Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.beyden Geschlechtern. Diese Verhältnisse sind bald weiter, bald enger. Nicht bloß einzelne Akte der geselligen Mittheilung sind der guten Sitte unterworfen, sondern auch engere Verbindungen, die auf Zärtlichkeit und leidenschaftlicher Liebe beruhen. Auf beyde finden die Begriffe und Vorschriften des Anstandes und des feinen Tons ihre Anwendung. Ich lasse die gute Sitte in Ansehung der geselligen Mittheilung zwischen beyden Geschlechtern in ihren weiteren Verhältnissen unberührt. Was aber die engeren Verhältnisse anbetrifft, so verlangt der Anstand, daß ihre Aeußerungen so geleitet werden sollen, daß der Zweck der geselligen Mittheilung in größern geselligen Zusammenkünften und im weitern Umgange dadurch nicht gestört werde. Der Anstand ist daher theils nachsichtiger, theils strenger wie das Gesetz. Was die gesellige Mittheilung befördert, wenn es gleich den Gesetzen zuwider ist, das leidet er; was diese stört, wenn es gleich das Gesetz zuläßt, das leidet er nicht. Der Anstand hat daher verbotene Verhältnisse zwischen Personen, die nicht verheyrathet waren, von jeher geduldet, so lange sie nur nicht durch offenbare Beleidigung aller Achtung für die Sittlichkeit der Uebrigen, die freye Mittheilung in der Gesellschaft hemmten. Er hat aber aus eben dem Grunde keine Nachsicht mit der Eifersucht des Ehegatten, die doch das Gesetz duldet, wenn dadurch die gesellige Mittheilung gestört wird. Der beobachtete Anstand in der Zärtlichkeit und Leidenschaft kann keine Wonne der Beschauung erwecken. Er wird nur schätzungswerth durch Beziehung auf den Nutzen, den er für die gesellige Mittheilung in größern Zusammenkünften und im weitern Umgange mit sich beyden Geschlechtern. Diese Verhältnisse sind bald weiter, bald enger. Nicht bloß einzelne Akte der geselligen Mittheilung sind der guten Sitte unterworfen, sondern auch engere Verbindungen, die auf Zärtlichkeit und leidenschaftlicher Liebe beruhen. Auf beyde finden die Begriffe und Vorschriften des Anstandes und des feinen Tons ihre Anwendung. Ich lasse die gute Sitte in Ansehung der geselligen Mittheilung zwischen beyden Geschlechtern in ihren weiteren Verhältnissen unberührt. Was aber die engeren Verhältnisse anbetrifft, so verlangt der Anstand, daß ihre Aeußerungen so geleitet werden sollen, daß der Zweck der geselligen Mittheilung in größern geselligen Zusammenkünften und im weitern Umgange dadurch nicht gestört werde. Der Anstand ist daher theils nachsichtiger, theils strenger wie das Gesetz. Was die gesellige Mittheilung befördert, wenn es gleich den Gesetzen zuwider ist, das leidet er; was diese stört, wenn es gleich das Gesetz zuläßt, das leidet er nicht. Der Anstand hat daher verbotene Verhältnisse zwischen Personen, die nicht verheyrathet waren, von jeher geduldet, so lange sie nur nicht durch offenbare Beleidigung aller Achtung für die Sittlichkeit der Uebrigen, die freye Mittheilung in der Gesellschaft hemmten. Er hat aber aus eben dem Grunde keine Nachsicht mit der Eifersucht des Ehegatten, die doch das Gesetz duldet, wenn dadurch die gesellige Mittheilung gestört wird. Der beobachtete Anstand in der Zärtlichkeit und Leidenschaft kann keine Wonne der Beschauung erwecken. Er wird nur schätzungswerth durch Beziehung auf den Nutzen, den er für die gesellige Mittheilung in größern Zusammenkünften und im weitern Umgange mit sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0079" n="79"/> beyden Geschlechtern. Diese Verhältnisse sind bald weiter, bald enger. 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Der Anstand hat daher verbotene Verhältnisse zwischen Personen, die nicht verheyrathet waren, von jeher geduldet, so lange sie nur nicht durch offenbare Beleidigung aller Achtung für die Sittlichkeit der Uebrigen, die freye Mittheilung in der Gesellschaft hemmten. Er hat aber aus eben dem Grunde keine Nachsicht mit der Eifersucht des Ehegatten, die doch das Gesetz duldet, wenn dadurch die gesellige Mittheilung gestört wird.</p> <p>Der beobachtete <hi rendition="#g">Anstand</hi> in der Zärtlichkeit und Leidenschaft kann keine Wonne der Beschauung erwecken. Er wird nur schätzungswerth durch Beziehung auf den Nutzen, den er für die gesellige Mittheilung in größern Zusammenkünften und im weitern Umgange mit sich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0079]
beyden Geschlechtern. Diese Verhältnisse sind bald weiter, bald enger. Nicht bloß einzelne Akte der geselligen Mittheilung sind der guten Sitte unterworfen, sondern auch engere Verbindungen, die auf Zärtlichkeit und leidenschaftlicher Liebe beruhen. Auf beyde finden die Begriffe und Vorschriften des Anstandes und des feinen Tons ihre Anwendung.
Ich lasse die gute Sitte in Ansehung der geselligen Mittheilung zwischen beyden Geschlechtern in ihren weiteren Verhältnissen unberührt. Was aber die engeren Verhältnisse anbetrifft, so verlangt der Anstand, daß ihre Aeußerungen so geleitet werden sollen, daß der Zweck der geselligen Mittheilung in größern geselligen Zusammenkünften und im weitern Umgange dadurch nicht gestört werde. Der Anstand ist daher theils nachsichtiger, theils strenger wie das Gesetz. Was die gesellige Mittheilung befördert, wenn es gleich den Gesetzen zuwider ist, das leidet er; was diese stört, wenn es gleich das Gesetz zuläßt, das leidet er nicht. Der Anstand hat daher verbotene Verhältnisse zwischen Personen, die nicht verheyrathet waren, von jeher geduldet, so lange sie nur nicht durch offenbare Beleidigung aller Achtung für die Sittlichkeit der Uebrigen, die freye Mittheilung in der Gesellschaft hemmten. Er hat aber aus eben dem Grunde keine Nachsicht mit der Eifersucht des Ehegatten, die doch das Gesetz duldet, wenn dadurch die gesellige Mittheilung gestört wird.
Der beobachtete Anstand in der Zärtlichkeit und Leidenschaft kann keine Wonne der Beschauung erwecken. Er wird nur schätzungswerth durch Beziehung auf den Nutzen, den er für die gesellige Mittheilung in größern Zusammenkünften und im weitern Umgange mit sich
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