Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.ihren Geist in starker Spannung zu erhalten wußte, in völliger Besessenheit erhalten wurden. Wie viele verblendete Ehemänner befinden sich nicht in dieser Lage gegen ihre koquetten Weiber! Ich habe Menschen gekannt, die bey der feurigsten Imagination, selbst in Zeiten, worin diese abgespannt war, wenig von körperlichen Trieben zu leiden hatten; und endlich berufe ich mich dreist darauf, daß man den größten Haufen unter den Wüstlingen und ausschweifenden Weibern zur Enthaltsamkeit zwingen könne, ohne daß sie darum in Begeisterung gerathen werden. Ich glaube hierdurch das Gewagte in den Behauptungen derjenigen gezeigt zu haben, welche vorgaben, daß die Inbrunst der Schwärmer von ihnen mehr oder minder in denjenigen Theilen gefühlt werde, in die schon Plato den Sitz des Begehrens setzt, daß an allen Schwärmereyen der Körper mehr Theil als die Seele habe; und daß bey aller Begeisterung und Besessenheit Begierden nach körperlicher Vereinigung zum Grunde lägen. Beydes wird zwar oft zusammen angetroffen, aber es steht in keiner unbedingten Vereinigung und Abhängigkeit von einander, und wenn es zusammengeht, so scheint der Fall viel häufiger zu seyn, daß die Lüsternheit der Seele den Körper mit einer ähnlichen ansteckt, als daß die Lüsternheit des Körpers einen ähnlichen Aufruhr in der Seele erwecken. ihren Geist in starker Spannung zu erhalten wußte, in völliger Besessenheit erhalten wurden. Wie viele verblendete Ehemänner befinden sich nicht in dieser Lage gegen ihre koquetten Weiber! Ich habe Menschen gekannt, die bey der feurigsten Imagination, selbst in Zeiten, worin diese abgespannt war, wenig von körperlichen Trieben zu leiden hatten; und endlich berufe ich mich dreist darauf, daß man den größten Haufen unter den Wüstlingen und ausschweifenden Weibern zur Enthaltsamkeit zwingen könne, ohne daß sie darum in Begeisterung gerathen werden. Ich glaube hierdurch das Gewagte in den Behauptungen derjenigen gezeigt zu haben, welche vorgaben, daß die Inbrunst der Schwärmer von ihnen mehr oder minder in denjenigen Theilen gefühlt werde, in die schon Plato den Sitz des Begehrens setzt, daß an allen Schwärmereyen der Körper mehr Theil als die Seele habe; und daß bey aller Begeisterung und Besessenheit Begierden nach körperlicher Vereinigung zum Grunde lägen. Beydes wird zwar oft zusammen angetroffen, aber es steht in keiner unbedingten Vereinigung und Abhängigkeit von einander, und wenn es zusammengeht, so scheint der Fall viel häufiger zu seyn, daß die Lüsternheit der Seele den Körper mit einer ähnlichen ansteckt, als daß die Lüsternheit des Körpers einen ähnlichen Aufruhr in der Seele erwecken. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0143" n="143"/> ihren Geist in starker Spannung zu erhalten wußte, in völliger Besessenheit erhalten wurden. Wie viele verblendete Ehemänner befinden sich nicht in dieser Lage gegen ihre koquetten Weiber! Ich habe Menschen gekannt, die bey der feurigsten Imagination, selbst in Zeiten, worin diese abgespannt war, wenig von körperlichen Trieben zu leiden hatten; und endlich berufe ich mich dreist darauf, daß man den größten Haufen unter den Wüstlingen und ausschweifenden Weibern zur Enthaltsamkeit zwingen könne, ohne daß sie darum in Begeisterung gerathen werden.</p> <p>Ich glaube hierdurch das Gewagte in den Behauptungen derjenigen gezeigt zu haben, welche vorgaben, daß die Inbrunst der Schwärmer von ihnen mehr oder minder in denjenigen Theilen gefühlt werde, in die schon Plato den Sitz des Begehrens setzt, daß an allen Schwärmereyen der Körper mehr Theil als die Seele habe; und daß bey aller Begeisterung und Besessenheit Begierden nach körperlicher Vereinigung zum Grunde lägen. Beydes wird zwar oft zusammen angetroffen, aber es steht in keiner unbedingten Vereinigung und Abhängigkeit von einander, und wenn es zusammengeht, so scheint der Fall viel häufiger zu seyn, daß die Lüsternheit der Seele den Körper mit einer ähnlichen ansteckt, als daß die Lüsternheit des Körpers einen ähnlichen Aufruhr in der Seele erwecken.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0143]
ihren Geist in starker Spannung zu erhalten wußte, in völliger Besessenheit erhalten wurden. Wie viele verblendete Ehemänner befinden sich nicht in dieser Lage gegen ihre koquetten Weiber! Ich habe Menschen gekannt, die bey der feurigsten Imagination, selbst in Zeiten, worin diese abgespannt war, wenig von körperlichen Trieben zu leiden hatten; und endlich berufe ich mich dreist darauf, daß man den größten Haufen unter den Wüstlingen und ausschweifenden Weibern zur Enthaltsamkeit zwingen könne, ohne daß sie darum in Begeisterung gerathen werden.
Ich glaube hierdurch das Gewagte in den Behauptungen derjenigen gezeigt zu haben, welche vorgaben, daß die Inbrunst der Schwärmer von ihnen mehr oder minder in denjenigen Theilen gefühlt werde, in die schon Plato den Sitz des Begehrens setzt, daß an allen Schwärmereyen der Körper mehr Theil als die Seele habe; und daß bey aller Begeisterung und Besessenheit Begierden nach körperlicher Vereinigung zum Grunde lägen. Beydes wird zwar oft zusammen angetroffen, aber es steht in keiner unbedingten Vereinigung und Abhängigkeit von einander, und wenn es zusammengeht, so scheint der Fall viel häufiger zu seyn, daß die Lüsternheit der Seele den Körper mit einer ähnlichen ansteckt, als daß die Lüsternheit des Körpers einen ähnlichen Aufruhr in der Seele erwecken.
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