Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Lüsternheit dauert fort, lange nach dem Verlust jener Reife. Die kleinsten Kinder an der Mutter Brust, Greise, ja die Opfer orientalischer Eifersucht und italiänischer Kunstliebe sind fähig, sie zu empfinden und sogar sie zu erwecken. Wie oft findet sich dagegen der unnennbare Trieb ohne Lüsternheit gereitzt und befriedigt. Ohne Unanständigkeit kann ich kaum an die traurigen Gewohnheiten gewisser Weichlinge, und an die Ausgelassenheit gewisser Wüstlinge erinnern, welche die Befriedigung des unnennbaren Triebes als ein bloßes Bedürfniß betrachten. Und wie viele Männer könnten nicht als Zeugen für die Wahrheit meiner Behauptung auftreten, die so wie der Ritter in Voltairs Erzählung ce qui plait aux Dames, nur in ihrer Jugend die Mittel finden, gewisse Pflichten einer an Jahren ungleichen, an Glücksgütern aber vortheilhaften Ehe ein Genüge zu leisten. Wie viele Weiber, die oft die gefährlichen und lästigen Folgen der Umarmungen widerlicher oder gleichgültiger Gatten tragen, ohne das Vergnügen der Ursach getheilt zu haben.

Wie oft hemmt dagegen nicht bey beyden Geschlechtern die Stärke der Lüsternheit die Wirksamkeit des unnennbaren Triebes. Wie oft wird die erste gerade im Alter der Unvermögsamkeit am stärksten empfunden. Wie oft haben nicht endlich Wollüstlinge durch übertrieben verfeinerte Ideen über die größte Höhe des Vergnügens die Gewalt über sich erhalten, der Lüsternheit ohne Befriedigung des unnennbaren Triebes zu fröhnen.

Wenn daher beyde oft zusammengehen, so stehen sie doch keinesweges im Verhältnisse von Ursach und Wirkung zu einander, d. h. der unnennbare Trieb ist nicht die unablässige Bedingung, damit die Lüsternheit wirke,

Lüsternheit dauert fort, lange nach dem Verlust jener Reife. Die kleinsten Kinder an der Mutter Brust, Greise, ja die Opfer orientalischer Eifersucht und italiänischer Kunstliebe sind fähig, sie zu empfinden und sogar sie zu erwecken. Wie oft findet sich dagegen der unnennbare Trieb ohne Lüsternheit gereitzt und befriedigt. Ohne Unanständigkeit kann ich kaum an die traurigen Gewohnheiten gewisser Weichlinge, und an die Ausgelassenheit gewisser Wüstlinge erinnern, welche die Befriedigung des unnennbaren Triebes als ein bloßes Bedürfniß betrachten. Und wie viele Männer könnten nicht als Zeugen für die Wahrheit meiner Behauptung auftreten, die so wie der Ritter in Voltairs Erzählung ce qui plait aux Dames, nur in ihrer Jugend die Mittel finden, gewisse Pflichten einer an Jahren ungleichen, an Glücksgütern aber vortheilhaften Ehe ein Genüge zu leisten. Wie viele Weiber, die oft die gefährlichen und lästigen Folgen der Umarmungen widerlicher oder gleichgültiger Gatten tragen, ohne das Vergnügen der Ursach getheilt zu haben.

Wie oft hemmt dagegen nicht bey beyden Geschlechtern die Stärke der Lüsternheit die Wirksamkeit des unnennbaren Triebes. Wie oft wird die erste gerade im Alter der Unvermögsamkeit am stärksten empfunden. Wie oft haben nicht endlich Wollüstlinge durch übertrieben verfeinerte Ideen über die größte Höhe des Vergnügens die Gewalt über sich erhalten, der Lüsternheit ohne Befriedigung des unnennbaren Triebes zu fröhnen.

