Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.dieser Wahlanziehung den Trieb zur Vermischung des Verschiedenen zu suchen. Die Mittheilung der magnetischen Kraft an Körper, die noch nicht magnetisch sind, scheint mir eben so wohl auf einem Triebe nach Vermengung, Zusammenfluß des Aehnlichen zu beruhen; dagegen die Neigung entgegengesetzter Pole zweyer Körper, die beyde magnetisch sind, sich mit einander zu verbinden, auf einem Triebe zur Vermischung des Verschiedenen. Und so wohl die elektrischen als magnetischen Körper haben einen Punkt des Bedürfnisses, der Sättigung und des Uebermaßes; sie sind einem Verhältnisse gegen andere Körper unterworfen, indem sie bald dasjenige gleichgültig liegen lassen, was ihre Kräfte nicht verstärkt; bald das Aehnliche und Verschiedene begierig anziehen um ihre Kraft zu verstärken; bald, wenn sie zur Vollständigkeit oder Vollkommenheit gelangt sind, das Uebermäßige abstoßen. Und, o Tonkunst! nächstes Bild unserer reitzbaren Einrichtung; wie auffallend finde ich in den beyden Leitern deiner Töne den Hang zum Gleichartigen und zum Geschlecht! Schlagt einen Durton an auf einer reingestimmten Saite; er ruft alle seine Brüder, alle seine Freunde auf der Leiter der Durtöne auf, um seine Schwingung zu verbessern. Und welche sind es, die er ausläßt, die er übergeht, und die, wenn sie sich mit einmischen, den sichersten Beweis einer Unvollständigkeit der Saite abgeben, die den Grundton angiebt? Es sind gerade die Töne, die entweder zu entfernt von ihm liegen, um seine Schwingung verstärken zu können, oder diejenigen, welche durch ihre Nähe ein Uebermaß herbeyführen würden. Und doch giebt es Ausweichungen in der Musik, Auflösungen, Uebergänge, wo die Einmischung dieser Wahlanziehung den Trieb zur Vermischung des Verschiedenen zu suchen. Die Mittheilung der magnetischen Kraft an Körper, die noch nicht magnetisch sind, scheint mir eben so wohl auf einem Triebe nach Vermengung, Zusammenfluß des Aehnlichen zu beruhen; dagegen die Neigung entgegengesetzter Pole zweyer Körper, die beyde magnetisch sind, sich mit einander zu verbinden, auf einem Triebe zur Vermischung des Verschiedenen. Und so wohl die elektrischen als magnetischen Körper haben einen Punkt des Bedürfnisses, der Sättigung und des Uebermaßes; sie sind einem Verhältnisse gegen andere Körper unterworfen, indem sie bald dasjenige gleichgültig liegen lassen, was ihre Kräfte nicht verstärkt; bald das Aehnliche und Verschiedene begierig anziehen um ihre Kraft zu verstärken; bald, wenn sie zur Vollständigkeit oder Vollkommenheit gelangt sind, das Uebermäßige abstoßen. Und, o Tonkunst! nächstes Bild unserer reitzbaren Einrichtung; wie auffallend finde ich in den beyden Leitern deiner Töne den Hang zum Gleichartigen und zum Geschlecht! Schlagt einen Durton an auf einer reingestimmten Saite; er ruft alle seine Brüder, alle seine Freunde auf der Leiter der Durtöne auf, um seine Schwingung zu verbessern. Und welche sind es, die er ausläßt, die er übergeht, und die, wenn sie sich mit einmischen, den sichersten Beweis einer Unvollständigkeit der Saite abgeben, die den Grundton angiebt? Es sind gerade die Töne, die entweder zu entfernt von ihm liegen, um seine Schwingung verstärken zu können, oder diejenigen, welche durch ihre Nähe ein Uebermaß herbeyführen würden. Und doch giebt es Ausweichungen in der Musik, Auflösungen, Uebergänge, wo die Einmischung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0202" n="202"/> dieser Wahlanziehung den Trieb zur Vermischung des Verschiedenen zu suchen.