Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.dieser Art mit der Lust an der Begünstigung einer schwachen Willensregung, oder eines baren Verlangens nach einem geringeren Uebel vergleicht. Aber legt einmahl den Menschen, die sich in einem solchen Zustande des affektvollen Genügens oder der affektvollen Zufriedenheit befinden, die freye Wahl unter den Verhältnissen vor, worunter sie ihr Leben genießen möchten; glaubt ihr, daß ein einziger den Zustand wählen würde, den er jetzt, gezwungen durch Bedürfniß, aufgefordert durch Ueberlegung, mit Affekt genießt? Glaubt ihr, daß der Kranke, der erst zur Hoffnung der Genesung durch merkliche Erleichterung übergeht, nicht lieber seinem Lager sogleich entspringen, und sich in den ganzen Gebrauch seiner Lebenskraft mit einem Mahle wieder eingesetzt fühlen möchte? Glaubt ihr, daß der Mann, der sich aus einer augenscheinlichen Lebensgefahr gerettet sieht, dieß heroische Mittel, um zu dem völligen Gefühle seines Ruhestandes zu kommen, jenem Zustande animalischer Ausgelassenheit vorziehen würde, den ihm eine unterhaltende Leibesübung gewähren könnte? Glaubt ihr, daß derjenige, der aus Hunger die widerlichsten Speisen gierig niederschlingt, nicht lieber der Qual des Bedürfnisses entübrigt seyn, und bey freywirkendem Appetite seinen Gaumen mit schmackhafter Speise kitzeln möchte? Glaubt ihr endlich, daß jener Ehrgeitzige, der den Genuß der glanzlosen Einsamkeit bloß darum liebt, weil die Versagung seiner Ansprüche auf Macht und Ehre so manche Bitterkeit über sein Leben ausgegossen hat, jetzt, wenn die Mittel zur Befriedigung seiner herrschenden Leidenschaft, bey völliger Sicherheit ihres leichten Erwerbes und ungestörten Besitzes, dieser Art mit der Lust an der Begünstigung einer schwachen Willensregung, oder eines baren Verlangens nach einem geringeren Uebel vergleicht. Aber legt einmahl den Menschen, die sich in einem solchen Zustande des affektvollen Genügens oder der affektvollen Zufriedenheit befinden, die freye Wahl unter den Verhältnissen vor, worunter sie ihr Leben genießen möchten; glaubt ihr, daß ein einziger den Zustand wählen würde, den er jetzt, gezwungen durch Bedürfniß, aufgefordert durch Ueberlegung, mit Affekt genießt? Glaubt ihr, daß der Kranke, der erst zur Hoffnung der Genesung durch merkliche Erleichterung übergeht, nicht lieber seinem Lager sogleich entspringen, und sich in den ganzen Gebrauch seiner Lebenskraft mit einem Mahle wieder eingesetzt fühlen möchte? Glaubt ihr, daß der Mann, der sich aus einer augenscheinlichen Lebensgefahr gerettet sieht, dieß heroische Mittel, um zu dem völligen Gefühle seines Ruhestandes zu kommen, jenem Zustande animalischer Ausgelassenheit vorziehen würde, den ihm eine unterhaltende Leibesübung gewähren könnte? Glaubt ihr, daß derjenige, der aus Hunger die widerlichsten Speisen gierig niederschlingt, nicht lieber der Qual des Bedürfnisses entübrigt seyn, und bey freywirkendem Appetite seinen Gaumen mit schmackhafter Speise kitzeln möchte? Glaubt ihr endlich, daß jener Ehrgeitzige, der den Genuß der glanzlosen Einsamkeit bloß darum liebt, weil die Versagung seiner Ansprüche auf Macht und Ehre so manche Bitterkeit über sein Leben ausgegossen hat, jetzt, wenn die Mittel zur Befriedigung seiner herrschenden Leidenschaft, bey völliger Sicherheit ihres leichten Erwerbes und ungestörten Besitzes, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0018" n="18"/> dieser Art mit der Lust an der Begünstigung einer schwachen Willensregung, oder eines baren Verlangens nach einem geringeren Uebel vergleicht.