Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

reitzendsten Hirtenlebens in Geßners Idyllen abgeschmackt, während andere das träumende Nichtsthun der Südländer für die Seligkeit der Unsterblichen halten.

Oft liegt es nur an einer vorübergehenden Stimmung des Gemüths, wenn eine gewisse Spannung oder Zärtelung, die wir sonst wohl vertragen haben würden, uns widerlich wird. Wir suchen eine leichte Unterhaltung, und der Gesellschafter will uns in eine gründliche Erörterung verwickeln; die wird quälend: wir suchen ernste Prüfung, und man will uns zum Lächeln zwingen; das wird fade.

Also muß der Gegenstand, dessen Bild unser Gemüth wonnevoll spannen soll, mit der Einrichtung desselben im Ganzen, oder mit dessen jedesmahliger Stimmung im Wohlverhältnisse stehen. Das Gemüth muß sich in der Disposition der Stärke befinden, diese erhöhet zu fühlen wünschen, und der Gegenstand, der sich ihm spannend nähert, muß den Sättigungspunkt nicht überschreiten. Eben so verhält es sich mit der Zärtelung, wenn diese uns wonnevoll reitzen soll.

Hierauf beruht die Neigung der Seele zu gleichartigen Gegenständen, die sich so wohl bey der Selbstheit als beym Beschauungshange so wie endlich auch bey der Sympathie äußert. Mit dieser letzten habe ich mich hier allein zu beschäftigen. Sie zeigt sich da, wo wir dem Gegenstande, dem wir uns mittelst der Vorstellung nähern, etwas Selbstständiges und einen Zustand beylegen, uns seine Eigenschaften aneignen, und uns in seine Lage hineinversetzen. Unser Gemüth stößt dann auf eine Person, durch deren Bild es wonnevoll gespannt wird, weil es sich stark fühlt und noch mehr gespannt seyn will; - so sympathisieren wir mit dem Starken. Oder unser

reitzendsten Hirtenlebens in Geßners Idyllen abgeschmackt, während andere das träumende Nichtsthun der Südländer für die Seligkeit der Unsterblichen halten.

Oft liegt es nur an einer vorübergehenden Stimmung des Gemüths, wenn eine gewisse Spannung oder Zärtelung, die wir sonst wohl vertragen haben würden, uns widerlich wird. Wir suchen eine leichte Unterhaltung, und der Gesellschafter will uns in eine gründliche Erörterung verwickeln; die wird quälend: wir suchen ernste Prüfung, und man will uns zum Lächeln zwingen; das wird fade.

Also muß der Gegenstand, dessen Bild unser Gemüth wonnevoll spannen soll, mit der Einrichtung desselben im Ganzen, oder mit dessen jedesmahliger Stimmung im Wohlverhältnisse stehen. Das Gemüth muß sich in der Disposition der Stärke befinden, diese erhöhet zu fühlen wünschen, und der Gegenstand, der sich ihm spannend nähert, muß den Sättigungspunkt nicht überschreiten. Eben so verhält es sich mit der Zärtelung, wenn diese uns wonnevoll reitzen soll.

Hierauf beruht die Neigung der Seele zu gleichartigen Gegenständen, die sich so wohl bey der Selbstheit als beym Beschauungshange so wie endlich auch bey der Sympathie äußert. Mit dieser letzten habe ich mich hier allein zu beschäftigen. Sie zeigt sich da, wo wir dem Gegenstande, dem wir uns mittelst der Vorstellung nähern, etwas Selbstständiges und einen Zustand beylegen, uns seine Eigenschaften aneignen, und uns in seine Lage hineinversetzen. Unser Gemüth stößt dann auf eine Person, durch deren Bild es wonnevoll gespannt wird, weil es sich stark fühlt und noch mehr gespannt seyn will; – so sympathisieren wir mit dem Starken. Oder unser