</p> <p>Die Mittheilung der magnetischen Kraft an Körper, die noch nicht magnetisch sind, scheint mir eben so wohl auf einem Triebe nach Vermengung, Zusammenfluß des Aehnlichen zu beruhen; dagegen die Neigung entgegengesetzter Pole zweyer Körper, die beyde magnetisch sind, sich mit einander zu verbinden, auf einem Triebe zur Vermischung des Verschiedenen. Und so wohl die elektrischen als magnetischen Körper haben einen Punkt des Bedürfnisses, der Sättigung und des Uebermaßes; sie sind einem Verhältnisse gegen andere Körper unterworfen, indem sie bald dasjenige gleichgültig liegen lassen, was ihre Kräfte nicht verstärkt; bald das Aehnliche und Verschiedene begierig anziehen um ihre Kraft zu verstärken; bald, wenn sie zur Vollständigkeit oder Vollkommenheit gelangt sind, das Uebermäßige abstoßen.</p> <p>Und, o Tonkunst! nächstes Bild unserer reitzbaren Einrichtung; wie auffallend finde ich in den beyden Leitern deiner Töne den Hang zum Gleichartigen und zum Geschlecht! Schlagt einen Durton an auf einer reingestimmten Saite; er ruft alle seine Brüder, alle seine Freunde auf der Leiter der Durtöne auf, um seine Schwingung zu verbessern. Und welche sind es, die er ausläßt, die er übergeht, und die, wenn sie sich mit einmischen, den sichersten Beweis einer Unvollständigkeit der Saite abgeben, die den Grundton angiebt? Es sind gerade die Töne, die entweder zu entfernt von ihm liegen, um seine Schwingung verstärken zu können, oder diejenigen, welche durch ihre Nähe ein Uebermaß herbeyführen würden. Und doch giebt es Ausweichungen in der Musik, Auflösungen, Uebergänge, wo die Einmischung </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0202]
dieser Wahlanziehung den Trieb zur Vermischung des Verschiedenen zu suchen.
Die Mittheilung der magnetischen Kraft an Körper, die noch nicht magnetisch sind, scheint mir eben so wohl auf einem Triebe nach Vermengung, Zusammenfluß des Aehnlichen zu beruhen; dagegen die Neigung entgegengesetzter Pole zweyer Körper, die beyde magnetisch sind, sich mit einander zu verbinden, auf einem Triebe zur Vermischung des Verschiedenen. Und so wohl die elektrischen als magnetischen Körper haben einen Punkt des Bedürfnisses, der Sättigung und des Uebermaßes; sie sind einem Verhältnisse gegen andere Körper unterworfen, indem sie bald dasjenige gleichgültig liegen lassen, was ihre Kräfte nicht verstärkt; bald das Aehnliche und Verschiedene begierig anziehen um ihre Kraft zu verstärken; bald, wenn sie zur Vollständigkeit oder Vollkommenheit gelangt sind, das Uebermäßige abstoßen.
Und, o Tonkunst! nächstes Bild unserer reitzbaren Einrichtung; wie auffallend finde ich in den beyden Leitern deiner Töne den Hang zum Gleichartigen und zum Geschlecht! Schlagt einen Durton an auf einer reingestimmten Saite; er ruft alle seine Brüder, alle seine Freunde auf der Leiter der Durtöne auf, um seine Schwingung zu verbessern. Und welche sind es, die er ausläßt, die er übergeht, und die, wenn sie sich mit einmischen, den sichersten Beweis einer Unvollständigkeit der Saite abgeben, die den Grundton angiebt? Es sind gerade die Töne, die entweder zu entfernt von ihm liegen, um seine Schwingung verstärken zu können, oder diejenigen, welche durch ihre Nähe ein Uebermaß herbeyführen würden. Und doch giebt es Ausweichungen in der Musik, Auflösungen, Uebergänge, wo die Einmischung
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