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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Anmerkungen
dem linken Fuße immer noch eine unnatürliche Stel-
lung vor. Der Wurf des Gewandes ist gut gedacht,
so auch der Faltenschlag. Die Uebergänge aus einer
Falte in die andere dürfte man in der Ausführung
weicher wünschen.

Man kann den Werth dieser Statue nicht besser
beurtheilen, als wenn man den Gipsabdruck der-
selben auf der Französischen Academie mit dem der
heil. Bibiena vom Bernini, der ihr dort gegen über
steht, vergleicht. Man wird alsdann finden, daß
Fiammingo's Werk vielleicht nur darum einen so
großen Vorzug vor dem Werk seines Nebenbuhlers
erhält, weil er sich weniger von dem Stile der Antike
entfernt hat. Der Ausdruck ist der einer sanften,
gottesfürchtigen Seele voll sittsamen Reizes, und
stiller Tugend. Die Hand, mit der sie auf den Altar
zeigt, dürfte ein wenig zu groß und zu steif seyn. In
der andern hält sie einen Palmzweig.

Sie steht nicht in der Nische über der Thüre,
wie Hr. Volkmann sagt, sondern in einer Nische dem
Altare zur Seite.

Einige Be-
merkungen
über den Stil
des Fiam-
mingo.

Franßois Quesnoy, genannt Fiammingo, lebte
von 1594 bis 1648. Er verdient mit Recht den
Nahmen des größten Bildhauers neuerer Zeiten. Er
hat mehr als alle andere im Stil der Antike gedacht, und
er würde vielleicht seinen Mustern noch näher gekom-
men seyn, wenn der zu seiner Zeit herrschende Kir-
chenstil ihn nicht wider seinen Willen davon zurückge-
halten hätte. In Kindern hatte er seine größte
Stärke: Er bildete sie mit der anschmiegenden Lieb-
lichkeit die ihrem Alter eigen ist. Der Kopf seiner
Susanna zeigt gefällige Unbefangenheit, sanfte Zu-

vor-

Anmerkungen
dem linken Fuße immer noch eine unnatuͤrliche Stel-
lung vor. Der Wurf des Gewandes iſt gut gedacht,
ſo auch der Faltenſchlag. Die Uebergaͤnge aus einer
Falte in die andere duͤrfte man in der Ausfuͤhrung
weicher wuͤnſchen.

Man kann den Werth dieſer Statue nicht beſſer
beurtheilen, als wenn man den Gipsabdruck der-
ſelben auf der Franzoͤſiſchen Academie mit dem der
heil. Bibiena vom Bernini, der ihr dort gegen uͤber
ſteht, vergleicht. Man wird alsdann finden, daß
Fiammingo’s Werk vielleicht nur darum einen ſo
großen Vorzug vor dem Werk ſeines Nebenbuhlers
erhaͤlt, weil er ſich weniger von dem Stile der Antike
entfernt hat. Der Ausdruck iſt der einer ſanften,
gottesfuͤrchtigen Seele voll ſittſamen Reizes, und
ſtiller Tugend. Die Hand, mit der ſie auf den Altar
zeigt, duͤrfte ein wenig zu groß und zu ſteif ſeyn. In
der andern haͤlt ſie einen Palmzweig.

Sie ſteht nicht in der Niſche uͤber der Thuͤre,
wie Hr. Volkmann ſagt, ſondern in einer Niſche dem
Altare zur Seite.

Einige Be-
merkungen
uͤber den Stil
des Fiam-
mingo.

Franßois Queſnoy, genannt Fiammingo, lebte
von 1594 bis 1648. Er verdient mit Recht den
Nahmen des groͤßten Bildhauers neuerer Zeiten. Er
hat mehr als alle andere im Stil der Antike gedacht, und
er wuͤrde vielleicht ſeinen Muſtern noch naͤher gekom-
men ſeyn, wenn der zu ſeiner Zeit herrſchende Kir-
chenſtil ihn nicht wider ſeinen Willen davon zuruͤckge-
halten haͤtte. In Kindern hatte er ſeine groͤßte
Staͤrke: Er bildete ſie mit der anſchmiegenden Lieb-
lichkeit die ihrem Alter eigen iſt. Der Kopf ſeiner
Suſanna zeigt gefaͤllige Unbefangenheit, ſanfte Zu-

vor-
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[302/0326] Anmerkungen dem linken Fuße immer noch eine unnatuͤrliche Stel- lung vor. Der Wurf des Gewandes iſt gut gedacht, ſo auch der Faltenſchlag. Die Uebergaͤnge aus einer Falte in die andere duͤrfte man in der Ausfuͤhrung weicher wuͤnſchen. Man kann den Werth dieſer Statue nicht beſſer beurtheilen, als wenn man den Gipsabdruck der- ſelben auf der Franzoͤſiſchen Academie mit dem der heil. Bibiena vom Bernini, der ihr dort gegen uͤber ſteht, vergleicht. Man wird alsdann finden, daß Fiammingo’s Werk vielleicht nur darum einen ſo großen Vorzug vor dem Werk ſeines Nebenbuhlers erhaͤlt, weil er ſich weniger von dem Stile der Antike entfernt hat. Der Ausdruck iſt der einer ſanften, gottesfuͤrchtigen Seele voll ſittſamen Reizes, und ſtiller Tugend. Die Hand, mit der ſie auf den Altar zeigt, duͤrfte ein wenig zu groß und zu ſteif ſeyn. In der andern haͤlt ſie einen Palmzweig. Sie ſteht nicht in der Niſche uͤber der Thuͤre, wie Hr. Volkmann ſagt, ſondern in einer Niſche dem Altare zur Seite. Franßois Queſnoy, genannt Fiammingo, lebte von 1594 bis 1648. Er verdient mit Recht den Nahmen des groͤßten Bildhauers neuerer Zeiten. Er hat mehr als alle andere im Stil der Antike gedacht, und er wuͤrde vielleicht ſeinen Muſtern noch naͤher gekom- men ſeyn, wenn der zu ſeiner Zeit herrſchende Kir- chenſtil ihn nicht wider ſeinen Willen davon zuruͤckge- halten haͤtte. In Kindern hatte er ſeine groͤßte Staͤrke: Er bildete ſie mit der anſchmiegenden Lieb- lichkeit die ihrem Alter eigen iſt. Der Kopf ſeiner Suſanna zeigt gefaͤllige Unbefangenheit, ſanfte Zu- vor-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/326>, abgerufen am 22.11.2024.