Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Kraft, sich gegen andre Gegenstände hart angreifend zu bewegen, ihnen die Wallung seiner Lebenskraft, die Anstrengung seiner Lebenswerkzeuge mitzutheilen, ihr Gemüth zu erschüttern, und ihren Geist emporzuheben. Mithin hat jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Stärke als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit dieser Stärke geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Spannung.

Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußeren Sinnenorgane zu leiden, die Allmählichkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden, sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Spannung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmählichkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Mithin birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung.

Jeder Mensch birgt, wie gesagt, diese doppelte Disposition seiner Vermögen und Kräfte in sich, die in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriffe ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der

Kraft, sich gegen andre Gegenstände hart angreifend zu bewegen, ihnen die Wallung seiner Lebenskraft, die Anstrengung seiner Lebenswerkzeuge mitzutheilen, ihr Gemüth zu erschüttern, und ihren Geist emporzuheben. Mithin hat jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Stärke als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit dieser Stärke geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Spannung.

Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußeren Sinnenorgane zu leiden, die Allmählichkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden, sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Spannung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmählichkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Mithin birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung.

Jeder Mensch birgt, wie gesagt, diese doppelte Disposition seiner Vermögen und Kräfte in sich, die in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriffe ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="118"/>
Kraft, sich gegen andre Gegenstände hart angreifend zu bewegen, ihnen die Wallung seiner Lebenskraft, die Anstrengung seiner Lebenswerkzeuge mitzutheilen, ihr Gemüth zu erschüttern, und ihren Geist emporzuheben. Mithin hat jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Stärke als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit dieser Stärke geräth, ist der einer <hi rendition="#g">leidenden</hi> oder <hi rendition="#g">thätigen Spannung</hi>.</p>
          <p>Zur <hi rendition="#g">Zartheit</hi> des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußeren Sinnenorgane zu leiden, die Allmählichkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden, sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Spannung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmählichkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Mithin birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der <hi rendition="#g">Zartheit</hi> als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer <hi rendition="#g">leidenden</hi> oder <hi rendition="#g">thätigen Zärtelung</hi>.</p>
          <p>Jeder Mensch birgt, wie gesagt, diese doppelte Disposition seiner Vermögen und Kräfte in sich, die in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriffe ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0118] Kraft, sich gegen andre Gegenstände hart angreifend zu bewegen, ihnen die Wallung seiner Lebenskraft, die Anstrengung seiner Lebenswerkzeuge mitzutheilen, ihr Gemüth zu erschüttern, und ihren Geist emporzuheben. Mithin hat jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Stärke als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch die Wirksamkeit dieser Stärke geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Spannung. Zur Zartheit des Menschen gehört dagegen sein Vermögen, sanfte Reitzungen für die Sensibilität seiner äußeren Sinnenorgane zu leiden, die Allmählichkeit und Auflösung der Lebenskraft und Lebenswerkzeuge zu dulden, sein Gemüth erweicht, seinen Geist in leichter Spannung zu fühlen. Es gehört aber auch dahin die Kraft, auf andere Gegenstände sanft einzuwirken, und ihnen unsre Allmählichkeit, Auflösung, Weichheit und leichte Schwingung mitzutheilen. Mithin birgt jeder Mensch ein leidendes Vermögen und eine thätige Kraft in sich, die sich unter dem Charakter der Zartheit als eine besondere Disposition seiner Anlagen überhaupt ankündigen. Der Zustand, in den er durch Wirksamkeit seiner Zartheit geräth, ist der einer leidenden oder thätigen Zärtelung. Jeder Mensch birgt, wie gesagt, diese doppelte Disposition seiner Vermögen und Kräfte in sich, die in Rücksicht auf die ganze Gattung seiner Anlagen als zwey Geschlechter derselben anzusehen sind. In so fern aber die Menschen mit dem ganzen Inbegriffe ihrer Anlagen, der sich in jedem Einzelnen von ihnen findet, unter sich, und in Rücksicht auf die ganze Gattung der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/118
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/118>, abgerufen am 21.11.2024.