</p> <p>Aber legt einmahl den Menschen, die sich in einem solchen Zustande des affektvollen Genügens oder der affektvollen Zufriedenheit befinden, die freye Wahl unter den Verhältnissen vor, worunter sie ihr Leben genießen möchten; glaubt ihr, daß ein einziger den Zustand wählen würde, den er jetzt, gezwungen durch Bedürfniß, aufgefordert durch Ueberlegung, mit Affekt genießt? Glaubt ihr, daß der Kranke, der erst zur Hoffnung der Genesung durch merkliche Erleichterung übergeht, nicht lieber seinem Lager sogleich entspringen, und sich in den ganzen Gebrauch seiner Lebenskraft mit einem Mahle wieder eingesetzt fühlen möchte? Glaubt ihr, daß der Mann, der sich aus einer augenscheinlichen Lebensgefahr gerettet sieht, dieß heroische Mittel, um zu dem völligen Gefühle seines Ruhestandes zu kommen, jenem Zustande animalischer Ausgelassenheit vorziehen würde, den ihm eine unterhaltende Leibesübung gewähren könnte? Glaubt ihr, daß derjenige, der aus Hunger die widerlichsten Speisen gierig niederschlingt, nicht lieber der Qual des Bedürfnisses entübrigt seyn, und bey freywirkendem Appetite seinen Gaumen mit schmackhafter Speise kitzeln möchte? Glaubt ihr endlich, daß jener Ehrgeitzige, der den Genuß der glanzlosen Einsamkeit bloß darum liebt, weil die Versagung seiner Ansprüche auf Macht und Ehre so manche Bitterkeit über sein Leben ausgegossen hat, jetzt, wenn die Mittel zur Befriedigung seiner herrschenden Leidenschaft, bey völliger Sicherheit ihres leichten Erwerbes und ungestörten Besitzes, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0018]
dieser Art mit der Lust an der Begünstigung einer schwachen Willensregung, oder eines baren Verlangens nach einem geringeren Uebel vergleicht.
Aber legt einmahl den Menschen, die sich in einem solchen Zustande des affektvollen Genügens oder der affektvollen Zufriedenheit befinden, die freye Wahl unter den Verhältnissen vor, worunter sie ihr Leben genießen möchten; glaubt ihr, daß ein einziger den Zustand wählen würde, den er jetzt, gezwungen durch Bedürfniß, aufgefordert durch Ueberlegung, mit Affekt genießt? Glaubt ihr, daß der Kranke, der erst zur Hoffnung der Genesung durch merkliche Erleichterung übergeht, nicht lieber seinem Lager sogleich entspringen, und sich in den ganzen Gebrauch seiner Lebenskraft mit einem Mahle wieder eingesetzt fühlen möchte? Glaubt ihr, daß der Mann, der sich aus einer augenscheinlichen Lebensgefahr gerettet sieht, dieß heroische Mittel, um zu dem völligen Gefühle seines Ruhestandes zu kommen, jenem Zustande animalischer Ausgelassenheit vorziehen würde, den ihm eine unterhaltende Leibesübung gewähren könnte? Glaubt ihr, daß derjenige, der aus Hunger die widerlichsten Speisen gierig niederschlingt, nicht lieber der Qual des Bedürfnisses entübrigt seyn, und bey freywirkendem Appetite seinen Gaumen mit schmackhafter Speise kitzeln möchte? Glaubt ihr endlich, daß jener Ehrgeitzige, der den Genuß der glanzlosen Einsamkeit bloß darum liebt, weil die Versagung seiner Ansprüche auf Macht und Ehre so manche Bitterkeit über sein Leben ausgegossen hat, jetzt, wenn die Mittel zur Befriedigung seiner herrschenden Leidenschaft, bey völliger Sicherheit ihres leichten Erwerbes und ungestörten Besitzes,
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