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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.

Doch man wird die eigentliche beschreibende
Mahlerei, von der dramatischen absondern, sich blos
auf historische Compositionen einschränken, und von
diesen erwarten wollen, daß sie nur dem moralischen
Gefühle, dem Erkenntnißvermögen, der Erinnerung
an mehr intellektuale Schönheiten, interessante Ge-
genstände darstellen sollen.

Aber selbst in Ansehung dieser, darf man sich
billigere Grundsätze versprechen, wenn man erwägt:
Einmal, daß die bildenden Künste selbst dann, wann
sie nicht unmittelbar durch jedes einzelne Werk bes-
sern, aufklären, an intellektuelle Schönheiten sinn-
lich erinnern, dennoch im Ganzen für Bildung des
Geistes und des Herzens von dem wichtigsten Ein-
flusse sind.

Zweitens: daß die Rücksicht auf unmittelbaren
Nutzen, ein Wort, welches hier die Verstärkung
eines vorher empfundenen Vergnügens anderer Art
mit umfaßt, in den bildenden Künsten zu Irrthü-
mern verführe, welche für unser gegenwärtiges Ver-
gnügen an dem sichtbar Angenehmen äußerst gefähr-
lich werden können.

Das Urtheil über das sichtbar Vollkommene,Die bilden-
den Künste
klären den
Verstand
auf, stärken
ihn, bessern
das Herz,
unterstützen
den Eindruck
des unsicht-

über Wahrheit des Ausdrucks, über mahlerische
Würkung, über das Verdienst der mechanischen
Behandlung, mit einem Worte: der Geschmack in
den bildenden Künsten, hängt von der Wahrneh-
mung so feiner Verhältnisse ab, daß der Mann, der
sich anhaltend darin übt, den Einfluß der hierbei er-
langten Fertigkeit nothwendig in alle den Lagen erfah-
ren muß, worin das Verhalten, die Entscheidung,

nicht
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Pallaſt Giuſtiniani.

Doch man wird die eigentliche beſchreibende
Mahlerei, von der dramatiſchen abſondern, ſich blos
auf hiſtoriſche Compoſitionen einſchraͤnken, und von
dieſen erwarten wollen, daß ſie nur dem moraliſchen
Gefuͤhle, dem Erkenntnißvermoͤgen, der Erinnerung
an mehr intellektuale Schoͤnheiten, intereſſante Ge-
genſtaͤnde darſtellen ſollen.

Aber ſelbſt in Anſehung dieſer, darf man ſich
billigere Grundſaͤtze verſprechen, wenn man erwaͤgt:
Einmal, daß die bildenden Kuͤnſte ſelbſt dann, wann
ſie nicht unmittelbar durch jedes einzelne Werk beſ-
ſern, aufklaͤren, an intellektuelle Schoͤnheiten ſinn-
lich erinnern, dennoch im Ganzen fuͤr Bildung des
Geiſtes und des Herzens von dem wichtigſten Ein-
fluſſe ſind.

Zweitens: daß die Ruͤckſicht auf unmittelbaren
Nutzen, ein Wort, welches hier die Verſtaͤrkung
eines vorher empfundenen Vergnuͤgens anderer Art
mit umfaßt, in den bildenden Kuͤnſten zu Irrthuͤ-
mern verfuͤhre, welche fuͤr unſer gegenwaͤrtiges Ver-
gnuͤgen an dem ſichtbar Angenehmen aͤußerſt gefaͤhr-
lich werden koͤnnen.

Das Urtheil uͤber das ſichtbar Vollkommene,Die bilden-
den Kuͤnſte
klaͤren den
Verſtand
auf, ſtaͤrken
ihn, beſſern
das Herz,
unterſtuͤtzen
den Eindruck
des unſicht-

uͤber Wahrheit des Ausdrucks, uͤber mahleriſche
Wuͤrkung, uͤber das Verdienſt der mechaniſchen
Behandlung, mit einem Worte: der Geſchmack in
den bildenden Kuͤnſten, haͤngt von der Wahrneh-
mung ſo feiner Verhaͤltniſſe ab, daß der Mann, der
ſich anhaltend darin uͤbt, den Einfluß der hierbei er-
langten Fertigkeit nothwendig in alle den Lagen erfah-
ren muß, worin das Verhalten, die Entſcheidung,

nicht
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[7/0031] Pallaſt Giuſtiniani. Doch man wird die eigentliche beſchreibende Mahlerei, von der dramatiſchen abſondern, ſich blos auf hiſtoriſche Compoſitionen einſchraͤnken, und von dieſen erwarten wollen, daß ſie nur dem moraliſchen Gefuͤhle, dem Erkenntnißvermoͤgen, der Erinnerung an mehr intellektuale Schoͤnheiten, intereſſante Ge- genſtaͤnde darſtellen ſollen. Aber ſelbſt in Anſehung dieſer, darf man ſich billigere Grundſaͤtze verſprechen, wenn man erwaͤgt: Einmal, daß die bildenden Kuͤnſte ſelbſt dann, wann ſie nicht unmittelbar durch jedes einzelne Werk beſ- ſern, aufklaͤren, an intellektuelle Schoͤnheiten ſinn- lich erinnern, dennoch im Ganzen fuͤr Bildung des Geiſtes und des Herzens von dem wichtigſten Ein- fluſſe ſind. Zweitens: daß die Ruͤckſicht auf unmittelbaren Nutzen, ein Wort, welches hier die Verſtaͤrkung eines vorher empfundenen Vergnuͤgens anderer Art mit umfaßt, in den bildenden Kuͤnſten zu Irrthuͤ- mern verfuͤhre, welche fuͤr unſer gegenwaͤrtiges Ver- gnuͤgen an dem ſichtbar Angenehmen aͤußerſt gefaͤhr- lich werden koͤnnen. Das Urtheil uͤber das ſichtbar Vollkommene, uͤber Wahrheit des Ausdrucks, uͤber mahleriſche Wuͤrkung, uͤber das Verdienſt der mechaniſchen Behandlung, mit einem Worte: der Geſchmack in den bildenden Kuͤnſten, haͤngt von der Wahrneh- mung ſo feiner Verhaͤltniſſe ab, daß der Mann, der ſich anhaltend darin uͤbt, den Einfluß der hierbei er- langten Fertigkeit nothwendig in alle den Lagen erfah- ren muß, worin das Verhalten, die Entſcheidung, nicht Die bilden- den Kuͤnſte klaͤren den Verſtand auf, ſtaͤrken ihn, beſſern das Herz, unterſtuͤtzen den Eindruck des unſicht- A 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/31>, abgerufen am 21.11.2024.