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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

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in Ruhe ist, zu seinem beynahe unentbehrlichen Wohlseyn zu gehören scheinen. So erträgt der Geitzige Hunger und Frost, und Nachtwachen und Schande, - nur um einen herrschenden Trieb, nehmlich den der Geldsucht, zu befriedigen. So opfert der Eitle oft allen Genuß des Gaumens und häuslicher Bequemlichkeit auf, nur um in glänzender Kleidung vor seinen Miteinwohnern zu erscheinen. So tauscht der leidenschaftliche Schwelger für die Versagung aller übrigen Triebe die Befriedigung des herrschenden, seiner Gierigkeit, ein.

Diesen ähnlich, nur feiner und edler, handeln der Ehrsüchtige, der das Lob seiner Mitbürger und seiner Nachkommen, und der geistige Stolze, welcher Selbstschätzung in jedem Zeitpunkte seines Lebens, für das höchste Gut halten, dessen Erreichung nicht theuer genug erkauft werden kann. Auf das Verdienstliche, auf das Sittliche der Leidenschaft, kommt es hier nicht an; es gilt nur, den Unterschied der Leidenschaft des Herzens von der der Selbstheit festzusetzen.

Nun ist aber nichts natürlicher, als daß die Leidenschaft, welche jedes Mittel braucht, um zu ihrem Zweck zu gelangen, auch die Handlungen der Liebe nutzt, um sich entweder Glücksgüter, oder Ehre, oder Unterhaltung, - denn es giebt auch einen leidenschaftlichen Trieb nach Belustigung, - zu verschaffen, und dem Stolze Nahrung zu bereiten. Ja, sie betrügt sich alsdann oft selbst, verwechselt das Mittel mit dem Zweck, glaubt aus Liebe zu lieben, da sie doch nur aus Leidenschaft der Selbstheit Handlungen hervorbringt, die in ihren Wirkungen der Liebe ähneln.

Besonders sind Weiber dem Irrthum ausgesetzt, jede leidenschaftliche Aeußerung, jede Aufopferung gewöhnlicher

in Ruhe ist, zu seinem beynahe unentbehrlichen Wohlseyn zu gehören scheinen. So erträgt der Geitzige Hunger und Frost, und Nachtwachen und Schande, – nur um einen herrschenden Trieb, nehmlich den der Geldsucht, zu befriedigen. So opfert der Eitle oft allen Genuß des Gaumens und häuslicher Bequemlichkeit auf, nur um in glänzender Kleidung vor seinen Miteinwohnern zu erscheinen. So tauscht der leidenschaftliche Schwelger für die Versagung aller übrigen Triebe die Befriedigung des herrschenden, seiner Gierigkeit, ein.

Diesen ähnlich, nur feiner und edler, handeln der Ehrsüchtige, der das Lob seiner Mitbürger und seiner Nachkommen, und der geistige Stolze, welcher Selbstschätzung in jedem Zeitpunkte seines Lebens, für das höchste Gut halten, dessen Erreichung nicht theuer genug erkauft werden kann. Auf das Verdienstliche, auf das Sittliche der Leidenschaft, kommt es hier nicht an; es gilt nur, den Unterschied der Leidenschaft des Herzens von der der Selbstheit festzusetzen.

Nun ist aber nichts natürlicher, als daß die Leidenschaft, welche jedes Mittel braucht, um zu ihrem Zweck zu gelangen, auch die Handlungen der Liebe nutzt, um sich entweder Glücksgüter, oder Ehre, oder Unterhaltung, – denn es giebt auch einen leidenschaftlichen Trieb nach Belustigung, – zu verschaffen, und dem Stolze Nahrung zu bereiten. Ja, sie betrügt sich alsdann oft selbst, verwechselt das Mittel mit dem Zweck, glaubt aus Liebe zu lieben, da sie doch nur aus Leidenschaft der Selbstheit Handlungen hervorbringt, die in ihren Wirkungen der Liebe ähneln.

Besonders sind Weiber dem Irrthum ausgesetzt, jede leidenschaftliche Aeußerung, jede Aufopferung gewöhnlicher

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[321/0321] in Ruhe ist, zu seinem beynahe unentbehrlichen Wohlseyn zu gehören scheinen. So erträgt der Geitzige Hunger und Frost, und Nachtwachen und Schande, – nur um einen herrschenden Trieb, nehmlich den der Geldsucht, zu befriedigen. So opfert der Eitle oft allen Genuß des Gaumens und häuslicher Bequemlichkeit auf, nur um in glänzender Kleidung vor seinen Miteinwohnern zu erscheinen. So tauscht der leidenschaftliche Schwelger für die Versagung aller übrigen Triebe die Befriedigung des herrschenden, seiner Gierigkeit, ein. Diesen ähnlich, nur feiner und edler, handeln der Ehrsüchtige, der das Lob seiner Mitbürger und seiner Nachkommen, und der geistige Stolze, welcher Selbstschätzung in jedem Zeitpunkte seines Lebens, für das höchste Gut halten, dessen Erreichung nicht theuer genug erkauft werden kann. Auf das Verdienstliche, auf das Sittliche der Leidenschaft, kommt es hier nicht an; es gilt nur, den Unterschied der Leidenschaft des Herzens von der der Selbstheit festzusetzen. Nun ist aber nichts natürlicher, als daß die Leidenschaft, welche jedes Mittel braucht, um zu ihrem Zweck zu gelangen, auch die Handlungen der Liebe nutzt, um sich entweder Glücksgüter, oder Ehre, oder Unterhaltung, – denn es giebt auch einen leidenschaftlichen Trieb nach Belustigung, – zu verschaffen, und dem Stolze Nahrung zu bereiten. Ja, sie betrügt sich alsdann oft selbst, verwechselt das Mittel mit dem Zweck, glaubt aus Liebe zu lieben, da sie doch nur aus Leidenschaft der Selbstheit Handlungen hervorbringt, die in ihren Wirkungen der Liebe ähneln. Besonders sind Weiber dem Irrthum ausgesetzt, jede leidenschaftliche Aeußerung, jede Aufopferung gewöhnlicher

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/321>, abgerufen am 24.11.2024.