heiligen
die Hand küßt, ab. Diese Episode ist für die feier- liche Handlung störend; aber eine glückliche Um- schmelzung der Idee des Löwen, der in dem Bilde des Agostino seinem Begleiter die Füße leckt. Anmerkungen dem Gemaͤhlde des Domenichino iſt er ein bloßerSterbender, der kaum ſo viel Kraͤfte uͤbrig hat, ſich zu dieſer heiligen Handlung von den Umſtehenden ſchleppen zu laſſen. Aber dies abgerechnet, hat auch das Gemaͤhlde Ich habe das Originalgemaͤhlde des Agoſtino in Hingegen beſteht das Gemaͤhlde des Domeni- Die 45) Ich rechne jedoch die Alte, welche dem Heiligen
die Hand kuͤßt, ab. Dieſe Epiſode iſt fuͤr die feier- liche Handlung ſtoͤrend; aber eine gluͤckliche Um- ſchmelzung der Idee des Loͤwen, der in dem Bilde des Agoſtino ſeinem Begleiter die Fuͤße leckt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0308" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Anmerkungen</hi></fw><lb/> dem Gemaͤhlde des Domenichino iſt er ein bloßer<lb/> Sterbender, der kaum ſo viel Kraͤfte uͤbrig hat, ſich<lb/> zu dieſer heiligen Handlung von den Umſtehenden<lb/> ſchleppen zu laſſen.</p><lb/> <p>Aber dies abgerechnet, hat auch das Gemaͤhlde<lb/> des Domenichino in allen uͤbrigen Theilen der Mah-<lb/> lerei den augenſcheinlichſten Vorzug vor dem Vorbilde,<lb/> und man kann ſagen, daß ihm dieſes nicht mehr<lb/> Dienſte geleiſtet habe, als ein ſchlechtes antikes Bas-<lb/> relief dem Raphael, wenn dieſes durch die ſchwache<lb/> Andeutung eines guten Gedankens der Keim zu der<lb/> ſchoͤnſten Darſtellung wurde.</p><lb/> <p>Ich habe das Originalgemaͤhlde des Agoſtino in<lb/> Bologna geſehen. Die Compoſition iſt mit Figuren<lb/> uͤberladen, von denen mehrere nicht den geringſten<lb/> Antheil an der Handlung nehmen. Die Vertheilung<lb/> der Figuren iſt ſehr unordentlich. Der Ausdruck iſt<lb/> wahre Carricatur, das Helldunkle fehlt gaͤnzlich, und<lb/> die Farbe iſt ſehr finſter.</p><lb/> <p>Hingegen beſteht das Gemaͤhlde des Domeni-<lb/> chino aus wenigeren Figuren, die vortrefflich ange-<lb/> ordnet ſind. Dieſe haben einen aͤußerſt wahren Aus-<lb/> druck, durch den ſie einen gut motivirten Antheil an<lb/> der Haupthandlung nehmen. <note place="foot" n="45)">Ich rechne jedoch die Alte, welche dem Heiligen<lb/> die Hand kuͤßt, ab. Dieſe Epiſode iſt fuͤr die feier-<lb/> liche Handlung ſtoͤrend; aber eine gluͤckliche Um-<lb/> ſchmelzung der Idee des Loͤwen, der in dem Bilde<lb/> des Agoſtino ſeinem Begleiter die Fuͤße leckt.</note> Die Stellungen,<lb/> vorzuͤglich die des jungen Mannes auf dem Vorgrun-<lb/> de, ſind ſehr reizend.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [284/0308]
Anmerkungen
dem Gemaͤhlde des Domenichino iſt er ein bloßer
Sterbender, der kaum ſo viel Kraͤfte uͤbrig hat, ſich
zu dieſer heiligen Handlung von den Umſtehenden
ſchleppen zu laſſen.
Aber dies abgerechnet, hat auch das Gemaͤhlde
des Domenichino in allen uͤbrigen Theilen der Mah-
lerei den augenſcheinlichſten Vorzug vor dem Vorbilde,
und man kann ſagen, daß ihm dieſes nicht mehr
Dienſte geleiſtet habe, als ein ſchlechtes antikes Bas-
relief dem Raphael, wenn dieſes durch die ſchwache
Andeutung eines guten Gedankens der Keim zu der
ſchoͤnſten Darſtellung wurde.
Ich habe das Originalgemaͤhlde des Agoſtino in
Bologna geſehen. Die Compoſition iſt mit Figuren
uͤberladen, von denen mehrere nicht den geringſten
Antheil an der Handlung nehmen. Die Vertheilung
der Figuren iſt ſehr unordentlich. Der Ausdruck iſt
wahre Carricatur, das Helldunkle fehlt gaͤnzlich, und
die Farbe iſt ſehr finſter.
Hingegen beſteht das Gemaͤhlde des Domeni-
chino aus wenigeren Figuren, die vortrefflich ange-
ordnet ſind. Dieſe haben einen aͤußerſt wahren Aus-
druck, durch den ſie einen gut motivirten Antheil an
der Haupthandlung nehmen. 45) Die Stellungen,
vorzuͤglich die des jungen Mannes auf dem Vorgrun-
de, ſind ſehr reizend.
Die
45) Ich rechne jedoch die Alte, welche dem Heiligen
die Hand kuͤßt, ab. Dieſe Epiſode iſt fuͤr die feier-
liche Handlung ſtoͤrend; aber eine gluͤckliche Um-
ſchmelzung der Idee des Loͤwen, der in dem Bilde
des Agoſtino ſeinem Begleiter die Fuͤße leckt.
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