Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Achtes Kapitel. Ohne Achtung besteht keine Liebe. In wie fern dieser Grundsatz wahr sey? Nöthige Vorsicht bey seiner Anwendung. Ohne Achtung besteht keine Liebe, pflegt man gemeiniglich zu sagen. Allein dieser Grundsatz ist nicht allgemein wahr, wenn man den Sinn des Wortes Achtung genau faßt. Richtiger würde man sagen: es giebt auf die Dauer keine Liebe, wo das Gefühl der Neuheit, des Schönen, des sympathetisch Interessanten, und des Schätzungswerthen für die Selbstheit wegfällt. Denn wie ich oft gesagt habe, alle diese Empfindungen, welche von den liebenden noch verschieden sind, machen doch Ingredienzen der zärtlichen oder leidenschaftlichen Anhänglichkeit an der Person aus. Wie viele Männer habe ich nicht gekannt, die an ihren Weibern mit dauernder Zärtlichkeit hingen, so sehr sie von ihrem moralischen Unwerth überzeugt waren! Achtung war es nicht was sie fesselte! Aber Sinnlichkeit, der oft Versagungen entgegengesetzt wurden, Eitelkeit auf den Besitz einer schönen, vornehmen und allgemein artig gefundenen Genossin ihrer Verhältnisse, Befriedigung des Eigennutzes, der sich von der unterhaltenden Gesellschafterin belustigt, oder von der klugen Rathgeberin wohlgeleitet fühlte, endlich Angewöhnung an die Person hielt sie in ihren schimpflichen Banden auf. Wie häufig sind die Erfahrungen, daß auch das zärtere Geschlecht bey aller Ueberzeugung von der Ausgelassenheit des Geliebten eine Leidenschaft, vor der es selbst erröthet, nicht zu überwinden vermag! Achtes Kapitel. Ohne Achtung besteht keine Liebe. In wie fern dieser Grundsatz wahr sey? Nöthige Vorsicht bey seiner Anwendung. Ohne Achtung besteht keine Liebe, pflegt man gemeiniglich zu sagen. Allein dieser Grundsatz ist nicht allgemein wahr, wenn man den Sinn des Wortes Achtung genau faßt. Richtiger würde man sagen: es giebt auf die Dauer keine Liebe, wo das Gefühl der Neuheit, des Schönen, des sympathetisch Interessanten, und des Schätzungswerthen für die Selbstheit wegfällt. Denn wie ich oft gesagt habe, alle diese Empfindungen, welche von den liebenden noch verschieden sind, machen doch Ingredienzen der zärtlichen oder leidenschaftlichen Anhänglichkeit an der Person aus. Wie viele Männer habe ich nicht gekannt, die an ihren Weibern mit dauernder Zärtlichkeit hingen, so sehr sie von ihrem moralischen Unwerth überzeugt waren! Achtung war es nicht was sie fesselte! Aber Sinnlichkeit, der oft Versagungen entgegengesetzt wurden, Eitelkeit auf den Besitz einer schönen, vornehmen und allgemein artig gefundenen Genossin ihrer Verhältnisse, Befriedigung des Eigennutzes, der sich von der unterhaltenden Gesellschafterin belustigt, oder von der klugen Rathgeberin wohlgeleitet fühlte, endlich Angewöhnung an die Person hielt sie in ihren schimpflichen Banden auf. Wie häufig sind die Erfahrungen, daß auch das zärtere Geschlecht bey aller Ueberzeugung von der Ausgelassenheit des Geliebten eine Leidenschaft, vor der es selbst erröthet, nicht zu überwinden vermag! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0367" n="367"/> <div n="2"> <head>Achtes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Ohne Achtung besteht keine Liebe. In wie fern dieser Grundsatz wahr sey? Nöthige Vorsicht bey seiner Anwendung.<lb/></p> </argument> <p>Ohne Achtung besteht keine Liebe, pflegt man gemeiniglich zu sagen. Allein dieser Grundsatz ist nicht allgemein wahr, wenn man den Sinn des Wortes <hi rendition="#g">Achtung</hi> genau faßt. Richtiger würde man sagen: es giebt auf die Dauer keine Liebe, wo das Gefühl der Neuheit, des Schönen, des sympathetisch Interessanten, und des Schätzungswerthen für die Selbstheit wegfällt. Denn wie ich oft gesagt habe, alle diese Empfindungen, welche von den liebenden noch verschieden sind, machen doch Ingredienzen der zärtlichen oder leidenschaftlichen Anhänglichkeit an der Person aus.</p> <p>Wie viele Männer habe ich nicht gekannt, die an ihren Weibern mit dauernder Zärtlichkeit hingen, so sehr sie von ihrem moralischen Unwerth überzeugt waren! Achtung war es nicht was sie fesselte! Aber Sinnlichkeit, der oft Versagungen entgegengesetzt wurden, Eitelkeit auf den Besitz einer schönen, vornehmen und allgemein artig gefundenen Genossin ihrer Verhältnisse, Befriedigung des Eigennutzes, der sich von der unterhaltenden Gesellschafterin belustigt, oder von der klugen Rathgeberin wohlgeleitet fühlte, endlich Angewöhnung an die Person hielt sie in ihren schimpflichen Banden auf. Wie häufig sind die Erfahrungen, daß auch das zärtere Geschlecht bey aller Ueberzeugung von der Ausgelassenheit des Geliebten eine Leidenschaft, vor der es selbst erröthet, nicht zu überwinden vermag!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [367/0367]
Achtes Kapitel.
Ohne Achtung besteht keine Liebe. In wie fern dieser Grundsatz wahr sey? Nöthige Vorsicht bey seiner Anwendung.
Ohne Achtung besteht keine Liebe, pflegt man gemeiniglich zu sagen. Allein dieser Grundsatz ist nicht allgemein wahr, wenn man den Sinn des Wortes Achtung genau faßt. Richtiger würde man sagen: es giebt auf die Dauer keine Liebe, wo das Gefühl der Neuheit, des Schönen, des sympathetisch Interessanten, und des Schätzungswerthen für die Selbstheit wegfällt. Denn wie ich oft gesagt habe, alle diese Empfindungen, welche von den liebenden noch verschieden sind, machen doch Ingredienzen der zärtlichen oder leidenschaftlichen Anhänglichkeit an der Person aus.
Wie viele Männer habe ich nicht gekannt, die an ihren Weibern mit dauernder Zärtlichkeit hingen, so sehr sie von ihrem moralischen Unwerth überzeugt waren! Achtung war es nicht was sie fesselte! Aber Sinnlichkeit, der oft Versagungen entgegengesetzt wurden, Eitelkeit auf den Besitz einer schönen, vornehmen und allgemein artig gefundenen Genossin ihrer Verhältnisse, Befriedigung des Eigennutzes, der sich von der unterhaltenden Gesellschafterin belustigt, oder von der klugen Rathgeberin wohlgeleitet fühlte, endlich Angewöhnung an die Person hielt sie in ihren schimpflichen Banden auf. Wie häufig sind die Erfahrungen, daß auch das zärtere Geschlecht bey aller Ueberzeugung von der Ausgelassenheit des Geliebten eine Leidenschaft, vor der es selbst erröthet, nicht zu überwinden vermag!
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