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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

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über die einzelnen Kirchen.
mit beiden Händen um die Brust, 39) sein ängstlich
rollendes Auge, seine bebenden Lippen, der vorge-
streckte Kinn, sprechen die sublimen Worte der Schrift:
Sehet meinen Sohn, er ist mein einziger Sohn!
Mutter, Schwestern, Anverwandten, alles um
ihn herum unterstützen durch Minen und Stellung
dies ängstliche Flehen nach Besserung für den Gelieb-
ten ihres Herzens. Einige suchen die Jünger auf die
schrecklichen Symptome dieser Krankheit aufmerksam
zu machen, andere wollen sie von der Ursache derselben
verständigen, andere begnügen sich zu bitten.

Dieser Anblick bringt bei den Aposteln die natür-
lichsten und abwechselndsten Bewegungen des Herzens
hervor, die sich auf das bestimmteste durch die Ge-
bärden ihres Körpers äußern.

Der heil. Andreas, auf dem Vorgrunde sitzend,
hat bis jetzt in einem Buche gelesen: durch das Ge-
schrei in seiner Meditation gestört, schlägt er seine Au-
gen auf, und erschrickt vor dem Anblick des Leidens.
Ein kälterer Alter, ihm zur Seite, zeigt auf den
Berg, und bedeutet die Hülfe suchenden Personen,
daß sie dort allein zu finden sey. Ein anderer Jün-
ger neben ihm im Jünglingsalter, dessen großes offe-
nes Auge, glattes Antlitz und schöngelocktes Haupt-
haar ein weiches theilnehmendes, aber mit eigenem Lei-
den noch unbekanntes Herz verrathen, beugt sich ängst-
lich vorwärts, geht gleichsam aus sich selbst heraus,

und
39) Lächerlich ist Richardsons Critik: der Vater hätte
ihn an den Armen halten sollen, der Kranke könnte
leicht mit diesen den Umstehenden einen bösen Schlag
ins Gesicht geben.
X 4

uͤber die einzelnen Kirchen.
mit beiden Haͤnden um die Bruſt, 39) ſein aͤngſtlich
rollendes Auge, ſeine bebenden Lippen, der vorge-
ſtreckte Kinn, ſprechen die ſublimen Worte der Schrift:
Sehet meinen Sohn, er iſt mein einziger Sohn!
Mutter, Schweſtern, Anverwandten, alles um
ihn herum unterſtuͤtzen durch Minen und Stellung
dies aͤngſtliche Flehen nach Beſſerung fuͤr den Gelieb-
ten ihres Herzens. Einige ſuchen die Juͤnger auf die
ſchrecklichen Symptome dieſer Krankheit aufmerkſam
zu machen, andere wollen ſie von der Urſache derſelben
verſtaͤndigen, andere begnuͤgen ſich zu bitten.

Dieſer Anblick bringt bei den Apoſteln die natuͤr-
lichſten und abwechſelndſten Bewegungen des Herzens
hervor, die ſich auf das beſtimmteſte durch die Ge-
baͤrden ihres Koͤrpers aͤußern.

Der heil. Andreas, auf dem Vorgrunde ſitzend,
hat bis jetzt in einem Buche geleſen: durch das Ge-
ſchrei in ſeiner Meditation geſtoͤrt, ſchlaͤgt er ſeine Au-
gen auf, und erſchrickt vor dem Anblick des Leidens.
Ein kaͤlterer Alter, ihm zur Seite, zeigt auf den
Berg, und bedeutet die Huͤlfe ſuchenden Perſonen,
daß ſie dort allein zu finden ſey. Ein anderer Juͤn-
ger neben ihm im Juͤnglingsalter, deſſen großes offe-
nes Auge, glattes Antlitz und ſchoͤngelocktes Haupt-
haar ein weiches theilnehmendes, aber mit eigenem Lei-
den noch unbekanntes Herz verrathen, beugt ſich aͤngſt-
lich vorwaͤrts, geht gleichſam aus ſich ſelbſt heraus,

und
39) Laͤcherlich iſt Richardſons Critik: der Vater haͤtte
ihn an den Armen halten ſollen, der Kranke koͤnnte
leicht mit dieſen den Umſtehenden einen boͤſen Schlag
ins Geſicht geben.
X 4
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[327/0351] uͤber die einzelnen Kirchen. mit beiden Haͤnden um die Bruſt, 39) ſein aͤngſtlich rollendes Auge, ſeine bebenden Lippen, der vorge- ſtreckte Kinn, ſprechen die ſublimen Worte der Schrift: Sehet meinen Sohn, er iſt mein einziger Sohn! Mutter, Schweſtern, Anverwandten, alles um ihn herum unterſtuͤtzen durch Minen und Stellung dies aͤngſtliche Flehen nach Beſſerung fuͤr den Gelieb- ten ihres Herzens. Einige ſuchen die Juͤnger auf die ſchrecklichen Symptome dieſer Krankheit aufmerkſam zu machen, andere wollen ſie von der Urſache derſelben verſtaͤndigen, andere begnuͤgen ſich zu bitten. Dieſer Anblick bringt bei den Apoſteln die natuͤr- lichſten und abwechſelndſten Bewegungen des Herzens hervor, die ſich auf das beſtimmteſte durch die Ge- baͤrden ihres Koͤrpers aͤußern. Der heil. Andreas, auf dem Vorgrunde ſitzend, hat bis jetzt in einem Buche geleſen: durch das Ge- ſchrei in ſeiner Meditation geſtoͤrt, ſchlaͤgt er ſeine Au- gen auf, und erſchrickt vor dem Anblick des Leidens. Ein kaͤlterer Alter, ihm zur Seite, zeigt auf den Berg, und bedeutet die Huͤlfe ſuchenden Perſonen, daß ſie dort allein zu finden ſey. Ein anderer Juͤn- ger neben ihm im Juͤnglingsalter, deſſen großes offe- nes Auge, glattes Antlitz und ſchoͤngelocktes Haupt- haar ein weiches theilnehmendes, aber mit eigenem Lei- den noch unbekanntes Herz verrathen, beugt ſich aͤngſt- lich vorwaͤrts, geht gleichſam aus ſich ſelbſt heraus, und 39) Laͤcherlich iſt Richardſons Critik: der Vater haͤtte ihn an den Armen halten ſollen, der Kranke koͤnnte leicht mit dieſen den Umſtehenden einen boͤſen Schlag ins Geſicht geben. X 4

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/351>, abgerufen am 22.11.2024.