"selzüge aus. Inzwischen ist der Ton des Colorits "hier dennoch zu einförmig: das Fleisch scheint hart "und aufgetrocknet zu seyn. . . . . . .
"Es ist zu bedauern," fährt eben dieser Schrift- steller bald darauf fort: "Es ist zu bedauern, daß "Raphael seine Gemählde von seinen Schülern anle- "gen ließ, und daß er in dieser (nämlich seiner letz- "ten) Zeit kein einziges Bild mit eigner Hand aus- "führte. Wir würden dann gesehen haben, wie "viel er im Colorit vermocht habe. Denn die Köpfe "der Apostel, die er übermahlt hat, und die ihrer "Natur nach einen kräftigen und wohlgenährten Auf- "trag zulassen, sind von vortrefflichem Colorit. Der "Kopf des Weibes auf dem Vorgrunde ist sehr kalt "und grau. Ich glaube jedoch, daß er gleich nach "der Verfertigung des Bildes diesen Fehler nicht "hatte. Aber um die besorgte und beinahe geleckte "Behandlung des Giulio Romano nicht zu zerstören, "mußte Raphael die Ueberlage der Farbe beim Re- "touchiren nur sehr dünn machen. Diese hat nun "dem Einfluß der. Zeit nicht widerstehen können. "Hingegen bemerkt man an den großen Zehen der "nämlichen Figur, eine Verbesserung, bei der, um "den Fehler der Anlage zu bedecken, der Auftrag "stark seyn mußte; und dieser Fleck ist viel besser "gemahlt und colorirt als der Rest. Eben eine solche "Verbesserung findet man an dem Daumen der ver- "kürzten Hand des Apostels auf dem Vorgrunde, "und aus dem nämlichen Grunde ist dieser Theil "gleichfalls besser gemahlt und erhalten auf uns ge- "kommen."
+ Eine
Anmerkungen
„ſelzuͤge aus. Inzwiſchen iſt der Ton des Colorits „hier dennoch zu einfoͤrmig: das Fleiſch ſcheint hart „und aufgetrocknet zu ſeyn. . . . . . .
„Es iſt zu bedauern,“ faͤhrt eben dieſer Schrift- ſteller bald darauf fort: „Es iſt zu bedauern, daß „Raphael ſeine Gemaͤhlde von ſeinen Schuͤlern anle- „gen ließ, und daß er in dieſer (naͤmlich ſeiner letz- „ten) Zeit kein einziges Bild mit eigner Hand aus- „fuͤhrte. Wir wuͤrden dann geſehen haben, wie „viel er im Colorit vermocht habe. Denn die Koͤpfe „der Apoſtel, die er uͤbermahlt hat, und die ihrer „Natur nach einen kraͤftigen und wohlgenaͤhrten Auf- „trag zulaſſen, ſind von vortrefflichem Colorit. Der „Kopf des Weibes auf dem Vorgrunde iſt ſehr kalt „und grau. Ich glaube jedoch, daß er gleich nach „der Verfertigung des Bildes dieſen Fehler nicht „hatte. Aber um die beſorgte und beinahe geleckte „Behandlung des Giulio Romano nicht zu zerſtoͤren, „mußte Raphael die Ueberlage der Farbe beim Re- „touchiren nur ſehr duͤnn machen. Dieſe hat nun „dem Einfluß der. Zeit nicht widerſtehen koͤnnen. „Hingegen bemerkt man an den großen Zehen der „naͤmlichen Figur, eine Verbeſſerung, bei der, um „den Fehler der Anlage zu bedecken, der Auftrag „ſtark ſeyn mußte; und dieſer Fleck iſt viel beſſer „gemahlt und colorirt als der Reſt. Eben eine ſolche „Verbeſſerung findet man an dem Daumen der ver- „kuͤrzten Hand des Apoſtels auf dem Vorgrunde, „und aus dem naͤmlichen Grunde iſt dieſer Theil „gleichfalls beſſer gemahlt und erhalten auf uns ge- „kommen.“
† Eine
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Anmerkungen
„ſelzuͤge aus. Inzwiſchen iſt der Ton des Colorits
„hier dennoch zu einfoͤrmig: das Fleiſch ſcheint hart
„und aufgetrocknet zu ſeyn. . . . . . .
„Es iſt zu bedauern,“ faͤhrt eben dieſer Schrift-
ſteller bald darauf fort: „Es iſt zu bedauern, daß
„Raphael ſeine Gemaͤhlde von ſeinen Schuͤlern anle-
„gen ließ, und daß er in dieſer (naͤmlich ſeiner letz-
„ten) Zeit kein einziges Bild mit eigner Hand aus-
„fuͤhrte. Wir wuͤrden dann geſehen haben, wie
„viel er im Colorit vermocht habe. Denn die Koͤpfe
„der Apoſtel, die er uͤbermahlt hat, und die ihrer
„Natur nach einen kraͤftigen und wohlgenaͤhrten Auf-
„trag zulaſſen, ſind von vortrefflichem Colorit. Der
„Kopf des Weibes auf dem Vorgrunde iſt ſehr kalt
„und grau. Ich glaube jedoch, daß er gleich nach
„der Verfertigung des Bildes dieſen Fehler nicht
„hatte. Aber um die beſorgte und beinahe geleckte
„Behandlung des Giulio Romano nicht zu zerſtoͤren,
„mußte Raphael die Ueberlage der Farbe beim Re-
„touchiren nur ſehr duͤnn machen. Dieſe hat nun
„dem Einfluß der. Zeit nicht widerſtehen koͤnnen.
„Hingegen bemerkt man an den großen Zehen der
„naͤmlichen Figur, eine Verbeſſerung, bei der, um
„den Fehler der Anlage zu bedecken, der Auftrag
„ſtark ſeyn mußte; und dieſer Fleck iſt viel beſſer
„gemahlt und colorirt als der Reſt. Eben eine ſolche
„Verbeſſerung findet man an dem Daumen der ver-
„kuͤrzten Hand des Apoſtels auf dem Vorgrunde,
„und aus dem naͤmlichen Grunde iſt dieſer Theil
„gleichfalls beſſer gemahlt und erhalten auf uns ge-
„kommen.“
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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/354>, abgerufen am 22.11.2024.
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