Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Haupterscheinungen der Ueppigkeit der Seele zeigen sich in dem Triebe nach Häuslichkeit, nach geselliger Auszeichnung vom andern Geschlechte, im Stolze auf den Besitz der Person: u. s. w.

Der Geist ist gleichfalls einer Geschlechtssympathie unterworfen, die mit der Lüsternheit des Körpers große Aehnlichkeit hat. Er strebt zuweilen darnach, von einem andern Geiste völlig besessen zu werden. In diesem Zustande fühlt sich unser Geist einem höhern Geiste unterworfen, hebt sich aber diesem zart entgegen, und fühlt zugleich dessen Stärke geschmeidig genug, um sich in der engsten Verbindung mit ihm zu denken. Der Zustand während einer solchen Besessenheit ist wieder der einer gleichzeitig leidenden und thätigen Spannung und Zärtelung, und vielleicht unter allen, die dem Menschen zu Theil werden können, der wonnevollste.

Diese verschiedenen Erscheinungen der Geschlechtssympathie können sich alle vereinigt zeigen; sie können sich aber auch einzeln offenbaren. Sie sind Ausflüsse eines allgemeinen Hanges unserer Natur nach Vervollkommnung der Wirksamkeit unserer Vermögen und Kräfte. Sie sind aber gar nicht unzertrennlich mit einander verbunden. Die Ueppigkeit des Körpers kann ohne Erregung der Lüsternheit desselben, diese ohne Erweckung des unnennbaren Triebes geschäftig seyn. Die Seele kann der Geschlechtssympathie huldigen, ohne den Körper in einen ähnlichen Aufruhr zu versetzen: umgekehrt kann der Körper in Aufruhr gerathen, ohne die Seele anzustecken. Inzwischen ist es begreiflich, daß wegen des genauen Zusammenhangs des Körpers mit der Seele, und ihrer verschiedenen Vermögen und Kräfte unter einander, der Aufruhr in dem einen Theile unsers Wesens sehr leicht in die übrigen übergehe.

Haupterscheinungen der Ueppigkeit der Seele zeigen sich in dem Triebe nach Häuslichkeit, nach geselliger Auszeichnung vom andern Geschlechte, im Stolze auf den Besitz der Person: u. s. w.

Der Geist ist gleichfalls einer Geschlechtssympathie unterworfen, die mit der Lüsternheit des Körpers große Aehnlichkeit hat. Er strebt zuweilen darnach, von einem andern Geiste völlig besessen zu werden. In diesem Zustande fühlt sich unser Geist einem höhern Geiste unterworfen, hebt sich aber diesem zart entgegen, und fühlt zugleich dessen Stärke geschmeidig genug, um sich in der engsten Verbindung mit ihm zu denken. Der Zustand während einer solchen Besessenheit ist wieder der einer gleichzeitig leidenden und thätigen Spannung und Zärtelung, und vielleicht unter allen, die dem Menschen zu Theil werden können, der wonnevollste.

