Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Zukunft; oder hält sich bloß an diese Zukunft, und übersieht das Bedürfniß des Augenblicks. Es fehlt auch oft in der Wahl der zweckmäßigsten Mittel, und in ihrer klugen Behandlung. Kurz, die guten, zum Besten der Menschheit abzweckenden Handlungen des Weibes sind gemeiniglich mehr Folgen des Instinkts, als freyer und vernünftiger Selbstbestimmung. Bey dem Manne wird diese mehr angetroffen; aber weniger von seinem Instinkte unterstützt, handelt er dennoch viel unzusammenhängender, und oft viel unsicherer zum Besten der Menschheit in ihm selbst und andern! Nun kann die einzelne Handlung, abgerissen von dem Reste des übrigen Lebens der Person, die sie begeht, dieser unmöglich den Nahmen eines tugendhaften Charakters, bar und für sich betrachtet, sichern; wenn gleich jene Handlung in dem einzelnen Falle aus wahrer Ueberzeugung der Pflicht entspringt, andern Menschen nützlich zu seyn, oder wenn sie dem Triebe nach der vollkommensten Harmonie eines der Menschheit nutzbaren Charakters angehört, oder wenn sie auch vermöge eines richtigen Gebrauchs unserer Vernunft, der Menschheit im größten Umfange wirklich nützlich wird. Ein Sokrates, der aus Achtung für die Gesetze seines Vaterlandes den Giftbecher leert; ein Cato, der den Verlust der Freyheit nicht überleben zu dürfen glaubt, ohne die Menschheit an sich und andern zu entehren; ein Luther, der die Wahrheit mit seinem Tode zu besiegeln bereit ist, und ihre Ausbreitung durch diese Standhaftigkeit befördert; alle diese Personen, sage ich, können nur in so fern um dieser Thaten willen für tugendhaft gehalten werden, als die Stimmung, welche in ihrem ganzen übrigen Leben die herrschende war, sie dazu aufgefordert hat. Wie Zukunft; oder hält sich bloß an diese Zukunft, und übersieht das Bedürfniß des Augenblicks. Es fehlt auch oft in der Wahl der zweckmäßigsten Mittel, und in ihrer klugen Behandlung. Kurz, die guten, zum Besten der Menschheit abzweckenden Handlungen des Weibes sind gemeiniglich mehr Folgen des Instinkts, als freyer und vernünftiger Selbstbestimmung. Bey dem Manne wird diese mehr angetroffen; aber weniger von seinem Instinkte unterstützt, handelt er dennoch viel unzusammenhängender, und oft viel unsicherer zum Besten der Menschheit in ihm selbst und andern! Nun kann die einzelne Handlung, abgerissen von dem Reste des übrigen Lebens der Person, die sie begeht, dieser unmöglich den Nahmen eines tugendhaften Charakters, bar und für sich betrachtet, sichern; wenn gleich jene Handlung in dem einzelnen Falle aus wahrer Ueberzeugung der Pflicht entspringt, andern Menschen nützlich zu seyn, oder wenn sie dem Triebe nach der vollkommensten Harmonie eines der Menschheit nutzbaren Charakters angehört, oder wenn sie auch vermöge eines richtigen Gebrauchs unserer Vernunft, der Menschheit im größten Umfange wirklich nützlich wird. Ein Sokrates, der aus Achtung für die Gesetze seines Vaterlandes den Giftbecher leert; ein Cato, der den Verlust der Freyheit nicht überleben zu dürfen glaubt, ohne die Menschheit an sich und andern zu entehren; ein Luther, der die Wahrheit mit seinem Tode zu besiegeln bereit ist, und ihre Ausbreitung durch diese Standhaftigkeit befördert; alle diese Personen, sage ich, können nur in so fern um dieser Thaten willen für tugendhaft gehalten werden, als die Stimmung, welche in ihrem ganzen übrigen Leben die herrschende war, sie dazu aufgefordert hat. Wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0339" n="339"/> Zukunft; oder