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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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wissen; mitscherzen, ohne die Unschuld erröthen zu lassen, und wenn man ihn zur Scheibe eines beleidigenden Witzes machen will, durch eine glückliche Wendung die persönliche Beleidigung ablenken, und der Lachsucht einen allgemein belachenswerthen Gegenstand vorschieben. - So wird der Mann von Welt, der in einen steifen Zirkel tritt, in die Beobachtung der vorgeschriebenen Ceremonien eine gewisse Freyheit und Unbefangenheit bringen, die das Lästige derselben vermindert, ohne gegen die hergebrachten Begriffe anzustoßen.

Wir haben bis jetzt die drey Stufen der Urbanität, als einer nützlichen Fertigkeit, betrachtet; jetzt von eben dieser Urbanität, als einer edeln und schönen Fertigkeit.

Ich habe bereits gesagt, daß die gute Sitte auch über diese edle und schöne Fertigkeit, so wie über alle andre gern etwas bestimmt, und einen Styl, eine Mode einführt, die gemeiniglich mit dem Nahmen des feinen Tons und des Tons der großen Welt bezeichnet wird.

Offenbar liegt bey diesem Tone die Absicht unter, dem Beschauungshange durch Bilder der Vollkommenheit Wonne zuzuführen. Der gesellige Ton soll nicht bloß brauchbar, er soll auch ausgezeichnet durch gewisse Vorzüge seyn, die, ohne Beziehung auf Nutzen, wohlgefällig erscheinen.

So wie es gewöhnlich geht, so geschieht es auch hier: das Seltene wird oft mit dem Edeln, das Gezierte mit dem Schönen verwechselt. Es würde mich zu weit führen, wenn ich die Irrthümer aufzählen wollte, in die man seit Franz des Ersten Zeit bis zu uns herunter durch die Bemühung verfallen ist, der Urbanität einen edeln und schönen Charakter beyzulegen. Bald ist man

wissen; mitscherzen, ohne die Unschuld erröthen zu lassen, und wenn man ihn zur Scheibe eines beleidigenden Witzes machen will, durch eine glückliche Wendung die persönliche Beleidigung ablenken, und der Lachsucht einen allgemein belachenswerthen Gegenstand vorschieben. – So wird der Mann von Welt, der in einen steifen Zirkel tritt, in die Beobachtung der vorgeschriebenen Ceremonien eine gewisse Freyheit und Unbefangenheit bringen, die das Lästige derselben vermindert, ohne gegen die hergebrachten Begriffe anzustoßen.

Wir haben bis jetzt die drey Stufen der Urbanität, als einer nützlichen Fertigkeit, betrachtet; jetzt von eben dieser Urbanität, als einer edeln und schönen Fertigkeit.

Ich habe bereits gesagt, daß die gute Sitte auch über diese edle und schöne Fertigkeit, so wie über alle andre gern etwas bestimmt, und einen Styl, eine Mode einführt, die gemeiniglich mit dem Nahmen des feinen Tons und des Tons der großen Welt bezeichnet wird.

Offenbar liegt bey diesem Tone die Absicht unter, dem Beschauungshange durch Bilder der Vollkommenheit Wonne zuzuführen. Der gesellige Ton soll nicht bloß brauchbar, er soll auch ausgezeichnet durch gewisse Vorzüge seyn, die, ohne Beziehung auf Nutzen, wohlgefällig erscheinen.

So wie es gewöhnlich geht, so geschieht es auch hier: das Seltene wird oft mit dem Edeln, das Gezierte mit dem Schönen verwechselt. Es würde mich zu weit führen, wenn ich die Irrthümer aufzählen wollte, in die man seit Franz des Ersten Zeit bis zu uns herunter durch die Bemühung verfallen ist, der Urbanität einen edeln und schönen Charakter beyzulegen. Bald ist man

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[222/0222] wissen; mitscherzen, ohne die Unschuld erröthen zu lassen, und wenn man ihn zur Scheibe eines beleidigenden Witzes machen will, durch eine glückliche Wendung die persönliche Beleidigung ablenken, und der Lachsucht einen allgemein belachenswerthen Gegenstand vorschieben. – So wird der Mann von Welt, der in einen steifen Zirkel tritt, in die Beobachtung der vorgeschriebenen Ceremonien eine gewisse Freyheit und Unbefangenheit bringen, die das Lästige derselben vermindert, ohne gegen die hergebrachten Begriffe anzustoßen. Wir haben bis jetzt die drey Stufen der Urbanität, als einer nützlichen Fertigkeit, betrachtet; jetzt von eben dieser Urbanität, als einer edeln und schönen Fertigkeit. Ich habe bereits gesagt, daß die gute Sitte auch über diese edle und schöne Fertigkeit, so wie über alle andre gern etwas bestimmt, und einen Styl, eine Mode einführt, die gemeiniglich mit dem Nahmen des feinen Tons und des Tons der großen Welt bezeichnet wird. Offenbar liegt bey diesem Tone die Absicht unter, dem Beschauungshange durch Bilder der Vollkommenheit Wonne zuzuführen. Der gesellige Ton soll nicht bloß brauchbar, er soll auch ausgezeichnet durch gewisse Vorzüge seyn, die, ohne Beziehung auf Nutzen, wohlgefällig erscheinen. So wie es gewöhnlich geht, so geschieht es auch hier: das Seltene wird oft mit dem Edeln, das Gezierte mit dem Schönen verwechselt. Es würde mich zu weit führen, wenn ich die Irrthümer aufzählen wollte, in die man seit Franz des Ersten Zeit bis zu uns herunter durch die Bemühung verfallen ist, der Urbanität einen edeln und schönen Charakter beyzulegen. Bald ist man

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/222>, abgerufen am 25.11.2024.