Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Belustigungen beym Tanze, bey Wechselgesängen, bey Mährchenerzählungen zusammen, und diese Unterhaltungen nehmen sogleich einen üppigeren Charakter an, als diejenigen haben, welche der Umgang mit Personen von einerley Geschlechte gewährt. Der Mann findet sie milder und geordneter, das Weib rascher und pikanter. So fühlt jedes Geschlecht, daß es dem Geschlechte des andern bey der Verbindung etwas schuldig ist, was es bey der Vereinigung mit seinem eigenen nicht erwarten kann: nehmlich gleichzeitige Wirksamkeit von Stärke und Zartheit; und diese giebt ihren engeren Verhältnissen einen ganz verschiedenen und bestimmten Charakter. Geht zu der Klasse unserer Ackersleute über, ihr findet die nehmliche Vorstellungsart aus den nehmlichen Gründen! Der Freund des Bauern ist derjenige, der am Werkeltage ihm am besten in die Hand arbeitet, und am Feyertage am besten den Humpen mit ihm leert und lärmt. Die Freundin der Bäuerin ist diejenige Nachbarin, die ihr am behülflichsten bey ihren wirthschaftlichen Sorgen ist und am besten mit ihr trätscht. Beyde Geschlechter unterscheiden aber diese Art von Verbindungen sehr genau von den engeren Verhältnissen, welche zwischen ihnen und dem andern Geschlechte Statt finden, wenn diese sich entweder zur Ehe, oder zu vorübergehenden Liebesverständnissen vereinigen. Ja, man findet zuweilen eine wahre Geschlechtszärtlichkeit unter dieser Klasse von Menschen, wenn die Aehnlichkeit der Geschäfte und der Lagen eine Uebereinstimmung der herrschenden Triebe befördert, und dennoch in der Art, wie sie befriedigt werden, sich Stärke zur Zartheit mischt. Mancher Bauer findet in seiner Gattin eine Rathgeberin in seinen Unternehmungen, eine Gehülfin bey seinen Arbeiten, Belustigungen beym Tanze, bey Wechselgesängen, bey Mährchenerzählungen zusammen, und diese Unterhaltungen nehmen sogleich einen üppigeren Charakter an, als diejenigen haben, welche der Umgang mit Personen von einerley Geschlechte gewährt. Der Mann findet sie milder und geordneter, das Weib rascher und pikanter. So fühlt jedes Geschlecht, daß es dem Geschlechte des andern bey der Verbindung etwas schuldig ist, was es bey der Vereinigung mit seinem eigenen nicht erwarten kann: nehmlich gleichzeitige Wirksamkeit von Stärke und Zartheit; und diese giebt ihren engeren Verhältnissen einen ganz verschiedenen und bestimmten Charakter. Geht zu der Klasse unserer Ackersleute über, ihr findet die nehmliche Vorstellungsart aus den nehmlichen Gründen! Der Freund des Bauern ist derjenige, der am Werkeltage ihm am besten in die Hand arbeitet, und am Feyertage am besten den Humpen mit ihm leert und lärmt. Die Freundin der Bäuerin ist diejenige Nachbarin, die ihr am behülflichsten bey ihren wirthschaftlichen Sorgen ist und am besten mit ihr trätscht. Beyde Geschlechter unterscheiden aber diese Art von Verbindungen sehr genau von den engeren Verhältnissen, welche zwischen ihnen und dem andern Geschlechte Statt finden, wenn diese sich entweder zur Ehe, oder zu vorübergehenden Liebesverständnissen vereinigen. Ja, man findet zuweilen eine wahre Geschlechtszärtlichkeit unter dieser Klasse von Menschen, wenn die Aehnlichkeit der Geschäfte und der Lagen eine Uebereinstimmung der herrschenden Triebe befördert, und dennoch in der Art, wie sie befriedigt werden, sich Stärke zur Zartheit mischt. 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Der Freund des Bauern ist derjenige, der am Werkeltage ihm am besten in die Hand arbeitet, und am Feyertage am besten den Humpen mit ihm leert und lärmt. Die Freundin der Bäuerin ist diejenige Nachbarin, die ihr am behülflichsten bey ihren wirthschaftlichen Sorgen ist und am besten mit ihr trätscht. Beyde Geschlechter unterscheiden aber diese Art von Verbindungen sehr genau von den engeren Verhältnissen, welche zwischen ihnen und dem andern Geschlechte Statt finden, wenn diese sich entweder zur Ehe, oder zu vorübergehenden Liebesverständnissen vereinigen. Ja, man findet zuweilen eine wahre Geschlechtszärtlichkeit unter dieser Klasse von Menschen, wenn die Aehnlichkeit der Geschäfte und der Lagen eine Uebereinstimmung der herrschenden Triebe befördert, und dennoch in der Art, wie sie befriedigt werden, sich Stärke zur Zartheit mischt. Mancher Bauer findet in seiner Gattin eine Rathgeberin in seinen Unternehmungen, eine Gehülfin bey seinen Arbeiten, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0220]
Belustigungen beym Tanze, bey Wechselgesängen, bey Mährchenerzählungen zusammen, und diese Unterhaltungen nehmen sogleich einen üppigeren Charakter an, als diejenigen haben, welche der Umgang mit Personen von einerley Geschlechte gewährt. Der Mann findet sie milder und geordneter, das Weib rascher und pikanter. So fühlt jedes Geschlecht, daß es dem Geschlechte des andern bey der Verbindung etwas schuldig ist, was es bey der Vereinigung mit seinem eigenen nicht erwarten kann: nehmlich gleichzeitige Wirksamkeit von Stärke und Zartheit; und diese giebt ihren engeren Verhältnissen einen ganz verschiedenen und bestimmten Charakter.
Geht zu der Klasse unserer Ackersleute über, ihr findet die nehmliche Vorstellungsart aus den nehmlichen Gründen! Der Freund des Bauern ist derjenige, der am Werkeltage ihm am besten in die Hand arbeitet, und am Feyertage am besten den Humpen mit ihm leert und lärmt. Die Freundin der Bäuerin ist diejenige Nachbarin, die ihr am behülflichsten bey ihren wirthschaftlichen Sorgen ist und am besten mit ihr trätscht. Beyde Geschlechter unterscheiden aber diese Art von Verbindungen sehr genau von den engeren Verhältnissen, welche zwischen ihnen und dem andern Geschlechte Statt finden, wenn diese sich entweder zur Ehe, oder zu vorübergehenden Liebesverständnissen vereinigen. Ja, man findet zuweilen eine wahre Geschlechtszärtlichkeit unter dieser Klasse von Menschen, wenn die Aehnlichkeit der Geschäfte und der Lagen eine Uebereinstimmung der herrschenden Triebe befördert, und dennoch in der Art, wie sie befriedigt werden, sich Stärke zur Zartheit mischt. Mancher Bauer findet in seiner Gattin eine Rathgeberin in seinen Unternehmungen, eine Gehülfin bey seinen Arbeiten,
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