Diese verschiedenen Erscheinungen der Geschlechtssympathie können sich alle vereinigt zeigen; sie können sich aber auch einzeln offenbaren. Sie sind Ausflüsse eines allgemeinen Hanges unserer Natur nach Vervollkommnung der Wirksamkeit unserer Vermögen und Kräfte. Sie sind aber gar nicht unzertrennlich mit einander verbunden. Die Ueppigkeit des Körpers kann ohne Erregung der Lüsternheit desselben, diese ohne Erweckung des unnennbaren Triebes geschäftig seyn. Die Seele kann der Geschlechtssympathie huldigen, ohne den Körper in einen ähnlichen Aufruhr zu versetzen: umgekehrt kann der Körper in Aufruhr gerathen, ohne die Seele anzustecken. Inzwischen ist es begreiflich, daß wegen des genauen Zusammenhangs des Körpers mit der Seele, und ihrer verschiedenen Vermögen und Kräfte unter einander, der Aufruhr in dem einen Theile unsers Wesens sehr leicht in die übrigen übergehe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0345" n="345"/>
Haupterscheinungen der Ueppigkeit der Seele zeigen sich <hi rendition="#g">in dem Triebe nach Häuslichkeit</hi>, <hi rendition="#g">nach geselliger Auszeichnung vom andern Geschlechte</hi>, <hi rendition="#g">im Stolze auf den Besitz der Person</hi>: u. s. w.</p>
        <p>Der <hi rendition="#g">Geist</hi> ist gleichfalls einer Geschlechtssympathie unterworfen, die mit der Lüsternheit des Körpers große Aehnlichkeit hat. Er strebt zuweilen darnach, von einem andern Geiste völlig <hi rendition="#g">besessen</hi> zu werden. In diesem Zustande fühlt sich unser Geist einem höhern Geiste unterworfen, hebt sich aber diesem zart entgegen, und fühlt zugleich dessen Stärke geschmeidig genug, um sich in der engsten Verbindung mit ihm zu denken. Der Zustand während einer solchen <hi rendition="#g">Besessenheit</hi> ist wieder der einer gleichzeitig leidenden und thätigen Spannung und Zärtelung, und vielleicht unter allen, die dem Menschen zu Theil werden können, der wonnevollste.</p>
        <p>Diese verschiedenen Erscheinungen der Geschlechtssympathie können sich <hi rendition="#g">alle vereinigt</hi> zeigen; sie können sich aber <hi rendition="#g">auch einzeln</hi> offenbaren. Sie sind Ausflüsse eines allgemeinen Hanges unserer Natur nach Vervollkommnung der Wirksamkeit unserer Vermögen und Kräfte. <hi rendition="#g">Sie sind aber gar nicht unzertrennlich mit einander verbunden</hi>. Die Ueppigkeit des Körpers kann ohne Erregung der Lüsternheit desselben, diese ohne Erweckung des unnennbaren Triebes geschäftig seyn. Die Seele kann der Geschlechtssympathie huldigen, ohne den Körper in einen ähnlichen Aufruhr zu versetzen: umgekehrt kann der Körper in Aufruhr gerathen, ohne die Seele anzustecken. <hi rendition="#g">Inzwischen ist es begreiflich</hi>, <hi rendition="#g">daß</hi> wegen des genauen Zusammenhangs des Körpers mit der Seele, und ihrer verschiedenen Vermögen und Kräfte unter einander, <hi rendition="#g">der Aufruhr in dem einen Theile unsers Wesens sehr leicht in die übrigen übergehe</hi>.</p>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[345/0345] Haupterscheinungen der Ueppigkeit der Seele zeigen sich in dem Triebe nach Häuslichkeit, nach geselliger Auszeichnung vom andern Geschlechte, im Stolze auf den Besitz der Person: u. s. w. Der Geist ist gleichfalls einer Geschlechtssympathie unterworfen, die mit der Lüsternheit des Körpers große Aehnlichkeit hat. Er strebt zuweilen darnach, von einem andern Geiste völlig besessen zu werden. In diesem Zustande fühlt sich unser Geist einem höhern Geiste unterworfen, hebt sich aber diesem zart entgegen, und fühlt zugleich dessen Stärke geschmeidig genug, um sich in der engsten Verbindung mit ihm zu denken. Der Zustand während einer solchen Besessenheit ist wieder der einer gleichzeitig leidenden und thätigen Spannung und Zärtelung, und vielleicht unter allen, die dem Menschen zu Theil werden können, der wonnevollste. Diese verschiedenen Erscheinungen der Geschlechtssympathie können sich alle vereinigt zeigen; sie können sich aber auch einzeln offenbaren. Sie sind Ausflüsse eines allgemeinen Hanges unserer Natur nach Vervollkommnung der Wirksamkeit unserer Vermögen und Kräfte. Sie sind aber gar nicht unzertrennlich mit einander verbunden. Die Ueppigkeit des Körpers kann ohne Erregung der Lüsternheit desselben, diese ohne Erweckung des unnennbaren Triebes geschäftig seyn. Die Seele kann der Geschlechtssympathie huldigen, ohne den Körper in einen ähnlichen Aufruhr zu versetzen: umgekehrt kann der Körper in Aufruhr gerathen, ohne die Seele anzustecken. Inzwischen ist es begreiflich, daß wegen des genauen Zusammenhangs des Körpers mit der Seele, und ihrer verschiedenen Vermögen und Kräfte unter einander, der Aufruhr in dem einen Theile unsers Wesens sehr leicht in die übrigen übergehe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/345
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/345>, abgerufen am 24.11.2024.