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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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Pallast Giustiniani.
Teniers Bauerschenken würklich schön sind, in der
Harmonie der Farben und des Helldunkeln, uneigen-
nützig empfindet, gegen die moralische Vollkommen-
heit der Harmonie unserer Handlungen mit unsern
Gesinnungen ganz unempfindlich bleiben können.

Ist so viel bewiesen, daß das Nachstreben der
bildenden Künste nach bloßer Unterhaltung des Be-
schauers dem Verstande und den Sitten keinesweges
nachtheilig sey; -- und ich brauche hier nicht zu er-
innern, daß beabsichtete Ausbildung unsers Ver-
standes und Herzens von dem Misbrauche der bild-
lichen Darstellung zu unanständigen, unsittlichen
Gegenständen sehr verschieden sey; -- so frägt sich
nun noch, ob die absichtliche Rücksicht auf Nutzen
bei der Wahl einzelner Gegenstände zur bildlichen
Darstellung eben so unnachtheilig für unser Ver-
gnügen seyn möchte?

Unmittelba-
re Rücksicht
auf Besse-
rung des mo-
ralischen Ge-
fühls für
das Gute,
kann dem
angenehmen
Eindruck des
sichtbar
Schönen
leicht gefähr-
lich werden.
Eine edle
Handlung

Ich wende mich zuerst zur Prüfung der Forde-
rung, daß unser Herz zur Tugend durch den Anblick
solcher Bilder aufgefordert werden solle, welche edle
und erhabene Thaten verewigen, oder die Folgen der
Tugend und des Lasters allegorisch versinnlichen.

Edle und erhabene Thaten! Hier herrscht un-
streitig Verwechselung der Begriffe, oder übertriebene
Anmaaßung. Man kann die edle Fassung mahlen,
mit der eine edle That gethan wird, man kann eine
edle Handlung mahlen, nie aber die edle Gesinnung
die in der Handlung liegt, und diese allein zur edlen
That macht.

Alle

Pallaſt Giuſtiniani.
Teniers Bauerſchenken wuͤrklich ſchoͤn ſind, in der
Harmonie der Farben und des Helldunkeln, uneigen-
nuͤtzig empfindet, gegen die moraliſche Vollkommen-
heit der Harmonie unſerer Handlungen mit unſern
Geſinnungen ganz unempfindlich bleiben koͤnnen.

Iſt ſo viel bewieſen, daß das Nachſtreben der
bildenden Kuͤnſte nach bloßer Unterhaltung des Be-
ſchauers dem Verſtande und den Sitten keinesweges
nachtheilig ſey; — und ich brauche hier nicht zu er-
innern, daß beabſichtete Ausbildung unſers Ver-
ſtandes und Herzens von dem Misbrauche der bild-
lichen Darſtellung zu unanſtaͤndigen, unſittlichen
Gegenſtaͤnden ſehr verſchieden ſey; — ſo fraͤgt ſich
nun noch, ob die abſichtliche Ruͤckſicht auf Nutzen
bei der Wahl einzelner Gegenſtaͤnde zur bildlichen
Darſtellung eben ſo unnachtheilig fuͤr unſer Ver-
gnuͤgen ſeyn moͤchte?

Unmittelba-
re Ruͤckſicht
auf Beſſe-
rung des mo-
raliſchen Ge-
fuͤhls fuͤr
das Gute,
kann dem
angenehmen
Eindruck des
ſichtbar
Schoͤnen
leicht gefaͤhr-
lich werden.
Eine edle
Handlung

Ich wende mich zuerſt zur Pruͤfung der Forde-
rung, daß unſer Herz zur Tugend durch den Anblick
ſolcher Bilder aufgefordert werden ſolle, welche edle
und erhabene Thaten verewigen, oder die Folgen der
Tugend und des Laſters allegoriſch verſinnlichen.

Edle und erhabene Thaten! Hier herrſcht un-
ſtreitig Verwechſelung der Begriffe, oder uͤbertriebene
Anmaaßung. Man kann die edle Faſſung mahlen,
mit der eine edle That gethan wird, man kann eine
edle Handlung mahlen, nie aber die edle Geſinnung
die in der Handlung liegt, und dieſe allein zur edlen
That macht.

Alle
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[10/0034] Pallaſt Giuſtiniani. Teniers Bauerſchenken wuͤrklich ſchoͤn ſind, in der Harmonie der Farben und des Helldunkeln, uneigen- nuͤtzig empfindet, gegen die moraliſche Vollkommen- heit der Harmonie unſerer Handlungen mit unſern Geſinnungen ganz unempfindlich bleiben koͤnnen. Iſt ſo viel bewieſen, daß das Nachſtreben der bildenden Kuͤnſte nach bloßer Unterhaltung des Be- ſchauers dem Verſtande und den Sitten keinesweges nachtheilig ſey; — und ich brauche hier nicht zu er- innern, daß beabſichtete Ausbildung unſers Ver- ſtandes und Herzens von dem Misbrauche der bild- lichen Darſtellung zu unanſtaͤndigen, unſittlichen Gegenſtaͤnden ſehr verſchieden ſey; — ſo fraͤgt ſich nun noch, ob die abſichtliche Ruͤckſicht auf Nutzen bei der Wahl einzelner Gegenſtaͤnde zur bildlichen Darſtellung eben ſo unnachtheilig fuͤr unſer Ver- gnuͤgen ſeyn moͤchte? Ich wende mich zuerſt zur Pruͤfung der Forde- rung, daß unſer Herz zur Tugend durch den Anblick ſolcher Bilder aufgefordert werden ſolle, welche edle und erhabene Thaten verewigen, oder die Folgen der Tugend und des Laſters allegoriſch verſinnlichen. Edle und erhabene Thaten! Hier herrſcht un- ſtreitig Verwechſelung der Begriffe, oder uͤbertriebene Anmaaßung. Man kann die edle Faſſung mahlen, mit der eine edle That gethan wird, man kann eine edle Handlung mahlen, nie aber die edle Geſinnung die in der Handlung liegt, und dieſe allein zur edlen That macht. Alle

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/34>, abgerufen am 03.12.2024.