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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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Ich führe nur ein Beyspiel an: der Mann in den republikanischen Staaten der alten Griechen kannte kein höheres Glück, als das, sich vor den Augen seiner Mitbürger durch Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten auszuzeichnen. Dieß gehörte zu seiner Natur, zu seiner engsten Sinnlichkeit. Seine Gattin war ganz von diesem Genusse ausgeschlossen. Der Trieb darnach gehörte folglich nicht zu ihrer Natur. Konnte nun der Mann, wenn er seine Frau zu beglücken strebte, sie gerade in seinen Zustand hineinversetzen, und so den ihrigen theilen wollen? Unstreitig nicht! Er hatte noch andere Triebe, die zu seiner Natur gehörten, den Trieb nach traulicher unbefangener Unterhaltung in seinem Hause, nach Freude an seinen Kindern, nach Vermehrung seines Vermögens u. s. w. In allem diesen konnte er einen Genuß mit der Gattin theilen. Da aber diese Triebe dem Hange nach bürgerlicher Auszeichnung bey den Griechen untergeordnet waren, folglich der Haupttrieb seiner Natur in der Verbindung mit der Gattin keinen Genuß fand; so erhielt diese, wenn sie auch noch so liebend war, nie den Charakter einer gänzlichen Vereinigung der Naturen, die schlechterdings entweder Gleichheit oder Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse voraussetzt.

In den monarchischen Staaten unsers heutigen Europa, wo der Antheil an der Administration der Länder hauptsächlich um der Auszeichnung willen gesucht wird, die er in geselligen Zirkeln giebt, wo die Folgen derselben, Ansehn, Vermögen, Macht, von der Gattin mehr getheilt werden, wo die Natur beyder Geschlechter vorzüglich durch einen solchen Genuß gereitzt wird, an dem sie beyde ungefähr gleichen Antheil nehmen können, in diesen unsern heutigen monarchischen

Ich führe nur ein Beyspiel an: der Mann in den republikanischen Staaten der alten Griechen kannte kein höheres Glück, als das, sich vor den Augen seiner Mitbürger durch Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten auszuzeichnen. Dieß gehörte zu seiner Natur, zu seiner engsten Sinnlichkeit. Seine Gattin war ganz von diesem Genusse ausgeschlossen. Der Trieb darnach gehörte folglich nicht zu ihrer Natur. Konnte nun der Mann, wenn er seine Frau zu beglücken strebte, sie gerade in seinen Zustand hineinversetzen, und so den ihrigen theilen wollen? Unstreitig nicht! Er hatte noch andere Triebe, die zu seiner Natur gehörten, den Trieb nach traulicher unbefangener Unterhaltung in seinem Hause, nach Freude an seinen Kindern, nach Vermehrung seines Vermögens u. s. w. In allem diesen konnte er einen Genuß mit der Gattin theilen. Da aber diese Triebe dem Hange nach bürgerlicher Auszeichnung bey den Griechen untergeordnet waren, folglich der Haupttrieb seiner Natur in der Verbindung mit der Gattin keinen Genuß fand; so erhielt diese, wenn sie auch noch so liebend war, nie den Charakter einer gänzlichen Vereinigung der Naturen, die schlechterdings entweder Gleichheit oder Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse voraussetzt.

In den monarchischen Staaten unsers heutigen Europa, wo der Antheil an der Administration der Länder hauptsächlich um der Auszeichnung willen gesucht wird, die er in geselligen Zirkeln giebt, wo die Folgen derselben, Ansehn, Vermögen, Macht, von der Gattin mehr getheilt werden, wo die Natur beyder Geschlechter vorzüglich durch einen solchen Genuß gereitzt wird, an dem sie beyde ungefähr gleichen Antheil nehmen können, in diesen unsern heutigen monarchischen

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[102/0102] Ich führe nur ein Beyspiel an: der Mann in den republikanischen Staaten der alten Griechen kannte kein höheres Glück, als das, sich vor den Augen seiner Mitbürger durch Verwaltung öffentlicher Angelegenheiten auszuzeichnen. Dieß gehörte zu seiner Natur, zu seiner engsten Sinnlichkeit. Seine Gattin war ganz von diesem Genusse ausgeschlossen. Der Trieb darnach gehörte folglich nicht zu ihrer Natur. Konnte nun der Mann, wenn er seine Frau zu beglücken strebte, sie gerade in seinen Zustand hineinversetzen, und so den ihrigen theilen wollen? Unstreitig nicht! Er hatte noch andere Triebe, die zu seiner Natur gehörten, den Trieb nach traulicher unbefangener Unterhaltung in seinem Hause, nach Freude an seinen Kindern, nach Vermehrung seines Vermögens u. s. w. In allem diesen konnte er einen Genuß mit der Gattin theilen. Da aber diese Triebe dem Hange nach bürgerlicher Auszeichnung bey den Griechen untergeordnet waren, folglich der Haupttrieb seiner Natur in der Verbindung mit der Gattin keinen Genuß fand; so erhielt diese, wenn sie auch noch so liebend war, nie den Charakter einer gänzlichen Vereinigung der Naturen, die schlechterdings entweder Gleichheit oder Uebereinstimmung des Geschmacks und der Verhältnisse voraussetzt. In den monarchischen Staaten unsers heutigen Europa, wo der Antheil an der Administration der Länder hauptsächlich um der Auszeichnung willen gesucht wird, die er in geselligen Zirkeln giebt, wo die Folgen derselben, Ansehn, Vermögen, Macht, von der Gattin mehr getheilt werden, wo die Natur beyder Geschlechter vorzüglich durch einen solchen Genuß gereitzt wird, an dem sie beyde ungefähr gleichen Antheil nehmen können, in diesen unsern heutigen monarchischen

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/102>, abgerufen am 21.11.2024.