hält sich bloß an diese Zukunft, und übersieht das Bedürfniß des Augenblicks. Es fehlt auch oft in der Wahl der zweckmäßigsten Mittel, und in ihrer klugen Behandlung. Kurz, die guten, zum Besten der Menschheit abzweckenden Handlungen des Weibes sind gemeiniglich mehr Folgen des Instinkts, als freyer und vernünftiger Selbstbestimmung. Bey dem Manne wird diese mehr angetroffen; aber weniger von seinem Instinkte unterstützt, handelt er dennoch viel unzusammenhängender, und oft viel unsicherer zum Besten der Menschheit in ihm selbst und andern!</p> <p>Nun kann die einzelne Handlung, abgerissen von dem Reste des übrigen Lebens der Person, die sie begeht, dieser unmöglich den Nahmen eines tugendhaften Charakters, bar und für sich betrachtet, sichern; wenn gleich jene Handlung in dem einzelnen Falle aus wahrer Ueberzeugung der Pflicht entspringt, andern Menschen nützlich zu seyn, oder wenn sie dem Triebe nach der vollkommensten Harmonie eines der Menschheit nutzbaren Charakters angehört, oder wenn sie auch vermöge eines richtigen Gebrauchs unserer Vernunft, der Menschheit im größten Umfange wirklich nützlich wird. Ein Sokrates, der aus Achtung für die Gesetze seines Vaterlandes den Giftbecher leert; ein Cato, der den Verlust der Freyheit nicht überleben zu dürfen glaubt, ohne die Menschheit an sich und andern zu entehren; ein Luther, der die Wahrheit mit seinem Tode zu besiegeln bereit ist, und ihre Ausbreitung durch diese Standhaftigkeit befördert; alle diese Personen, sage ich, können nur in so fern um dieser Thaten willen für tugendhaft gehalten werden, als die Stimmung, welche in ihrem ganzen übrigen Leben die herrschende war, sie dazu aufgefordert hat. Wie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [339/0339]
Zukunft; oder hält sich bloß an diese Zukunft, und übersieht das Bedürfniß des Augenblicks. Es fehlt auch oft in der Wahl der zweckmäßigsten Mittel, und in ihrer klugen Behandlung. Kurz, die guten, zum Besten der Menschheit abzweckenden Handlungen des Weibes sind gemeiniglich mehr Folgen des Instinkts, als freyer und vernünftiger Selbstbestimmung. Bey dem Manne wird diese mehr angetroffen; aber weniger von seinem Instinkte unterstützt, handelt er dennoch viel unzusammenhängender, und oft viel unsicherer zum Besten der Menschheit in ihm selbst und andern!
Nun kann die einzelne Handlung, abgerissen von dem Reste des übrigen Lebens der Person, die sie begeht, dieser unmöglich den Nahmen eines tugendhaften Charakters, bar und für sich betrachtet, sichern; wenn gleich jene Handlung in dem einzelnen Falle aus wahrer Ueberzeugung der Pflicht entspringt, andern Menschen nützlich zu seyn, oder wenn sie dem Triebe nach der vollkommensten Harmonie eines der Menschheit nutzbaren Charakters angehört, oder wenn sie auch vermöge eines richtigen Gebrauchs unserer Vernunft, der Menschheit im größten Umfange wirklich nützlich wird. Ein Sokrates, der aus Achtung für die Gesetze seines Vaterlandes den Giftbecher leert; ein Cato, der den Verlust der Freyheit nicht überleben zu dürfen glaubt, ohne die Menschheit an sich und andern zu entehren; ein Luther, der die Wahrheit mit seinem Tode zu besiegeln bereit ist, und ihre Ausbreitung durch diese Standhaftigkeit befördert; alle diese Personen, sage ich, können nur in so fern um dieser Thaten willen für tugendhaft gehalten werden, als die Stimmung, welche in ihrem ganzen übrigen Leben die herrschende war, sie dazu aufgefordert hat. Wie
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