Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.umschlungen habe. Aus diesem Grunde wird ein fleischiger, ausgeschweifter Bau, wie ihn etwa die Nymphen der Flamländer zeigen, nie für eine Schönheit gehalten werden können, wenn er gleich mit Ueppigkeit und Lüsternheit betrachtet werden sollte. Es ist daher ein großer Irrthum, wenn man die Verirrungen der körperlichen Geschlechtssympathie, zu denen männliche Körper verführen, der größern Wohlgestalt zuschreibt, welche die männlichen Verhältnisse nach den Gesetzen des ästhetisch Schönen und der Schönheit unstreitig darstellen. Denn abgerechnet, daß sich daraus diejenige Verirrung der Begierden nicht erklären lassen würde, welcher Weiber unter einander gleichfalls unterworfen sind; so ist es auch ganz klar, daß gerade die schönsten, regelmäßigsten Körper, wenn sie gleich von verschiedenem Geschlechte sind, weniger auf die Geschlechtssympathie wirken, als die üppig, oft ungestaltet gebaueten. Dieß haben die Rubens, die Bernini und andere sehr wohl empfunden, indem sie von den Regeln, welche die Alten bey der Schöpfung ihrer Venus, ihrer Juno, ihrer Diana, u. s. w. befolgten, abgegangen sind, und wohlbeleibte, feiste Metzen und Ammen in keiner andern Absicht dargestellt habe, als der, auf die Geschlechtssympathie des ungebildeten Haufens zu wirken. Demungeachtet läßt sich die Mitwirkung aller unserer Sinne, und besonders auch der körperlichen Geschlechtssympathie, bey den wollüstigen Gefühlen für das Auge gar nicht abläugnen. Sie kommen unstreitig mit in Reitzung; aber es muß eine mittelbare und dunkle Reitzung seyn, deren wir uns in dem Augenblicke des Genusses der Schönheit nicht bewußt sind. Sobald beym Anblick einer weiblichen Gestalt die Begierde nach körperlicher umschlungen habe. Aus diesem Grunde wird ein fleischiger, ausgeschweifter Bau, wie ihn etwa die Nymphen der Flamländer zeigen, nie für eine Schönheit gehalten werden können, wenn er gleich mit Ueppigkeit und Lüsternheit betrachtet werden sollte. Es ist daher ein großer Irrthum, wenn man die Verirrungen der körperlichen Geschlechtssympathie, zu denen männliche Körper verführen, der größern Wohlgestalt zuschreibt, welche die männlichen Verhältnisse nach den Gesetzen des ästhetisch Schönen und der Schönheit unstreitig darstellen. Denn abgerechnet, daß sich daraus diejenige Verirrung der Begierden nicht erklären lassen würde, welcher Weiber unter einander gleichfalls unterworfen sind; so ist es auch ganz klar, daß gerade die schönsten, regelmäßigsten Körper, wenn sie gleich von verschiedenem Geschlechte sind, weniger auf die Geschlechtssympathie wirken, als die üppig, oft ungestaltet gebaueten. Dieß haben die Rubens, die Bernini und andere sehr wohl empfunden, indem sie von den Regeln, welche die Alten bey der Schöpfung ihrer Venus, ihrer Juno, ihrer Diana, u. s. w. befolgten, abgegangen sind, und wohlbeleibte, feiste Metzen und Ammen in keiner andern Absicht dargestellt habe, als der, auf die Geschlechtssympathie des ungebildeten Haufens zu wirken. Demungeachtet läßt sich die Mitwirkung aller unserer Sinne, und besonders auch der körperlichen Geschlechtssympathie, bey den wollüstigen Gefühlen für das Auge gar nicht abläugnen. Sie kommen unstreitig mit in Reitzung; aber es muß eine mittelbare und dunkle Reitzung seyn, deren wir uns in dem Augenblicke des Genusses der Schönheit nicht bewußt sind. Sobald beym Anblick einer weiblichen Gestalt die Begierde nach körperlicher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0117" n="117"/> umschlungen habe. Aus diesem Grunde wird ein fleischiger, ausgeschweifter Bau, wie ihn etwa die Nymphen der Flamländer zeigen, nie für eine Schönheit gehalten werden können, wenn er gleich mit Ueppigkeit und Lüsternheit betrachtet werden sollte. Es ist daher ein großer Irrthum, wenn man die Verirrungen der körperlichen Geschlechtssympathie, zu denen männliche Körper verführen, der größern Wohlgestalt zuschreibt, welche die männlichen Verhältnisse nach den Gesetzen des ästhetisch Schönen und der Schönheit unstreitig darstellen. Denn abgerechnet, daß sich daraus diejenige Verirrung der Begierden nicht erklären lassen würde, welcher Weiber unter einander gleichfalls unterworfen sind; so ist es auch ganz klar, daß gerade die schönsten, regelmäßigsten Körper, wenn sie gleich von verschiedenem Geschlechte sind, weniger auf die Geschlechtssympathie wirken, als die üppig, oft ungestaltet gebaueten. Dieß haben die Rubens, die Bernini und andere sehr wohl empfunden, indem sie von den Regeln, welche die Alten bey der Schöpfung ihrer Venus, ihrer Juno, ihrer Diana, u. s. w. befolgten, abgegangen sind, und wohlbeleibte, feiste Metzen und Ammen in keiner andern Absicht dargestellt habe, als der, auf die Geschlechtssympathie des ungebildeten Haufens zu wirken.</p> <p>Demungeachtet läßt sich die Mitwirkung aller unserer Sinne, und besonders auch der körperlichen Geschlechtssympathie, bey den wollüstigen Gefühlen für das Auge gar nicht abläugnen. 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umschlungen habe. Aus diesem Grunde wird ein fleischiger, ausgeschweifter Bau, wie ihn etwa die Nymphen der Flamländer zeigen, nie für eine Schönheit gehalten werden können, wenn er gleich mit Ueppigkeit und Lüsternheit betrachtet werden sollte. Es ist daher ein großer Irrthum, wenn man die Verirrungen der körperlichen Geschlechtssympathie, zu denen männliche Körper verführen, der größern Wohlgestalt zuschreibt, welche die männlichen Verhältnisse nach den Gesetzen des ästhetisch Schönen und der Schönheit unstreitig darstellen. Denn abgerechnet, daß sich daraus diejenige Verirrung der Begierden nicht erklären lassen würde, welcher Weiber unter einander gleichfalls unterworfen sind; so ist es auch ganz klar, daß gerade die schönsten, regelmäßigsten Körper, wenn sie gleich von verschiedenem Geschlechte sind, weniger auf die Geschlechtssympathie wirken, als die üppig, oft ungestaltet gebaueten. Dieß haben die Rubens, die Bernini und andere sehr wohl empfunden, indem sie von den Regeln, welche die Alten bey der Schöpfung ihrer Venus, ihrer Juno, ihrer Diana, u. s. w. befolgten, abgegangen sind, und wohlbeleibte, feiste Metzen und Ammen in keiner andern Absicht dargestellt habe, als der, auf die Geschlechtssympathie des ungebildeten Haufens zu wirken.
Demungeachtet läßt sich die Mitwirkung aller unserer Sinne, und besonders auch der körperlichen Geschlechtssympathie, bey den wollüstigen Gefühlen für das Auge gar nicht abläugnen. Sie kommen unstreitig mit in Reitzung; aber es muß eine mittelbare und dunkle Reitzung seyn, deren wir uns in dem Augenblicke des Genusses der Schönheit nicht bewußt sind. Sobald beym Anblick einer weiblichen Gestalt die Begierde nach körperlicher
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