Wenn daher beyde oft zusammengehen, so stehen sie doch keinesweges im Verhältnisse von Ursach und Wirkung zu einander, d. h. der unnennbare Trieb ist nicht die unablässige Bedingung, damit die Lüsternheit wirke,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0157" n="157"/>
Lüsternheit dauert fort, lange nach dem Verlust jener Reife. Die kleinsten Kinder an der Mutter Brust, Greise, ja die Opfer orientalischer Eifersucht und italiänischer Kunstliebe sind fähig, sie zu empfinden und sogar sie zu erwecken. Wie oft findet sich dagegen der unnennbare Trieb ohne Lüsternheit gereitzt und befriedigt. Ohne Unanständigkeit kann ich kaum an die traurigen Gewohnheiten gewisser Weichlinge, und an die Ausgelassenheit gewisser Wüstlinge erinnern, welche die Befriedigung des unnennbaren Triebes als ein bloßes Bedürfniß betrachten. Und wie viele Männer könnten nicht als Zeugen für die Wahrheit meiner Behauptung auftreten, die so wie der Ritter in Voltairs Erzählung <hi rendition="#aq">ce qui plait aux Dames</hi>, nur in ihrer Jugend die Mittel finden, gewisse Pflichten einer an Jahren ungleichen, an Glücksgütern aber vortheilhaften Ehe ein Genüge zu leisten. Wie viele Weiber, die oft die gefährlichen und lästigen Folgen der Umarmungen widerlicher oder gleichgültiger Gatten tragen, ohne das Vergnügen der Ursach getheilt zu haben.</p>
            <p>Wie oft hemmt dagegen nicht bey beyden Geschlechtern die Stärke der Lüsternheit die Wirksamkeit des unnennbaren Triebes. Wie oft wird die erste gerade im Alter der Unvermögsamkeit am stärksten empfunden. Wie oft haben nicht endlich Wollüstlinge durch übertrieben verfeinerte Ideen über die größte Höhe des Vergnügens die Gewalt über sich erhalten, der Lüsternheit ohne Befriedigung des unnennbaren Triebes zu fröhnen.</p>
            <p>Wenn daher beyde oft zusammengehen, so stehen sie doch keinesweges im Verhältnisse von Ursach und Wirkung zu einander, d. h. der unnennbare Trieb ist nicht die unablässige Bedingung, damit die Lüsternheit wirke,
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0157] Lüsternheit dauert fort, lange nach dem Verlust jener Reife. Die kleinsten Kinder an der Mutter Brust, Greise, ja die Opfer orientalischer Eifersucht und italiänischer Kunstliebe sind fähig, sie zu empfinden und sogar sie zu erwecken. Wie oft findet sich dagegen der unnennbare Trieb ohne Lüsternheit gereitzt und befriedigt. Ohne Unanständigkeit kann ich kaum an die traurigen Gewohnheiten gewisser Weichlinge, und an die Ausgelassenheit gewisser Wüstlinge erinnern, welche die Befriedigung des unnennbaren Triebes als ein bloßes Bedürfniß betrachten. Und wie viele Männer könnten nicht als Zeugen für die Wahrheit meiner Behauptung auftreten, die so wie der Ritter in Voltairs Erzählung ce qui plait aux Dames, nur in ihrer Jugend die Mittel finden, gewisse Pflichten einer an Jahren ungleichen, an Glücksgütern aber vortheilhaften Ehe ein Genüge zu leisten. Wie viele Weiber, die oft die gefährlichen und lästigen Folgen der Umarmungen widerlicher oder gleichgültiger Gatten tragen, ohne das Vergnügen der Ursach getheilt zu haben. Wie oft hemmt dagegen nicht bey beyden Geschlechtern die Stärke der Lüsternheit die Wirksamkeit des unnennbaren Triebes. Wie oft wird die erste gerade im Alter der Unvermögsamkeit am stärksten empfunden. Wie oft haben nicht endlich Wollüstlinge durch übertrieben verfeinerte Ideen über die größte Höhe des Vergnügens die Gewalt über sich erhalten, der Lüsternheit ohne Befriedigung des unnennbaren Triebes zu fröhnen. Wenn daher beyde oft zusammengehen, so stehen sie doch keinesweges im Verhältnisse von Ursach und Wirkung zu einander, d. h. der unnennbare Trieb ist nicht die unablässige Bedingung, damit die Lüsternheit wirke,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/157
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/157>, abgerufen am 09.11.2024.