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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
ist nicht ohne Verdienst, inzwischen hat die poetische
Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe
des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod
aus den Händen eines nackten Mannes empfängt,
unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt
nicht für Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann
zum Muster dienen. Der Ausdruck in dem Kaiser
ist zu affektirt. Die Gruppe der Priester ist das
Beste im Bilde: Man sieht darunter gute Köpfe.
Die Zeichnung ist ohne auffallende Fehler, die Fär-
bung schlecht, und das Helldunkle besser gedacht als
ausgeführt.

Die Auferweckung des Lazarus von Co-
stanzi.
Die Anordnung ist gut, der Ton der
Färbung, obgleich harmonisch, fällt zu sehr ins
Schwarze.

Die Marter
des heiligen
Sebastians
von Dome-
nichino.

+ Die Marter des heiligen Sebastians
von Domenichino. Weder die poetische Erfin-
dung noch die mahlerische Anordnung verdienen ein
besonderes Lob. Die Menge der hier vorgestellten
Figuren ist dergestalt auf einander gehäuft, daß das
Auge Mühe hat, sie aus einander zu sondern. Die
Episode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus
einander treibt, schadet der Einheit der Handlung,
weil sie die Aufmerksamkeit zu sehr an sich zieht, und
den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns
machen sollte, auf keine Weise unterstützt. Man
muß die Figuren einzeln sehen, um sich von ihrer
Schönheit zu überzeugen: Jede sagt das, was sie
sagen soll. Man sieht vortreffliche Köpfe; bei dem
des Heiligen scheint der Mahler den Laocoon vor Au-
gen gehabt zu haben. Der Körper ist nicht so edel

Die

Anmerkungen
iſt nicht ohne Verdienſt, inzwiſchen hat die poetiſche
Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe
des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod
aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt,
unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt
nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann
zum Muſter dienen. Der Ausdruck in dem Kaiſer
iſt zu affektirt. Die Gruppe der Prieſter iſt das
Beſte im Bilde: Man ſieht darunter gute Koͤpfe.
Die Zeichnung iſt ohne auffallende Fehler, die Faͤr-
bung ſchlecht, und das Helldunkle beſſer gedacht als
ausgefuͤhrt.

Die Auferweckung des Lazarus von Co-
ſtanzi.
Die Anordnung iſt gut, der Ton der
Faͤrbung, obgleich harmoniſch, faͤllt zu ſehr ins
Schwarze.

Die Marter
des heiligen
Sebaſtians
von Dome-
nichino.

Die Marter des heiligen Sebaſtians
von Domenichino. Weder die poetiſche Erfin-
dung noch die mahleriſche Anordnung verdienen ein
beſonderes Lob. Die Menge der hier vorgeſtellten
Figuren iſt dergeſtalt auf einander gehaͤuft, daß das
Auge Muͤhe hat, ſie aus einander zu ſondern. Die
Epiſode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus
einander treibt, ſchadet der Einheit der Handlung,
weil ſie die Aufmerkſamkeit zu ſehr an ſich zieht, und
den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns
machen ſollte, auf keine Weiſe unterſtuͤtzt. Man
muß die Figuren einzeln ſehen, um ſich von ihrer
Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede ſagt das, was ſie
ſagen ſoll. Man ſieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem
des Heiligen ſcheint der Mahler den Laocoon vor Au-
gen gehabt zu haben. Der Koͤrper iſt nicht ſo edel

Die
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[298/0322] Anmerkungen iſt nicht ohne Verdienſt, inzwiſchen hat die poetiſche Erfindung allerdings große Fehler. Die Gruppe des Knaben, der auf dem Vordergrunde das Brod aus den Haͤnden eines nackten Mannes empfaͤngt, unterbricht die Einheit der Handlung, und paßt nicht fuͤr Zeit und Ort. Die Anordnung aber kann zum Muſter dienen. Der Ausdruck in dem Kaiſer iſt zu affektirt. Die Gruppe der Prieſter iſt das Beſte im Bilde: Man ſieht darunter gute Koͤpfe. Die Zeichnung iſt ohne auffallende Fehler, die Faͤr- bung ſchlecht, und das Helldunkle beſſer gedacht als ausgefuͤhrt. Die Auferweckung des Lazarus von Co- ſtanzi. Die Anordnung iſt gut, der Ton der Faͤrbung, obgleich harmoniſch, faͤllt zu ſehr ins Schwarze. † Die Marter des heiligen Sebaſtians von Domenichino. Weder die poetiſche Erfin- dung noch die mahleriſche Anordnung verdienen ein beſonderes Lob. Die Menge der hier vorgeſtellten Figuren iſt dergeſtalt auf einander gehaͤuft, daß das Auge Muͤhe hat, ſie aus einander zu ſondern. Die Epiſode des Soldaten zu Pferde, der das Volk aus einander treibt, ſchadet der Einheit der Handlung, weil ſie die Aufmerkſamkeit zu ſehr an ſich zieht, und den Eindruck, den die Lage der Hauptfigur auf uns machen ſollte, auf keine Weiſe unterſtuͤtzt. Man muß die Figuren einzeln ſehen, um ſich von ihrer Schoͤnheit zu uͤberzeugen: Jede ſagt das, was ſie ſagen ſoll. Man ſieht vortreffliche Koͤpfe; bei dem des Heiligen ſcheint der Mahler den Laocoon vor Au- gen gehabt zu haben. Der Koͤrper iſt nicht ſo edel Die

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/322>, abgerufen am 21.11.2024.