Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Dieser Geschmack verändert sich aber, so wie der Mann bey geschwächter Organisation sich nicht mehr so geschmeidig stark fühlt, und das reife Weib nicht mehr so zart gegen sich beurtheilt. Je älter er wird, um desto anziehenden wird für ihn der jugendliche zarte Bau der aufkeimender Rose unter den Mädchen, oft noch unter der Stufe der Pubertät. Hier ahndet er noch eine Organisation gleicher Gattung, die zärter ist, als er, und durch seine Stärke in Aufruhr der Lebenskraft gerathen kann. Die älternde Frau, deren Lebensstoff oft etwas Scharfes, deren Lebenswerkzeuge oft etwas Verhärtetes annehmen, fühlt sich oft mehr stark als zart, und den reifen Mann in einem zu ähnlichen Verhältnisse gegen sich, um bey der Verbindung auf einen verbessernden Zusatz ihrer Dispositionen, und auf den höchsten Grad der Wirksamkeit ihrer Lebenskraft rechnen zu können. Sie zieht daher oft den werdenden Jüngling vor, den sie als hebend zart gegen ihre geschmeidige Stärke beurtheilt. Die weibliche Anlage zur Lüsternheit wird unter diesen Wohlverhältnissen oft erweckend, angreifend. Der Knabe zieht aus einer entgegengesetzten Ursach eine Ceres einer Hebe vor, und das werdende Mädchen einen Mars einem Adonis. Ja! es giebt Mannspersonen, welche vermöge einer ursprünglichen zärteren Organisation ihr ganzes Leben hindurch den Geschmack jener Knaben theilen, und von den männlichen Formen überreifer Landdirnen mehr als von den zarten des sorgsamer erzogenen Frauenzimmers angelockt werden; es giebt Matronen, welche den Geschmack einer Glycera an milchbärtigen Jünglingen nur so lange theilen, bis eine Colossalische Gestalt sie wieder zu ihrem Dieser Geschmack verändert sich aber, so wie der Mann bey geschwächter Organisation sich nicht mehr so geschmeidig stark fühlt, und das reife Weib nicht mehr so zart gegen sich beurtheilt. Je älter er wird, um desto anziehenden wird für ihn der jugendliche zarte Bau der aufkeimender Rose unter den Mädchen, oft noch unter der Stufe der Pubertät. Hier ahndet er noch eine Organisation gleicher Gattung, die zärter ist, als er, und durch seine Stärke in Aufruhr der Lebenskraft gerathen kann. Die älternde Frau, deren Lebensstoff oft etwas Scharfes, deren Lebenswerkzeuge oft etwas Verhärtetes annehmen, fühlt sich oft mehr stark als zart, und den reifen Mann in einem zu ähnlichen Verhältnisse gegen sich, um bey der Verbindung auf einen verbessernden Zusatz ihrer Dispositionen, und auf den höchsten Grad der Wirksamkeit ihrer Lebenskraft rechnen zu können. Sie zieht daher oft den werdenden Jüngling vor, den sie als hebend zart gegen ihre geschmeidige Stärke beurtheilt. Die weibliche Anlage zur Lüsternheit wird unter diesen Wohlverhältnissen oft erweckend, angreifend. Der Knabe zieht aus einer entgegengesetzten Ursach eine Ceres einer Hebe vor, und das werdende Mädchen einen Mars einem Adonis. Ja! es giebt Mannspersonen, welche vermöge einer ursprünglichen zärteren Organisation ihr ganzes Leben hindurch den Geschmack jener Knaben theilen, und von den männlichen Formen überreifer Landdirnen mehr als von den zarten des sorgsamer erzogenen Frauenzimmers angelockt werden; es giebt Matronen, welche den Geschmack einer Glycera an milchbärtigen Jünglingen nur so lange theilen, bis eine Colossalische Gestalt sie wieder zu ihrem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" n="151"/> <p>Dieser Geschmack verändert sich aber, so wie der Mann bey geschwächter Organisation sich nicht mehr so geschmeidig stark fühlt, und das reife Weib nicht mehr so zart gegen sich beurtheilt. Je älter er wird, um desto anziehenden wird für ihn der jugendliche zarte Bau der aufkeimender Rose unter den Mädchen, oft noch unter der Stufe der Pubertät. Hier ahndet er noch eine Organisation gleicher Gattung, die zärter ist, als er, und durch seine Stärke in Aufruhr der Lebenskraft gerathen kann. Die älternde Frau, deren Lebensstoff oft etwas Scharfes, deren Lebenswerkzeuge oft etwas Verhärtetes annehmen, fühlt sich oft mehr stark als zart, und den reifen Mann in einem zu ähnlichen Verhältnisse gegen sich, um bey der Verbindung auf einen verbessernden Zusatz ihrer Dispositionen, und auf den höchsten Grad der Wirksamkeit ihrer Lebenskraft rechnen zu können. Sie zieht daher oft den werdenden Jüngling vor, den sie als hebend zart gegen ihre geschmeidige Stärke beurtheilt. Die weibliche Anlage zur Lüsternheit wird unter diesen Wohlverhältnissen oft erweckend, angreifend. Der Knabe zieht aus einer entgegengesetzten Ursach eine Ceres einer Hebe vor, und das werdende Mädchen einen Mars einem Adonis. Ja! es giebt Mannspersonen, welche vermöge einer ursprünglichen zärteren Organisation ihr ganzes Leben hindurch den Geschmack jener Knaben theilen, und von den männlichen Formen überreifer Landdirnen mehr als von den zarten des sorgsamer erzogenen Frauenzimmers angelockt werden; es giebt Matronen, welche den Geschmack einer Glycera an milchbärtigen Jünglingen nur so lange theilen, bis eine Colossalische Gestalt sie wieder zu ihrem </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0151]
Dieser Geschmack verändert sich aber, so wie der Mann bey geschwächter Organisation sich nicht mehr so geschmeidig stark fühlt, und das reife Weib nicht mehr so zart gegen sich beurtheilt. Je älter er wird, um desto anziehenden wird für ihn der jugendliche zarte Bau der aufkeimender Rose unter den Mädchen, oft noch unter der Stufe der Pubertät. Hier ahndet er noch eine Organisation gleicher Gattung, die zärter ist, als er, und durch seine Stärke in Aufruhr der Lebenskraft gerathen kann. Die älternde Frau, deren Lebensstoff oft etwas Scharfes, deren Lebenswerkzeuge oft etwas Verhärtetes annehmen, fühlt sich oft mehr stark als zart, und den reifen Mann in einem zu ähnlichen Verhältnisse gegen sich, um bey der Verbindung auf einen verbessernden Zusatz ihrer Dispositionen, und auf den höchsten Grad der Wirksamkeit ihrer Lebenskraft rechnen zu können. Sie zieht daher oft den werdenden Jüngling vor, den sie als hebend zart gegen ihre geschmeidige Stärke beurtheilt. Die weibliche Anlage zur Lüsternheit wird unter diesen Wohlverhältnissen oft erweckend, angreifend. Der Knabe zieht aus einer entgegengesetzten Ursach eine Ceres einer Hebe vor, und das werdende Mädchen einen Mars einem Adonis. Ja! es giebt Mannspersonen, welche vermöge einer ursprünglichen zärteren Organisation ihr ganzes Leben hindurch den Geschmack jener Knaben theilen, und von den männlichen Formen überreifer Landdirnen mehr als von den zarten des sorgsamer erzogenen Frauenzimmers angelockt werden; es giebt Matronen, welche den Geschmack einer Glycera an milchbärtigen Jünglingen nur so lange theilen, bis eine Colossalische Gestalt sie wieder zu ihrem
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