Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Unglück, meinen Stolz, meine Erniedrigung! - Gewöhnlicher Ausruf von Eltern, Freunden, Geschwistern, Liebenden aller Art, die sich und Andere anklagen, lobpreisen, entschuldigen! Dieser Ausdruck wird zu gleicher Zeit bald Gegenstand des Spottes, bald unverständiger Schmeicheley, und durchaus viel häufiger gebraucht als verstanden. Was ist das Herz bey den Weibern? fragen scherzende Dichter; und der Leichtsinn des Wüstlings, die verbrannte Phantasie des Schwärmers, prangen oft mit diesem ehrenvollen Nahmen. Es ist interessant, es ist nothwendig, so wie ich in meinen Untersuchungen über die Natur des Zustandes, den wir Liebe nennen, vorwärts rücke, allemahl zugleich das Vermögen zu diesem Zustande, den Theil unsers Wesens, durch den er möglich wird, das Herz, näher zu entwickeln. Aber wie schwer ist es, die Natur dieses Herzens unter bestimmte Begriffe zu bringen, und es in seiner ersten ursprünglichen Bedeutung von allen andern Fähigkeiten und Kräften unsers Wesens zu unterscheiden! Daß ich Symbole fände, welche die Sache anschaulich machen könnten! Denkt an jenes interessante Kraut, das bey gewissen Berührungen seiner Blätter schnell an seinem ganzen Stamm erzittert und zusammen schrumpft; und vergleicht diese Reitzbarkeit mit der bloßen Beweglichkeit anderer Gewächse! - Denkt an jene geistigen Getränke, welche durch äußere Erschütterungen, oder durch ein inneres Treiben ihrer Bestandtheile aufwallen, gähren; und vergleicht dieß Aufwallungs- dieß Gährungsvermögen Unglück, meinen Stolz, meine Erniedrigung! – Gewöhnlicher Ausruf von Eltern, Freunden, Geschwistern, Liebenden aller Art, die sich und Andere anklagen, lobpreisen, entschuldigen! Dieser Ausdruck wird zu gleicher Zeit bald Gegenstand des Spottes, bald unverständiger Schmeicheley, und durchaus viel häufiger gebraucht als verstanden. Was ist das Herz bey den Weibern? fragen scherzende Dichter; und der Leichtsinn des Wüstlings, die verbrannte Phantasie des Schwärmers, prangen oft mit diesem ehrenvollen Nahmen. Es ist interessant, es ist nothwendig, so wie ich in meinen Untersuchungen über die Natur des Zustandes, den wir Liebe nennen, vorwärts rücke, allemahl zugleich das Vermögen zu diesem Zustande, den Theil unsers Wesens, durch den er möglich wird, das Herz, näher zu entwickeln. Aber wie schwer ist es, die Natur dieses Herzens unter bestimmte Begriffe zu bringen, und es in seiner ersten ursprünglichen Bedeutung von allen andern Fähigkeiten und Kräften unsers Wesens zu unterscheiden! Daß ich Symbole fände, welche die Sache anschaulich machen könnten! Denkt an jenes interessante Kraut, das bey gewissen Berührungen seiner Blätter schnell an seinem ganzen Stamm erzittert und zusammen schrumpft; und vergleicht diese Reitzbarkeit mit der bloßen Beweglichkeit anderer Gewächse! – Denkt an jene geistigen Getränke, welche durch äußere Erschütterungen, oder durch ein inneres Treiben ihrer Bestandtheile aufwallen, gähren; und vergleicht dieß Aufwallungs- dieß Gährungsvermögen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="12"/> Unglück, meinen Stolz, meine Erniedrigung! – Gewöhnlicher Ausruf von Eltern, Freunden, Geschwistern, Liebenden aller Art, die sich und Andere anklagen, lobpreisen, entschuldigen!</p> <p>Dieser Ausdruck wird zu gleicher Zeit bald Gegenstand des Spottes, bald unverständiger Schmeicheley, und durchaus viel häufiger gebraucht als verstanden. Was ist das Herz bey den Weibern? fragen scherzende Dichter; und der Leichtsinn des Wüstlings, die verbrannte Phantasie des Schwärmers, prangen oft mit diesem ehrenvollen Nahmen.</p> <p>Es ist interessant, es ist nothwendig, so wie ich in meinen Untersuchungen über die Natur des Zustandes, den wir <hi rendition="#g">Liebe</hi> nennen, vorwärts rücke, allemahl zugleich das Vermögen zu diesem Zustande, den Theil unsers Wesens, durch den er möglich wird, <hi rendition="#g">das Herz</hi>, näher zu entwickeln.</p> <p>Aber wie schwer ist es, die Natur dieses Herzens unter bestimmte Begriffe zu bringen, und es in seiner ersten ursprünglichen Bedeutung von allen andern Fähigkeiten und Kräften unsers Wesens zu unterscheiden! Daß ich Symbole fände, welche die Sache anschaulich machen könnten!</p> <p>Denkt an jenes interessante Kraut, das bey gewissen Berührungen seiner Blätter schnell an seinem ganzen Stamm erzittert und zusammen schrumpft; und vergleicht <hi rendition="#g">diese Reitzbarkeit</hi> mit der bloßen <hi rendition="#g">Beweglichkeit</hi> anderer Gewächse! –</p> <p>Denkt an jene geistigen Getränke, welche durch äußere Erschütterungen, oder durch ein inneres Treiben ihrer Bestandtheile aufwallen, gähren; und vergleicht dieß <hi rendition="#g">Aufwallungs-</hi> dieß <hi rendition="#g">Gährungsvermögen</hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
Unglück, meinen Stolz, meine Erniedrigung! – Gewöhnlicher Ausruf von Eltern, Freunden, Geschwistern, Liebenden aller Art, die sich und Andere anklagen, lobpreisen, entschuldigen!
Dieser Ausdruck wird zu gleicher Zeit bald Gegenstand des Spottes, bald unverständiger Schmeicheley, und durchaus viel häufiger gebraucht als verstanden. Was ist das Herz bey den Weibern? fragen scherzende Dichter; und der Leichtsinn des Wüstlings, die verbrannte Phantasie des Schwärmers, prangen oft mit diesem ehrenvollen Nahmen.
Es ist interessant, es ist nothwendig, so wie ich in meinen Untersuchungen über die Natur des Zustandes, den wir Liebe nennen, vorwärts rücke, allemahl zugleich das Vermögen zu diesem Zustande, den Theil unsers Wesens, durch den er möglich wird, das Herz, näher zu entwickeln.
Aber wie schwer ist es, die Natur dieses Herzens unter bestimmte Begriffe zu bringen, und es in seiner ersten ursprünglichen Bedeutung von allen andern Fähigkeiten und Kräften unsers Wesens zu unterscheiden! Daß ich Symbole fände, welche die Sache anschaulich machen könnten!
Denkt an jenes interessante Kraut, das bey gewissen Berührungen seiner Blätter schnell an seinem ganzen Stamm erzittert und zusammen schrumpft; und vergleicht diese Reitzbarkeit mit der bloßen Beweglichkeit anderer Gewächse! –
Denkt an jene geistigen Getränke, welche durch äußere Erschütterungen, oder durch ein inneres Treiben ihrer Bestandtheile aufwallen, gähren; und vergleicht dieß Aufwallungs- dieß Gährungsvermögen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |