Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.die Zufriedenheit des Geliebten kommt dabey nicht in Anschlag. Nur die Geschlechtssympathie, die sonst auf niedrigeren Wegen ihre Befriedigung sucht, wird veredelt. Eben dieß gilt nun von einer Menge von Bildern außerordentlicher Aufopferung unserer niederen Selbstheit, die theils Dichter und Romanenschreiber, theils das gemeine Leben liefert, und durch die wir uns leicht verführen lassen, an wahre Liebe zu glauben. Wir sehen die Henne auf ihren Eyern, den Hund auf der Leiche seines Herrn verschmachten. Unbekümmert darum, daß beyde keiner Ueberzeugung von dem Wohl anderer Geschöpfe fähig sind, entsteht bey uns das Bild eines mächtigen, sich selbst aufopfernden Wesens; wir transferieren es auf die Liebe, und schnell entsteht bey uns die Wonne der Beschauung des Edeln. Wir lesen, daß Dido die Flucht des Geliebten nicht überlebt, daß sie sich selbst ersticht, die Augen noch einmahl öffnet, und beym Anblick des verhaßten Lichts erseufzt. Unbekümmert darüber, daß die Verlassene vorher alles Unglück von den Göttern auf den Ungetreuen heraberflehet hatte, bleiben wir bloß bey dem Bilde der Königin stehen, die alles, selbst das Leben, nach der Trennung von dem Geliebten aufopfert, und finden in ihrer That die Aeußerung edler Liebe. Einer meiner Freunde, ein Maltheser-Ritter, macht während seines Aufenthalts in Maltha einer dortigen Dame von Stande aus Langeweile die Aufwartung. Sie, die schon über die Jahre der Reife hinaus ist, nimmt die Sache ernsthaft, und der Liebhaber wird des Verhältnisses überdrüßig. Er wendet eine Eifersucht vor, und zieht sich auf einige Zeit in die Einsamkeit zurück. Drey die Zufriedenheit des Geliebten kommt dabey nicht in Anschlag. Nur die Geschlechtssympathie, die sonst auf niedrigeren Wegen ihre Befriedigung sucht, wird veredelt. Eben dieß gilt nun von einer Menge von Bildern außerordentlicher Aufopferung unserer niederen Selbstheit, die theils Dichter und Romanenschreiber, theils das gemeine Leben liefert, und durch die wir uns leicht verführen lassen, an wahre Liebe zu glauben. Wir sehen die Henne auf ihren Eyern, den Hund auf der Leiche seines Herrn verschmachten. Unbekümmert darum, daß beyde keiner Ueberzeugung von dem Wohl anderer Geschöpfe fähig sind, entsteht bey uns das Bild eines mächtigen, sich selbst aufopfernden Wesens; wir transferieren es auf die Liebe, und schnell entsteht bey uns die Wonne der Beschauung des Edeln. Wir lesen, daß Dido die Flucht des Geliebten nicht überlebt, daß sie sich selbst ersticht, die Augen noch einmahl öffnet, und beym Anblick des verhaßten Lichts erseufzt. Unbekümmert darüber, daß die Verlassene vorher alles Unglück von den Göttern auf den Ungetreuen heraberflehet hatte, bleiben wir bloß bey dem Bilde der Königin stehen, die alles, selbst das Leben, nach der Trennung von dem Geliebten aufopfert, und finden in ihrer That die Aeußerung edler Liebe. Einer meiner Freunde, ein Maltheser-Ritter, macht während seines Aufenthalts in Maltha einer dortigen Dame von Stande aus Langeweile die Aufwartung. Sie, die schon über die Jahre der Reife hinaus ist, nimmt die Sache ernsthaft, und der Liebhaber wird des Verhältnisses überdrüßig. Er wendet eine Eifersucht vor, und zieht sich auf einige Zeit in die Einsamkeit zurück. Drey <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0055" n="55"/> die Zufriedenheit des Geliebten kommt dabey nicht in Anschlag. 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die Zufriedenheit des Geliebten kommt dabey nicht in Anschlag. Nur die Geschlechtssympathie, die sonst auf niedrigeren Wegen ihre Befriedigung sucht, wird veredelt.
Eben dieß gilt nun von einer Menge von Bildern außerordentlicher Aufopferung unserer niederen Selbstheit, die theils Dichter und Romanenschreiber, theils das gemeine Leben liefert, und durch die wir uns leicht verführen lassen, an wahre Liebe zu glauben.
Wir sehen die Henne auf ihren Eyern, den Hund auf der Leiche seines Herrn verschmachten. Unbekümmert darum, daß beyde keiner Ueberzeugung von dem Wohl anderer Geschöpfe fähig sind, entsteht bey uns das Bild eines mächtigen, sich selbst aufopfernden Wesens; wir transferieren es auf die Liebe, und schnell entsteht bey uns die Wonne der Beschauung des Edeln.
Wir lesen, daß Dido die Flucht des Geliebten nicht überlebt, daß sie sich selbst ersticht, die Augen noch einmahl öffnet, und beym Anblick des verhaßten Lichts erseufzt. Unbekümmert darüber, daß die Verlassene vorher alles Unglück von den Göttern auf den Ungetreuen heraberflehet hatte, bleiben wir bloß bey dem Bilde der Königin stehen, die alles, selbst das Leben, nach der Trennung von dem Geliebten aufopfert, und finden in ihrer That die Aeußerung edler Liebe.
Einer meiner Freunde, ein Maltheser-Ritter, macht während seines Aufenthalts in Maltha einer dortigen Dame von Stande aus Langeweile die Aufwartung. Sie, die schon über die Jahre der Reife hinaus ist, nimmt die Sache ernsthaft, und der Liebhaber wird des Verhältnisses überdrüßig. Er wendet eine Eifersucht vor, und zieht sich auf einige Zeit in die Einsamkeit zurück. Drey
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