Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Könige, der den Leichenzug der Maitresse mit trocknen Augen beobachten konnte. Aber für Liebe, für wonnevolles Bestreben, den Geliebten zu beglücken, beweisen diese Beyspiele nichts: sie sind in dieser Rücksicht weder wahr noch zweckmäßig, mithin auch nicht ästhetisch edel oder schön. Mancher Geitzige hat sich nach dem Verlust seiner Schätze selbst umgebracht, und der ehrgeitzige Cäsar hat beym Anblick eines Bildnisses des Alexanders Thränen vergossen. Aesthetisch veredelt erscheint die Liebe da, wo die Aufopferung der Selbstheit, als der innere Gehalt der Gesinnung geradezu auf das wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung, den Geliebten zu beglücken, zuführt: folglich mit dem Bilde des hohen, mächtigen Geistes, der unsern Geist empor hebt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird. Eine verlaßne Geliebte betrachtet ein Bildniß mit begeisterter Freude. Ist es das Bildniß des Ungetreuen? Nicht einmahl das: es ist das Portrait ihrer glücklicheren Nebenbuhlerin. Arme! Das kann dich erfreuen? Ach! antwortet sie: sie macht ihn so glücklich! - Wer kann dieß lesen, ohne mit dem Bilde der Aufopferung zugleich das der vollkommensten Liebe in seiner Seele aufsteigen zu sehen. Aesthetisch edel erscheint die Liebe in jener Alceste, die ihr Leben hinopfert, ihren Admet zu erhalten: in jener Herzogin der Normandie, die das Gift aus der Wunde des Gatten saugt, um ihn vom Tode zu retten; und am aller unzweydeutigsten in jenen Liebenden, die, überzeugt, den Geliebten an ihrer Hand nicht beglücken Könige, der den Leichenzug der Maitresse mit trocknen Augen beobachten konnte. Aber für Liebe, für wonnevolles Bestreben, den Geliebten zu beglücken, beweisen diese Beyspiele nichts: sie sind in dieser Rücksicht weder wahr noch zweckmäßig, mithin auch nicht ästhetisch edel oder schön. Mancher Geitzige hat sich nach dem Verlust seiner Schätze selbst umgebracht, und der ehrgeitzige Cäsar hat beym Anblick eines Bildnisses des Alexanders Thränen vergossen. Aesthetisch veredelt erscheint die Liebe da, wo die Aufopferung der Selbstheit, als der innere Gehalt der Gesinnung geradezu auf das wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung, den Geliebten zu beglücken, zuführt: folglich mit dem Bilde des hohen, mächtigen Geistes, der unsern Geist empor hebt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird. Eine verlaßne Geliebte betrachtet ein Bildniß mit begeisterter Freude. Ist es das Bildniß des Ungetreuen? Nicht einmahl das: es ist das Portrait ihrer glücklicheren Nebenbuhlerin. Arme! Das kann dich erfreuen? Ach! antwortet sie: sie macht ihn so glücklich! – Wer kann dieß lesen, ohne mit dem Bilde der Aufopferung zugleich das der vollkommensten Liebe in seiner Seele aufsteigen zu sehen. Aesthetisch edel erscheint die Liebe in jener Alceste, die ihr Leben hinopfert, ihren Admet zu erhalten: in jener Herzogin der Normandie, die das Gift aus der Wunde des Gatten saugt, um ihn vom Tode zu retten; und am aller unzweydeutigsten in jenen Liebenden, die, überzeugt, den Geliebten an ihrer Hand nicht beglücken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0058" n="58"/> Könige, der den Leichenzug der Maitresse mit trocknen Augen beobachten konnte. Aber für Liebe, für wonnevolles Bestreben, den Geliebten zu beglücken, beweisen diese Beyspiele nichts: sie sind in dieser Rücksicht weder wahr noch zweckmäßig, mithin auch nicht ästhetisch edel oder schön. 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Könige, der den Leichenzug der Maitresse mit trocknen Augen beobachten konnte. Aber für Liebe, für wonnevolles Bestreben, den Geliebten zu beglücken, beweisen diese Beyspiele nichts: sie sind in dieser Rücksicht weder wahr noch zweckmäßig, mithin auch nicht ästhetisch edel oder schön. Mancher Geitzige hat sich nach dem Verlust seiner Schätze selbst umgebracht, und der ehrgeitzige Cäsar hat beym Anblick eines Bildnisses des Alexanders Thränen vergossen.
Aesthetisch veredelt erscheint die Liebe da, wo die Aufopferung der Selbstheit, als der innere Gehalt der Gesinnung geradezu auf das wonnevolle Streben nach der Ueberzeugung, den Geliebten zu beglücken, zuführt: folglich mit dem Bilde des hohen, mächtigen Geistes, der unsern Geist empor hebt, zugleich das unzweydeutige Bild der Liebe erweckt wird.
Eine verlaßne Geliebte betrachtet ein Bildniß mit begeisterter Freude. Ist es das Bildniß des Ungetreuen? Nicht einmahl das: es ist das Portrait ihrer glücklicheren Nebenbuhlerin. Arme! Das kann dich erfreuen? Ach! antwortet sie: sie macht ihn so glücklich! – Wer kann dieß lesen, ohne mit dem Bilde der Aufopferung zugleich das der vollkommensten Liebe in seiner Seele aufsteigen zu sehen.
Aesthetisch edel erscheint die Liebe in jener Alceste, die ihr Leben hinopfert, ihren Admet zu erhalten: in jener Herzogin der Normandie, die das Gift aus der Wunde des Gatten saugt, um ihn vom Tode zu retten; und am aller unzweydeutigsten in jenen Liebenden, die, überzeugt, den Geliebten an ihrer Hand nicht beglücken
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