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="2">
            <p><pb facs="#f0161" n="161"/>
reitzendsten Hirtenlebens in Geßners Idyllen abgeschmackt, während andere das träumende Nichtsthun der Südländer für die Seligkeit der Unsterblichen halten.</p>
            <p>Oft liegt es nur an einer vorübergehenden Stimmung des Gemüths, wenn eine gewisse Spannung oder Zärtelung, die wir sonst wohl vertragen haben würden, uns widerlich wird. Wir suchen eine leichte Unterhaltung, und der Gesellschafter will uns in eine gründliche Erörterung verwickeln; die wird quälend: wir suchen ernste Prüfung, und man will uns zum Lächeln zwingen; das wird fade.</p>
            <p>Also muß der Gegenstand, dessen Bild unser Gemüth wonnevoll spannen soll, mit der Einrichtung desselben im Ganzen, oder mit dessen jedesmahliger Stimmung im Wohlverhältnisse stehen. Das Gemüth muß sich in der Disposition der Stärke befinden, diese erhöhet zu fühlen wünschen, und der Gegenstand, der sich ihm spannend nähert, muß den Sättigungspunkt nicht überschreiten. Eben so verhält es sich mit der Zärtelung, wenn diese uns wonnevoll reitzen soll.</p>
            <p>Hierauf beruht die Neigung der Seele zu gleichartigen Gegenständen, die sich so wohl bey der Selbstheit als beym Beschauungshange so wie endlich auch bey der Sympathie äußert. Mit dieser letzten habe ich mich hier allein zu beschäftigen. Sie zeigt sich da, wo wir dem Gegenstande, dem wir uns mittelst der Vorstellung nähern, etwas Selbstständiges und einen Zustand beylegen, uns seine Eigenschaften aneignen, und uns in seine Lage hineinversetzen. Unser Gemüth stößt dann auf eine Person, durch deren Bild es wonnevoll gespannt wird, weil es sich stark fühlt und noch mehr gespannt seyn will; &#x2013; so sympathisieren wir mit dem Starken. Oder unser
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0161] reitzendsten Hirtenlebens in Geßners Idyllen abgeschmackt, während andere das träumende Nichtsthun der Südländer für die Seligkeit der Unsterblichen halten. Oft liegt es nur an einer vorübergehenden Stimmung des Gemüths, wenn eine gewisse Spannung oder Zärtelung, die wir sonst wohl vertragen haben würden, uns widerlich wird. Wir suchen eine leichte Unterhaltung, und der Gesellschafter will uns in eine gründliche Erörterung verwickeln; die wird quälend: wir suchen ernste Prüfung, und man will uns zum Lächeln zwingen; das wird fade. Also muß der Gegenstand, dessen Bild unser Gemüth wonnevoll spannen soll, mit der Einrichtung desselben im Ganzen, oder mit dessen jedesmahliger Stimmung im Wohlverhältnisse stehen. Das Gemüth muß sich in der Disposition der Stärke befinden, diese erhöhet zu fühlen wünschen, und der Gegenstand, der sich ihm spannend nähert, muß den Sättigungspunkt nicht überschreiten. Eben so verhält es sich mit der Zärtelung, wenn diese uns wonnevoll reitzen soll. Hierauf beruht die Neigung der Seele zu gleichartigen Gegenständen, die sich so wohl bey der Selbstheit als beym Beschauungshange so wie endlich auch bey der Sympathie äußert. Mit dieser letzten habe ich mich hier allein zu beschäftigen. Sie zeigt sich da, wo wir dem Gegenstande, dem wir uns mittelst der Vorstellung nähern, etwas Selbstständiges und einen Zustand beylegen, uns seine Eigenschaften aneignen, und uns in seine Lage hineinversetzen. Unser Gemüth stößt dann auf eine Person, durch deren Bild es wonnevoll gespannt wird, weil es sich stark fühlt und noch mehr gespannt seyn will; – so sympathisieren wir mit dem Starken. Oder unser

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/161
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/161>, abgerufen am 09.11.2024.