Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierzehntes Kapitel.

Genuß der schönen Künste.

So genießt sich die Liebe selbst! So nimmt das Gefühl der Wesenverwebung von den gleichgültigsten Gegenständen Freuden ab, die kalten Zuschauern zum Theil langweilig erscheinen müssen. Aber wie sehr werden die Mittel, wodurch jene Gefühle erweckt werden und sich ausdrücken, veredelt und verschönert, wenn sie unabhängig von dem Interesse, das ihnen die Liebe gewährt, durch das genaue Verhältniß, worin sie mit unserer sittlichen Würde stehen, den höchsten Anspruch auf Unterhaltung für alle vernünftige Wesen haben.

Musen, Künste! Ihr, das Labsal und der Trost meines Lebens, ihr! denen ich die dauerndsten und reinsten Freuden meines Daseyns verdanke! Wie könnt' ich eurer hier vergessen! Ihr leiht dem Ausdruck der Liebe den reitzendsten Schmuck, so wie sie euch vielleicht das höchste und allgemeinste Interesse leihet!

Der Tanz ist das Talent der Jugend, das beym Erwachen, beym Wachsthum und beym Genuß der Liebe von unendlicher Wichtigkeit ist. Sein Ursprung, seine geheime Bedeutung, darf bey den meisten Nationen in einer Darstellung der Liebe gesucht werden, und er erhält nach den verschiedenen Stufen der Kultur, worauf die Völker stehen, bald den Ausdruck gröberer Sinnlichkeit, bald feinerer Galanterie. Der Fondango, die Tarantela, der deutsche Tanz, die Menuet können zum Beweise dienen. Jene allmählige, wechselseitige Annäherung, jene Uebereinstimmung der Bewegungen und der Schritte, jene Verschlingung der Arme in einander, endlich jene Harmonie der Töne, die beyde führt und beseelt, welch

Vierzehntes Kapitel.

Genuß der schönen Künste.

So genießt sich die Liebe selbst! So nimmt das Gefühl der Wesenverwebung von den gleichgültigsten Gegenständen Freuden ab, die kalten Zuschauern zum Theil langweilig erscheinen müssen. Aber wie sehr werden die Mittel, wodurch jene Gefühle erweckt werden und sich ausdrücken, veredelt und verschönert, wenn sie unabhängig von dem Interesse, das ihnen die Liebe gewährt, durch das genaue Verhältniß, worin sie mit unserer sittlichen Würde stehen, den höchsten Anspruch auf Unterhaltung für alle vernünftige Wesen haben.

Musen, Künste! Ihr, das Labsal und der Trost meines Lebens, ihr! denen ich die dauerndsten und reinsten Freuden meines Daseyns verdanke! Wie könnt’ ich eurer hier vergessen! Ihr leiht dem Ausdruck der Liebe den reitzendsten Schmuck, so wie sie euch vielleicht das höchste und allgemeinste Interesse leihet!

Der Tanz ist das Talent der Jugend, das beym Erwachen, beym Wachsthum und beym Genuß der Liebe von unendlicher Wichtigkeit ist. Sein Ursprung, seine geheime Bedeutung, darf bey den meisten Nationen in einer Darstellung der Liebe gesucht werden, und er erhält nach den verschiedenen Stufen der Kultur, worauf die Völker stehen, bald den Ausdruck gröberer Sinnlichkeit, bald feinerer Galanterie. Der Fondango, die Tarantela, der deutsche Tanz, die Menuet können zum Beweise dienen. Jene allmählige, wechselseitige Annäherung, jene Uebereinstimmung der Bewegungen und der Schritte, jene Verschlingung der Arme in einander, endlich jene Harmonie der Töne, die beyde führt und beseelt, welch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0303" n="303"/>
        <div n="2">
          <head>Vierzehntes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Genuß der schönen Künste.<lb/></p>
          </argument>
          <p>So genießt sich die Liebe selbst! So nimmt das Gefühl der Wesenverwebung von den gleichgültigsten Gegenständen Freuden ab, die kalten Zuschauern zum Theil langweilig erscheinen müssen. Aber wie sehr werden die Mittel, wodurch jene Gefühle erweckt werden und sich ausdrücken, veredelt und verschönert, wenn sie unabhängig von dem Interesse, das ihnen die Liebe gewährt, durch das genaue Verhältniß, worin sie mit unserer sittlichen Würde stehen, den höchsten Anspruch auf Unterhaltung für alle vernünftige Wesen haben.</p>
          <p>Musen, Künste! Ihr, das Labsal und der Trost meines Lebens, ihr! denen ich die dauerndsten und reinsten Freuden meines Daseyns verdanke! Wie könnt&#x2019; ich eurer hier vergessen! Ihr leiht dem Ausdruck der Liebe den reitzendsten Schmuck, so wie sie euch vielleicht das höchste und allgemeinste Interesse leihet!</p>
          <p>Der Tanz ist das Talent der Jugend, das beym Erwachen, beym Wachsthum und beym Genuß der Liebe von unendlicher Wichtigkeit ist. Sein Ursprung, seine geheime Bedeutung, darf bey den meisten Nationen in einer Darstellung der Liebe gesucht werden, und er erhält nach den verschiedenen Stufen der Kultur, worauf die Völker stehen, bald den Ausdruck gröberer Sinnlichkeit, bald feinerer Galanterie. Der Fondango, die Tarantela, der deutsche Tanz, die Menuet können zum Beweise dienen. Jene allmählige, wechselseitige Annäherung, jene Uebereinstimmung der Bewegungen und der Schritte, jene Verschlingung der Arme in einander, endlich jene Harmonie der Töne, die beyde führt und beseelt, welch
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0303] Vierzehntes Kapitel. Genuß der schönen Künste. So genießt sich die Liebe selbst! So nimmt das Gefühl der Wesenverwebung von den gleichgültigsten Gegenständen Freuden ab, die kalten Zuschauern zum Theil langweilig erscheinen müssen. Aber wie sehr werden die Mittel, wodurch jene Gefühle erweckt werden und sich ausdrücken, veredelt und verschönert, wenn sie unabhängig von dem Interesse, das ihnen die Liebe gewährt, durch das genaue Verhältniß, worin sie mit unserer sittlichen Würde stehen, den höchsten Anspruch auf Unterhaltung für alle vernünftige Wesen haben. Musen, Künste! Ihr, das Labsal und der Trost meines Lebens, ihr! denen ich die dauerndsten und reinsten Freuden meines Daseyns verdanke! Wie könnt’ ich eurer hier vergessen! Ihr leiht dem Ausdruck der Liebe den reitzendsten Schmuck, so wie sie euch vielleicht das höchste und allgemeinste Interesse leihet! Der Tanz ist das Talent der Jugend, das beym Erwachen, beym Wachsthum und beym Genuß der Liebe von unendlicher Wichtigkeit ist. Sein Ursprung, seine geheime Bedeutung, darf bey den meisten Nationen in einer Darstellung der Liebe gesucht werden, und er erhält nach den verschiedenen Stufen der Kultur, worauf die Völker stehen, bald den Ausdruck gröberer Sinnlichkeit, bald feinerer Galanterie. Der Fondango, die Tarantela, der deutsche Tanz, die Menuet können zum Beweise dienen. Jene allmählige, wechselseitige Annäherung, jene Uebereinstimmung der Bewegungen und der Schritte, jene Verschlingung der Arme in einander, endlich jene Harmonie der Töne, die beyde führt und beseelt, welch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/303
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/303>, abgerufen am 22.11.2024.